
Mit ihrem zweiten Roman "Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre" kam die Autorin Monika Zeiner kürzlich im Rahmen der "Literatur allerorten"-Reihe nach Bad Mergentheim ins Reinhold-Würth-Haus. "Ich wollte nicht die Zeit von 1933 bis 1945 an sich beschreiben und den wievielten Roman darüber schreiben, 'man findet eine Kiste auf dem Dachboden mit Briefen vom Opa, der bei der SS war' – was mich interessierte, das waren die ideengeschichtlichen Voraussetzungen, die mentalen Strukturen, die diese Zeit ermöglicht haben. Deshalb fange ich auch so früh in der Geschichte an", erläuterte die Autorin die Intention für ihr neues Werken bei ihrer Lesung vor rund 150 Gästen.
Menschen beziehungsweise Mitglieder eine Kulturnation, als die sich die Deutschen etwa seit Ende des Dreißigjährigen Krieges verstanden haben wollten, führte sie aus, hätten es so weit kommen lassen. Doch sei beispielsweise dieses scheinbare Bildungsbürgertum, das im Buch dargestellt wird, hierbei nur Fassade: "Der klassische Bildungskanon ist ein Abgrenzungs- oder Erziehungsmittel, ein verlogenes Bildungsideal, das als Schmuckdekor dazu hilft, andere Zwecke zu verfolgen", merkte Monika Zeiner an.
Hinter dem Reden verbirgt sich ein Schweigen
Im Gespräch mit Helmut Böttiger ging sie auf die Hintergründe ihres Romans ein, der die Entwicklung der im Fränkischen ansässigen Unternehmerfamilie Finck über Generationen hinweg erzählt. Im Zentrum steht Nikolaus Finck, Sohn des Schulmöbelfabrikanten, der als Drehbuchautor in sein Elternhaus zurückkehrt. Aus einem geplanten Wochenende wird ein Jahr. Dabei kommt er den Abgründen und vermeintlich perfektionierten Lügen in seiner Familie auf die Schliche. Zwar werde viel geredet, doch verberge sich hinter diesem übermäßigen Reden im Grunde ein Schweigen: "Auf der anderen Seite hat mich interessiert, was es mit den Nachgeborenen macht – dieses riesige Trauma der Schuld und Scham, über das eigentlich nicht gesprochen wird", erklärte Monika Zeiner die beiden Pole ihrer Geschichte.
Die in Gerchsheim aufgewachsene, in Tauberbischofsheim zur Schule gegangene und heute in Berlin lebende Monika Zeiner war mit ihrem Debütroman "Die Ordnung der Sterne über Como" vor rund zwölf Jahren – "wie aus dem Nichts", so Helmut Böttiger – sehr erfolgreich gewesen und gelangte auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises. Im Gegensatz zu vielen Gegenwartsautorinnen und -autoren hätte sie ungewöhnlich lange gewartet, stellte Helmut Böttiger fest, bis sie die Familiengeschichte "Villa Sternbald" veröffentlicht habe. Die beiden schmunzelten darüber, ob sie mit ihrem "erst" zweiten Buch noch zu den Nachwuchsautorinnen zähle. Die lange Dauer der Recherche und des Schreibens hänge wohl mit "ihrer Vorliebe für dicke und historische Romane mit doppelten Böden", zusammen, meinte Böttiger, der auf die langen "Thomas Mannschen Sätze" einging. Monika Zeiner verwies darauf, dass Thomas Manns "Doktor Faustus" in der Tat das erste große Werk gewesen sei, das sie emotional ergriffen und ihr eine Idee davon gegeben habe, wozu Literatur imstande sei. Dieses für sie prägende Buch habe sie in der 10. Klasse von ihrem Deutsch-Lehrer in Tauberbischofsheim erhalten – wobei der Lehrer, den sie zuvor hatte, noch gemeint habe, blickte die Autorin zurück, sie sei "in Deutsch die typische Note-3-Schülerin".
Unrecht der Enteignung und Ermordung
Auf das Familiengenerationsthema sei sie gekommen, "weil Schreiben für mich immer viel mit Erinnerung zu tun hat", zudem habe sie sich stark mit dem Thema Erziehung auseinandergesetzt und ihr sei als Teil einer "Enkelgeneration" schnell klar gewesen, dass sie etwas zu deutscher Vergangenheit in der Zeit von 1933 bis 1945 verfassen wollte. Dabei wollte sie die "Arisierung" aufgreifen, "da es anschaulich macht, wie flächendeckend das Unrecht der Enteignung und Ermordung der europäischen Juden bis in die Breite der Gesellschaft spürbar gewesen sein muss."