
Seit nunmehr 20 Jahren gibt es die Woche der Armut in Baden-Württemberg, die auf die prekäre Lage der Menschen aufmerksam machen möchte, welche größtenteils unverschuldet aus der Mitte der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden. Dabei ist es unerheblich, welcher Schicht man vorher angehörte, es kann mittlerweile jede und jeden treffen, darüber war man sich in der Runde einig.
Heike Eutemüller vom Caritas Sozialdienst kann von vielen Familien aus der Mittelschicht berichten, die durch Trennung arm wurden, und zwar beide Partner. Oft muss man – trotz Trennung – noch im gemeinsamen Haus wohnen, weil der Wohnungsmarkt leergefegt ist und keine bezahlbare Bleibe gefunden werden kann. Das trifft aktuell alle Wohnungssuchenden und die Menschen am Rande der Gesellschaft haben es besonders schwer. Alleinerziehende sind davon natürlich auch stark betroffen.
Etwa 25 Prozent aller Haushalte im Main-Tauber-Kreis mit Kindern sind alleinerziehend, weiß Martin Frankenstein, Leiter des Jugendamtes beim Landratsamt zu berichten. Trotz vielfältiger Unterstützung finanzieller und ideeller Art gelinge es nicht immer, die Menschen in die Mitte der Gesellschaft zurückzubringen. Einige Erfolge kann man allerdings in den letzten Jahren nachweisen, was für das dichte Netz der Hilfen spricht.
Zunahme an Bedürftigen, die zur Tafel kommen
Was man allerdings beobachten kann, äußerten Guido Imhof von Caritas im Tauberkreis und Linda Haberkorn vom Diakonischen Werk, beide sind unter anderem zuständig für die Tafelläden, ist eine Zunahme an Bedürftigen, die zur Tafel kommen. Oftmals reicht die gespendete Ware schon nicht mehr für den Andrang, der an den Ausgabestellen herrscht. Das trifft nicht nur Migranten und bei uns lebende Ausländer, auch Ältere und Alleinerziehende wissen oft nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen und kommen dann zur Tafel, um wenigstens ein paar Lebensmittel zu erhalten.
Moderator Werner Fritz, Vorsitzender des Paritätischen und Geschäftsführer der Jugendhilfe Creglingen, schaffte es, alle Facetten der Wege in die Armut beleuchten zu lassen. Gleichzeitig wurden aber auch Wege aufgezeigt, wie man aus dem Teufelskreis herauskommen kann. "Armut bedroht alle, auch noch nach 20 Jahren", seit die Wohlfahrtsverbände die Aktionswoche der Armut eingeführt hatten.
Früher führte häufig das Alter zu Armut, das habe sich ein wenig gebessert, wenn man allerdings ins Senioren- oder Pflegeheim muss, sind die finanziellen Mittel meist schnell aufgebraucht, stellte Nicole Schwarz, ebenfalls beim Paritätischen, fest. Die Pflegekosten hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Sie sprach von der "Armutsfalle Pflegeheim". Sie wünscht sich, falls die Runde in zehn Jahren wieder so zusammenkommt, dass es eine Pflegereform gegeben hat, die vernünftige Lösungen und Finanzierungen gefunden hat, sodass die Menschen in den Einrichtungen lebenswert leben können.
Überschneidung von Behinderung und Armut
Das wünscht sich auch Fabian Bayer, kommunaler Behindertenbeauftragter beim Landratsamt. Die Überschneidung von Behinderung und Armut schafft ein Netz, das sich nur schwer durchbrechen lässt, hat er beobachtet. Durch Behinderungen kämen auf die Menschen höhere Kosten zu, die sie nur schwer aus eigenen Mitteln decken können.
Lisa Faulhaber vom Jobcenter sieht große Herausforderungen für die Gesellschaft, denn die Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, steigt. Das hängt auch mit psychischen Erkrankungen zusammen, die Menschen ebenfalls in Armut führen können, hat Yasemin Eryanar vom Gesundheitsamt beobachtet. Das Zusammenkommen von Erkrankung und Armut sei häufig zu beobachten, berichtete sie.
Armut kann vielfältig auftreten und jederzeit alle Menschen in unserem Land treffen, war das Resümee der Veranstaltung. Die Teilnehmer sehen für die nächsten Jahre keine Besserung der Situation, haben aber Vorstellungen von Gesellschaft, die frei von Armut ist.