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TAUBERBISCHOFSHEIM
Drama im gläsernen Hochsicherheitstrakt
Macht und Ohnmacht verkörpern zwei gegensätzliche Charaktere: Elisabeth I. (Cornelia Heilmann/links) und ihre Gegenspielerin Maria Stuart (Kathrin Berg). Die Badische Landesbühne brachte Schillers Drama auf die Bühne der Stadthalle Tauberbischofsheim.
Foto: Peter Empl | Macht und Ohnmacht verkörpern zwei gegensätzliche Charaktere: Elisabeth I. (Cornelia Heilmann/links) und ihre Gegenspielerin Maria Stuart (Kathrin Berg).
Felix Röttger
 |  aktualisiert: 06.03.2016 03:31 Uhr

Seit 19 Jahren ist Maria Stuart, Königin von Schottland, die Gefangene der englischen Königin Elisabeth I. Drei Tage vor ihrer Hinrichtung im Jahre 1587 beginnt Friedrich Schillers klassisches Drama „Maria Stuart“, das die Badische Landesbühne zehn Tage nach der Premiere in Bruchsal in der Tauberbischofsheimer Stadthalle aufführte. Regisseur Wolf E. Rahlfs zeigt die Tragödie von Maria Stuart, die ein gegen sie zu Unrecht verhängtes Todesurteil als Buße für früher begangene Verbrechen akzeptiert und so moralische Siegerin über ihre mächtigere Rivalin Elisabeth I. bleibt, als zeitgenössischen Politthriller.

Die von einer Glasfront dominierte und geteilte Drehbühne von Ausstatter Tommi Brem wird zum nüchternen Regierungssitz auf der einen und zum Hochsicherheitstrakt auf der anderen Seite, deren Schiebetüren sich von den führenden Politikern und Beratern nur elektronisch mit Chipkarten öffnen lassen. Die ständige Anwesenheit der mit Handschellen gefesselten Todeskandidatin hinter der Glasfront der Machtzentrale schwebt wie ein Damoklesschwert über Marias Großcousine Elisabeth und ihre Entourage. Die gelungene Brücke zur Historie schlägt Paolo Greco mit sakralen Renaissance-Klängen.

Die Verlegung des Geschehens in die Gegenwart erzwingt geradezu eine Ausdünnung des Personals. Die Inszenierung verzichtet nicht nur auf Nebenfiguren, sondern auch auf wichtigere Akteure wie Hanna Kennedy, die Amme der schottischen Königin, und auf ihren Haushofmeister Melvil. Unverzichtbar ist dagegen die von Schiller ebenfalls frei erdichtete Liebesaffäre zwischen Leicester und Maria.

Die Inszenierung beeindruckt ansonsten durch konsequente Personenführung. Die Protestantin Elisabeth und die Katholikin Maria stehen als Exponenten eines religiösen Grundkonflikts im Mittelpunkt des Dramas.

Cornelia Heilmann gibt als Elisabeth im eleganten Hosenanzug eine spröde, ihre Leidenschaften unterdrückende Herrscherin, die im Spannungsfeld zwischen Staatsräson, religiösen Konflikten und der intrigenreichen Fehde mit der attraktiveren Maria vergeblich versucht, sich nicht von persönlichen Rachegelüsten leiten zu lassen, dann aber doch wutentbrannt das Todesurteil unterschreibt. Cornelia Heilmann bringt die Tragik dieser damals mächtigsten Frau der Welt besonders nachdrücklich zum Ausdruck. Doch dann sucht sie sich ihrer Schuld zu entledigen, indem sie die Vollstreckung ihres Willens moralisch auf ihren Sekretär Davison (Maximilian Wex) und Burleigh (René Laier) abzuwälzen versucht.

Schillers Sympathien gelten nicht dieser Regentin, die im Grunde ihren freien Willen verleugnet. Macht und Ohnmacht kehren sich in Schillers Vorstellung insofern um, als es letztlich die hilflos der Entscheidung über Tod oder Leben ausgelieferte Maria Stuart ist, die selbst in Fesseln noch ihre Anhänger zu mobilisieren vermag, dann aber innerlich frei wird und das unabänderliche Schicksal annimmt. Diese innere Wandlung bringt Kathrin Berg nachdrücklich als eine Frau auf die Bühne, die zunächst leidenschaftlich um Gerechtigkeit kämpft, ihren Ansprüchen auf den englischen Thron nicht entsagt, am Ende ihres irdischen Lebens, aber mit sich selbst im Reinen ist und sich als Märtyrerin höheren Mächten anvertraut.

René Laier gibt als Baron von Burleigh in feinem Zwirn den Technokraten im Zentrum der Macht, Stefan Holm spielt den wohlmeinenden Grafen von Shrewsbury, der im erbitterten Streit nicht zu vermitteln vermag und resigniert abdankt.

Schillers klarsichtige Texte über eine Schutzsuchende, die zum Opfer wird, weil ihr die jedem Individuum zustehenden Rechte verwehrt werden, sprechen für sich selbst, doch diesen wuchtigen Klassiker so zeitgemäß auf die Bühne zu bringen, ist der Verdienst der Badischen Landesbühne und eines Ensembles, das sich in der gut besetzten Stadthalle über langen Beifall freuen durfte.

 
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