Seit mehr als zehn Jahren ist der Mitmach-Parcours „KlarSicht“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Deutschland unterwegs. Fast 400 Mal wurde er aufgebaut, um Jugendliche über die Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums zu informieren. Jetzt war er erstmals im Main-Tauber-Kreis zu Gast.
In der Bad Mergentheimer Mehrzweckhalle „Stadtgarten“ durchliefen rund 300 Schülerinnen und Schüler an zwei Tagen den Parcours. Sie kamen von der Kaufmännischen Schule, der Gewerblichen Schule und der Beruflichen Schule für Ernährung, Pflege und Erziehung in Bad Mergentheim, von der Gemeinschaftsschule Lernhaus Ahorn, von der Werkrealschule Boxberg sowie von der Johann-Adam-Möhler Schule in Igersheim. Sandra Hügel, Kommunale Suchtbeauftragte beim Landratsamt, hatte die Anmeldungen koordiniert.
Der Parcours ist für Jugendliche ab zwölf Jahren gedacht, nach oben hin sind altersmäßig keine Grenzen gesetzt. Die Jugendlichen durchlaufen innerhalb von 90 Minuten fünf Stationen. Dort treffen sie jeweils auf eine Moderatorin oder einen Moderator.
Beim „Drunk-Buster“ können die Jugendlichen eine Art „Rauschbrille“ aufsetzen. Sie simuliert die Wahrnehmung, wenn man drei oder vier Alkohol-Mixgetränke konsumiert hat. Da wird schnell deutlich, dass man in diesem Zustand besser nicht mehr Auto fahren sollte – und dass man sich in der Gruppe so organisieren sollte, dass niemandem etwas passiert.
An einer anderen Station des Parcours wird zum Beispiel in einer „Talkshow“ über Alkoholprobleme diskutiert. An der Station „Images“ werden Werbesprüche für Tabak und Alkohol entworfen. Da wird schnell deutlich, wie die Werbung oft falsche Versprechungen macht – und dass Sehnsüchte auch ohne Drogen erfüllt werden können.
Ohne Zeigefinger
„Wir treten an den Stationen nicht mit erhobenem Zeigefinger auf“, sagte Projektleiterin Ingrid Schmitt. Dieser Weg komme bei den allermeisten jungen Leuten gut an. Die Entscheidung, Alkohol oder Tabak zu konsumieren bzw. dies eben nicht zu tun, träfen die Jugendlichen ohnehin in ihrer jeweiligen Gruppe von Gleichaltrigen. „Wir wollen ihr Rückgrat stärken, damit sie auch ,Nein‘ sagen können“, sagte Schmitt. Ziel sei es vielmehr, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen – ohne, dass ihre Lehrer zuhören dürfen.
Aufgrund der interaktiven Arbeit, in der ganz spontan auf die Aussagen der Jugendlichen eingegangen wird, ist der Parcours für alle Jugendlichen vom Förderschüler bis zum Studenten geeignet.
Bei einem Pressegespräch machten die Partner aus der Suchtprävention deutlich, dass sie das Projekt „Mitmachparcours“ vollauf unterstützen. Zum Teil wirkten sie auch selbst als Moderatoren im Parcours mit. „Das Thema Jugend und Suchtprävention fordert uns“, sagte Franz Dittmann, Ordnungs- und Sozialamtsleiter der Stadt Bad Mergentheim. Ein wichtiger Beitrag sei das Projekt „Festkultur“, mit dem der Umgang mit Veranstaltungen im Landkreis einheitlich geregelt werde. Konkret werden Veranstaltungen beispielsweise nur unter bestimmten Auflagen zum Alkoholausschank und zur Veranstaltungsdauer genehmigt. Außerdem beteilige die Stadt Bad Mergentheim sich an einem landesweiten Aktionsprogramm gegen Spielsucht. Unter anderem müssen die Mitarbeiter von Spielhallen bestimmte Schulungen zum richtigen Umgang mit suchtgefährdeten Personen absolvieren.
Laut Statistik werden in Deutschland jedes Jahr rund 23 000 Kinder und Jugendliche wegen einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Der Leiter des Gesundheitsamtes im Landratsamt, Dr. Heiner Thierolf, räumte ein, dass der Main-Tauber-Kreis in dieser Statistik einen der vorderen Plätze in Baden-Württemberg belege. Dies müsse aber nicht bedeuten, dass es im Main-Tauber-Kreis ein weiter verbreitetes Alkoholproblem bei Jugendlichen gibt. „Es kann auch sein, dass das Problem übermäßigen Alkoholkonsum hier schon eher erkannt worden ist als andernorts, dass hier also die Präventionsarbeit angekommen ist. Folglich könnte die Hemmschwelle niedriger liegen, den Notarzt zu rufen oder Betroffene ins Krankenhaus zu bringen.“
Keinesfalls dürfe man stark Betrunkene „in der Ecke liegen lassen“ und sich nicht um sie kümmern. Dann bestehe die Gefahr, dass die Betroffenen zum Beispiel an Erbrochenem ersticken.
Dauerthema
Der KlarSicht-Parcours sei ein toller Einstieg in die Präventionsarbeit, sagte Andrea Schilke vom Präventionsteam des Regierungspräsidiums Stuttgart. Man dürfe aber „keinen Haken an das Thema Suchtprävention machen, wenn der Parcours einmal durchlaufen ist“. Vielmehr sei die Suchtprävention ein Dauerthema. Das Land Baden-Württemberg bringe sich hier mit seinem Konzept „Stark, stärker, wir“ ein und wolle die Schulen dazu ermuntern, sich untereinander zu vernetzen.
Bernhard Haag vom Referat Prävention des Polizeipräsidiums Heilbronn, Außenstelle Tauberbischofsheim, wies darauf hin, dass die polizeiliche Prävention in den Schulen neu organisiert und verstärkt wird. Darauf hätten sich Kultusminister Stoch und Innenminister Gall geeinigt. Künftig soll es landesweit standardisierte Vorträge zur Alkohol- und Kriminalprävention geben, die in Schulen angeboten werden können. „Aktuell laufen die letzten Vorbereitungen, damit es pünktlich zum Beginn des neuen Schuljahres losgehen kann“, sagte er.
Junge Klienten
Barbara Veeh von der Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werks im Altkreis Mergentheim berichtete von einer – gemäß Statistik – sechsmal höheren Gefahr von Alkoholsucht bei Jugendlichen, wenn in ihren Familien Drogen konsumiert werden. Eine neue Entwicklung sei, dass rund ein Drittel der Klienten der Beratungsstelle jünger als 30 Jahre alt sind. Hierbei liege noch mal ein Schwerpunkt bei Jugendlichen unter 20 Jahren. „Hier führen wir natürlich ganz andere Beratungsgespräche als bei Älteren.“
Gerhard Heine von der Suchtberatung des katholischen Fachverbands agj im Main-Tauber-Kreis sah die wichtigste Aufgabe darin, bei den Jugendlichen eine Reflektion über die eigenen Erfahrungen anzuregen. Ziel sei ein bewusster, risikoreduzierter Konsum. Dazu müsse man die Jugendlichen miteinander ins Gespräch bringen.