Sachlich in der Debatte, radikal in der Entscheidung: Nach dem Absturz bei der Bundestagswahl setzt die Südwest-FDP auf einen personellen Neuanfang. Kann es das neue Team um Theurer besser?
Am Ende strahlte einer, der es vor zweieinhalb Jahren schon einmal wissen wollte: Im Mai 2011 trat Michael Theurer gegen Baden-Württembergs FDP-Chefin Birgit Homburger an – und unterlag. Am Wochenende schaffte es der 46 Jahre alte Europapolitiker aber doch auf den Chefposten.
In einer Stichwahl setzte sich Theurer beim Parteitag in Filderstadt (Kreis Esslingen) gegen FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke durch – knappe elf Stimmen machten den Unterschied. Theurer beerbt somit Homburger, die nach neuneinhalb Jahren an der Spitze nur noch „MdB“ – Mitglied der Basis – sein will.
Konfliktstoff
Damit stellte sich die baden-württembergische FDP als erster großer Landesverband nach der Bundestagswahl personell neu auf. Ursprünglich rangelten vier Männer um den Chefposten. Das desolate Ergebnis am 22. September, bei der die FDP aus dem Parlament geflogen und auch in ihrem Stammland Baden-Württemberg auf ein historisches Tief gestürzt war, versprach viel Konfliktstoff.
Wortbeiträge gab es in Filderstadt dann auch reichlich – aber sie blieben sachlich. Der größte Unmut unter den insgesamt 7000 Parteimitgliedern hatte sich offensichtlich schon bei den vier Regionalkonferenzen entladen.
Letztlich mussten sich die Delegierten zwischen Theurer und Rülke entscheiden. Rülke, der den Posten zusätzlich zu seiner Arbeit als Fraktionschef machen wollte, argumentierte überwiegend strategisch und sachlich. Er kündigte an, die FDP breiter aufzustellen, um sie auch für andere Koalitionen als mit der CDU zu öffnen. „Muttiland ist abgebrannt für die FDP“, rief er mit Blick auf Kanzlerin („Mutti“) Angela Merkel. Die Kritik seiner Gegner, er komme kühl und emotionslos rüber, versuchte Rülke zu entkräften. „Ich brenne für diese Aufgabe“, beteuerte der 52-Jährige, der im Landtag als Zuspitzer gilt mit einem Hang zur Polemik. Nun wurde seine Rede als ausgewogen gelobt.
Emotionale Rede
Auch Theurer, der als Liebling der Basis gilt, versprach einen inhaltlichen Neuanfang. Er argumentierte weniger pointiert, aber emotionaler als Rülke, und er beschwor den Teamgeist: „Gemeinsam packen wir es an.“ Theurer sicherte zu, mehr auf die Mitglieder zu hören. „Es war ein Fehler, die Basis lange Zeit, insbesondere in Zeiten guter Umfrage- und Wahlergebnisse, zu vernachlässigen.“ Und die FDP dürfe keine Angst vor sozialen Themen haben. „Schluss mit dem Quatsch zu sagen, wer sich um soziale Gerechtigkeit kümmere, wolle aus der FDP eine sozialdemokratische Partei machen.“ Mit Theurer entschieden sich die Delegierten für den radikaleren Neuanfang - denn die bisherige Generalsekretärin Gabriele Heise hatte sich bereits Rülke verschrieben, der nun unter Theurer einer von drei Stellvertretern ist. Wie von Theurer gewünscht löst Bildungspolitiker Patrick Meinhardt nun Heise im Amt ab.