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Bad Mergentheim
Eine Sinnbefragung in erzählerischer Weise
Uwe Timm gilt als einer der größten deutschen Autoren der Gegenwart. Im Evangelischen Gemeindezentrum in Bad Mergentheim sprach er mit Helmut Böttiger über sein Buch 'Alle meine Geister'.
Foto: Linda Hener | Uwe Timm gilt als einer der größten deutschen Autoren der Gegenwart. Im Evangelischen Gemeindezentrum in Bad Mergentheim sprach er mit Helmut Böttiger über sein Buch "Alle meine Geister".
Linda Hener
 |  aktualisiert: 21.06.2024 02:46 Uhr

Bekannt wurde Autor Uwe Timm einem breiten Publikum mit seinen Werken "Die Entdeckung der Currywurst", "Rot" oder dem Kinderbuch "Rennschwein Rudi Rüssel". Jedoch bereits in seiner Jugend findet der heute 84-Jährige die Nähe zur Literatur und in ihm wächst der Wunsch, Schriftsteller zu werden – wofür er in jungen Jahren von Gleichaltrigen in seiner scheinbaren Naivität belächelt wird und er beschließt, nicht mehr darüber zu reden bis er ab 1961 das Braunschweig-Kolleg besucht. Die Umstände jener Zeit – nicht lange nach dem zweiten Weltkrieg und den noch sichtbaren Folgen – führen dazu, dass der junge Uwe Timm erst einmal einen "anständigen Beruf", eine Kürschnerlehre in Hamburg, absolviert. Das bedeutet, er erlernt das Pelzhandwerk, einen Beruf, den er sich nicht selbst ausgesucht hat, sondern den ihm sein Vater verschafft hatte.

In seinem autobiografischen Buch "Alle meine Geister" erinnert sich Uwe Timm an diese Jugendzeit, die sehr prägend für ihn ist. Vor allen Dingen, da er Menschen begegnet, die ihm Bücher und Kunst empfehlen, durch die er reift und die sein Leben beeinflussen werden, wie das Buch "Der Fänger im Roggen". Lesen und Schreiben wird Timm in den Pausen, manchmal zurückgezogen, im Geheimen, die Beschäftigung mit der Literatur ist damals für ihn wie Atemholen. Seine Initiation habe somit nicht durch die Schule stattgefunden, sondern durch das Leben und die Menschen um ihn herum, die ihm was bedeuteten, berichtet er im Evangelischen Gemeindezentrum in Bad Mergentheim. Dort spricht Uwe Timm mit Literaturkritiker Helmut Böttiger im Rahmen der Literatur im Schloss-Veranstaltungsreihe über die Entstehung und Hintergründe des Buches, zu dem erst Corona geführt habe, merkt er an. Eigentlich sei er mit einem ganz anderen Stoff beschäftigt gewesen, zu dem er schon viele Gespräche geführt habe. Dann sei es aber anders gekommen: "Eine Sinnbefragung in erzählerischer Weise" wurde es. Ein Buch, zu dem er nichts recherchiert hätte, was ihn teilweise verunsicherte, erklärt er den rund 120 Zuhörerinnen und Zuhörern, und was für ihn außergewöhnlich sei. Für dieses Werk habe er sich – mal besser, mal schlechter – erinnert. Und schließlich wurde es fast so etwas wie eine "Suchanzeige" für die Personen, die er seither aus den Augen verloren habe.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer durften sich über eine Kostprobe aus 'Alle meine Geister' freuen.
Foto: Linda Hener | Die Zuhörerinnen und Zuhörer durften sich über eine Kostprobe aus "Alle meine Geister" freuen.

Immer wieder geht Uwe Timm an diesem Abend auf die Themen Literatur, Kunst und Musik wie Jazz ein. Literatur sei ein Weg, das so Ferne, Gegenständliche im Spiel aufzulösen, stellt er dabei dar. Unter anderem beschreibt er seine persönliche Herangehensweise beim Schreiben und wie seine eigene Kontrollinstanz das Verfasste bewertet: "Und wenn ich sagen kann, es ist gut, dann ist es fertig."

Doch blickt Uwe Timm deshalb nicht mit Groll auf das Handwerk, das er erlernt hat, zurück. Helmut Böttiger bescheinigt ihm vielmehr eine "sinnliche Beschreibung des Handwerks", welche der Moderator mit Passagen aus "Der Nachsommer" von Adalbert Stifter vergleicht. Uwe Timm bestätigt ihm, dass auch das Handwerk die Berührung zum Künstlerischen habe und es darauf ankomme, welchen Elan und welche Sinnfindung die jeweilige Person mit ihrer Tätigkeit verbinde. Das diffizile Arbeiten mit Anforderung habe ihm Freude bereitet: "Das, was vorangeht, muss berechnet werden", erläutert er die Schwierigkeit seines Ausbildungsberufs.

Zum Abschluss der Veranstaltung streifen Uwe Timm und Helmut Böttiger den weiteren Werdegang des Autors und dessen Einstellung zu manchen Weggefährten aus dem Literaturbetrieb – bevor der Gast noch seine Bücher für die Interessierten signiert.

 
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