Siegfried Steigers Hartnäckigkeit ist legendär. Schon der damalige Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD, 1966-1972) wurde per Zettel vor ihm gewarnt: „Vorsicht! Steiger ist sehr aggressiv.“ Dem Starrsinn des Gründers der Björn-Steiger-Stiftung sind die zentralen Notrufnummern 110 und 112 zu verdanken, die in diesem Jahr 40 werden. An diesem Montag ist der Europäische Tag des Notrufs 112.
Am Anfang stand ein Schicksalsschlag. Im Jahr 1969 stirbt Steigers Sohn Björn nach einem Unfall. Nicht etwa schwere Verletzungen sind die Ursache, sondern ein Schock, in dessen Folge der damals Neunjährige zu atmen aufhört. Als fast eine Stunde später endlich ein Rettungswagen eintrifft, ist es zu spät. Damals schwört sich sein Vater aus Winnenden (Rems-Murr-Kreis), alles zu tun, um das Rettungssystem zu verbessern.
Ein zentraler Notruf gilt zunächst als zu teuer. „Nicht finanzierbar“ heißt es, als Steiger nachhakt. Zahlen gibt es allerdings nicht. Deshalb erkundigt er sich kurzerhand selbst bei der Deutschen Post, was es koste, in allen Ortsnetzen des Regierungsbezirks Nordwürttemberg die Notrufnummern 110 und 112 einzurichten. „Eine Stunde später hatte ich den Preis“, erinnert er sich.
387 000 D-Mark (rund 197 869 Euro) fallen für den Regierungsbezirk an. Bei vier Millionen Einwohnern sind das etwa 10 Pfennig pro Person. Pro Kreis muss Steiger rund 20 000 Mark eintreiben. Er geht Klinken putzen. Meist gibt schon bei der 110 ein spontanes „Ja“. Wer zögert, dem verspricht er die 112 für die Feuerwehr noch kostenlos dazu. Am Ende ziehen alle Kreise mit.
Doch Steigers Ziel ist ein bundesweites System. Er klagt gegen das Land auf Einführung der Nummern. Zwar verliert er, aber das Medieninteresse ist geweckt und eine neue Diskussion kommt in Gang. Am 20. September 1973, nach einer Sitzung der Ministerpräsidenten, ruft Bundespostminister Horst Ehmke (SPD) an. „Ich darf Ihnen sagen: Ihr Dickschädel hat sich durchgesetzt. Wir haben den Notruf beschlossen“, zitiert ihn der 83-jährige Stiftungsgründer.