
Mit dem Musical „Woyzeck“ nach dem Theaterstück von Georg Büchner eröffnete die Badische Landesbühne in der Tauberbischofsheimer Stadthalle die Spielzeit 2023/24. Mit seiner Inszenierung stellte sich der neue Intendant Wolf E. Rahlfs vor.
Die Vorstellung mit einer Live-Band fand nicht zuletzt viel Zuspruch, weil das Stück Abiturstoff ist. Bekanntlich starb Büchner 1837 im Alter von nur 23 Jahren und hinterließ von „Woyzeck“ nur ein fragmentarisches Manuskript mit ungeordneten Szenen. Kein Wunder also, dass dieses handschriftliche Fragment zu weiteren künstlerischen Interpretationen anregte. Büchners Notizen beruhen auf der wahren Geschichte eines Soldaten, der 1821 in Leipzig seine Freundin erstach. Alban Berg komponierte die 1925 uraufgeführte Oper „Wozzeck“, die als Meisterwerk der zeitgenössischen klassischen Musik gilt.
Neuer Blick auf Theaterklassiker
Das Musical „Woyzeck“ von Tom Waits, Kathleen Brennan und Robert Wilson verwendet die Figuren und das Setting, um einen neuen Blick auf den Theaterklassiker zu werfen. Uraufgeführt wurde es im Jahr 2000 in Kopenhagen.
Der Regisseur machte aus der Not eine Tugend und besetzte die Hauptrolle mit der Schauspielerin Nadine Pape. Ein geschickter Schachzug, weil Nadine Pape als Woyzeck ihre wohlklingende Stimme eindrucksvoll einzusetzen verstand. Madeline Hartig konnte ihrerseits mit berührend-klarer Stimmführung glänzen, während sich Cornelia Heilmann mit einer turnerischen Kabarett-Einlage Beifall verdiente. Als experimentierfreudige und ehrgeizige Ärztin blieb sie noch nachhaltiger in Erinnerung. Stefan Holm, Lukas Maria Redemann und Thilo Langer hatten es bei ihren eher schrägen Gesangseinlagen deutlich schwerer, während sie schauspielerisch zur gelungenen Aufführung ohne Fehl und Tadel beitrugen.
Wohlkingende Songs, verstörende Atmosphäre
Der erste Song des amerikanischen Musikers Tom Waits war gleich zum Auftakt zu hören: „Misery is the river of the world“, Elend ist der Fluss der Welt. Wiederholt war mit der Songzeile „If there’s one thing you can say about mankind: There’s nothing kind about man“ ein wenig optimistisches Wortspiel zu hören.
Tatsächlich gibt es von den Protagonisten Franz Woyzeck (Nadine Pape), Marie (Madeine Hartig), den Hauptmann (Stefan Holm), den Tambourmajor (Lukas Maria Redemann), Andres (Thilo Langer) und den Doktor und Margreth (Cornelia Heilmann) nicht viel Erfreuliches zu hören. Dies machte es etwas schwierig, die alptraumhafte Geschichte einer gnadenlosen Gesellschaft und eines vor Eifersucht in den Wahnsinn getriebenen einfachen Soldaten mit eingeschobenen, wohlklingenden Songs wie in einem reinen Unterhaltungsmusical zu konsumieren, bei dem nach jedem Song geklatscht wird.
Tom Waits komponierte für das Musical weitere Lieder, die – wie etwa „God`s away on business“ - eine verstörende Atmosphäre verstärkten, so wie auch die Lichtführung von Tilo Schwarz überwiegend die Bühne mit eher gedeckten Farben ausleuchtete. Verstärkt wurde deutlich gemacht, dass Woyzeck eine Marie verehrt, die es in Wirklichkeit nicht gibt. So etwa mit Videobildern von Tommi Brem auf einem überdimensionalen Bullauge, durch das Woyzeck auf Maries Porträt blickte, als er sie mit dem Song „Coney Island Baby“ feierte.
So verebbte dann im Laufe der Vorstellung der Zwischenapplaus des Publikums nach den Liedern immer mehr, das dafür nach 90 Minuten Spieldauer umso frenetischer alle Mitwirkenden feierte.