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Gerchsheim
Forderung nach "mehr Freizeit": Das sagen Unternehmens- und Gewerkschaftsvertreter dazu
Die SEHO Systems GmbH hat vor zwei Jahren die Vier-Tage-Woche eingeführt und ist mit dieser Entscheidung äußerst zufrieden.
Foto:  Jonas Hahn | Die SEHO Systems GmbH hat vor zwei Jahren die Vier-Tage-Woche eingeführt und ist mit dieser Entscheidung äußerst zufrieden.
Linda Hener
 |  aktualisiert: 17.05.2024 02:45 Uhr

"Mehr Freizeit" forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unter anderem im Rahmen der 1. Mai-Kundgebungen. Mehr Freizeit für Arbeitnehmende – wie kann das realisiert werden? "Mehr Freizeit kann auf verschieden Weise entstehen", sagt Silke Ortwein, DGB Geschäftsführerin der Region Heilbronn-Franken. Zum einen durch Tarifverträge, die zum Beispiel eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich schaffen. "Jeder Urlaubstag über dem gesetzlichen Anspruch ist übrigens auch eine Form von mehr Freizeit", erläutert sie. Darüber hinaus seien es neue Arbeitszeitmodelle – wie die Vier-Tage-Woche – die mehr Freizeit ermöglichen, sowie Teilzeitarbeit: "Nach den tariflichen Regelungen die häufigste Art, weniger Arbeit und mehr Freizeit zu haben, allerdings zulasten des Einkommens und auch der Rentenanwartschaften." Die Teilzeitarbeit gehe damit einseitig zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und sei gesamtgesellschaftlich und für die einzelne Person die bedenklichste Form, zu mehr Freizeit zu kommen: "Deshalb fordern wir das als Gewerkschaft nicht." Häufig sei Teilzeitarbeit im Öffentlichen Dienst zu finden. "Die öffentlichen Arbeitgeber machen es sich zu leicht, wenn sie die hohe Teilzeitquote kritisieren. Sie scheinen zu verdrängen, dass insbesondere die hohe Arbeitsintensität viele Kolleginnen und Kollegen regelrecht in die Teilzeit zwingt. Viele Beschäftigte arbeiten zudem in Teilzeit, weil es aufgrund von Personalmangel an Kita- und Krippenplätzen fehlt. Deshalb ist eine gewerkschaftliche Forderung, dass die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich attraktiver werden müssen."

Was sagen Unternehmensvertreter aus der Region zu einer Verkürzung der Arbeitszeit? Dr. Mario Englert, Geschäftsführer/CFO der Firma Lauda, erläutert: "Lauda bietet seinen Mitarbeitenden bereits heute eine 35-Stunden-Woche und hohe zeitliche Flexibilität, beispielsweise durch eine flexible Arbeitszeit ohne Kernarbeitszeit und die Umwandlung von Zuschüssen in Freizeit. Ebenfalls ist uns die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig, weshalb wir weitere individuelle Vereinbarungen treffen können, die mehr Flexibilität ermöglichen – zum Beispiel auch ein Sabbatical." Doch genauso sei es als international aufgestelltes Unternehmen wichtig, im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Der Wirtschaftsstandort Deutschland stehe vor vielen Herausforderungen: Fachkräftemangel, Wettbewerbsdruck und hohe Kosten seien nur einige davon. Deshalb seien Forderungen wie die Vier-Tage-Woche mit Arbeitszeitverkürzung und vollem Lohnausgleich für die Industrie in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation kein gangbares Mittel, "da sie mit einem signifikanten Leistungs- und Produktionsdefizit einhergehen", so der Chief Financial Officer.

"Auch bei uns wird das Thema mehr Freizeit immer wieder angeschnitten, hier aber eher bei den älteren Monteuren. Durch das marode Rentensystem sind viele Arbeitnehmer gezwungen, länger im Berufsleben zu bleiben als gesetzlich vorgeschrieben. Da die schwere körperliche Arbeit ab 60 vielen zu schaffen macht, sind viele dabei, die nur noch vier Tage arbeiten. Das Ganze jedoch ohne Lohnausgleich", erklärt Veit Heer, Sanitär-, Heizungsbau- und Spenglermeister, dessen Betrieb 2023 vom Landratsamt des Main-Tauber-Kreises mit dem Zukunftspreis 2023 unter dem Thema "Fach- und Arbeitskräfte" ausgezeichnet wurde. Das Unternehmen mit Sitz in Gerchsheim hatte mit verschiedenen Maßnahmen zur Mitarbeiterzufriedenheit und -gewinnung überzeugt. Veit Heer merkt an, dass in seinem Fall die jüngeren Mitarbeitenden weniger Interesse an einer Verkürzung der Arbeitszeit hätten: "Was aufgrund finanzieller Verpflichtungen – wie Hausbau und so weiter – verständlich ist. Am Ende fällt mir dazu immer wieder mein Großvater ein, seinerzeit Maurermeister und Firmenchef – er hat vor 40 Jahren schon immer das Liedchen gesummt: ,Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt?'"

Markus Walter ist Geschäftsführer der SEHO Systems GmbH mit Firmensitz in Kreuzwertheim. Vor zwei Jahren hat man dort die Vier-Tage-Woche eingeführt. Der CEO berichtet: "Unser Ziel war es, das Wohlbefinden unserer Belegschaft zu fördern und positive Veränderungen in ihrer Arbeit zu bewirken. Anfangs wurde das neue Modell mit Freude, aber auch einer gesunden Portion Skepsis betrachtet." Schnell habe sich herausgestellt, dass die Mitarbeitenden das neue Arbeitsmodell sehr schätzen. "Die Vier-Tage-Woche ermöglicht nicht nur mehr Freizeit und Flexibilität, sondern auch eine bessere Erholung nach der Arbeitswoche, was zu weniger Krankmeldungen führt. Wir sind äußerst zufrieden mit dieser Entscheidung."

Die SEHO Systems GmbH mit Firmensitz in Kreuzwertheim
Foto: Jonas Hahn | Die SEHO Systems GmbH mit Firmensitz in Kreuzwertheim
 
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