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Tauberbischofsheim
Dieses Stück der Landesbühne liefert einen Beitrag zur MeToo-Debatte
Szene aus dem Theaterstück 'Nichts, was uns passiert' von Christine Künzel nach dem gleichnamigen Roman von Bettina Wilpert.
Foto: Anje Bauer | Szene aus dem Theaterstück "Nichts, was uns passiert" von Christine Künzel nach dem gleichnamigen Roman von Bettina Wilpert.
Antje Bauer
 |  aktualisiert: 04.02.2020 02:10 Uhr

Die Geschichte spielt im Sommer 2014 zur Fußball-Weltmeisterschaft. Anna lernt Jonas durch ihren Freund Hannes kennen, der sich nach sieben Jahren von seiner Freundin getrennt hat. Beide kommen sich langsam näher, wobei Anna betont, dass es eigentlich Männerfußball-Weltmeisterschaft heißen müsste, analog zum Frauenfußball. Das findet Jonas zwar nicht, schließlich verbringen sie aber ganz unverbindlich eine Nacht miteinander.

Das von der Badischen Landesbühne in Tauberbischofsheim aufgeführte Theaterstück "Nichts, was uns passiert" dreht sich um Anna, die ihr Studium abgeschlossen hat, und Jonas, dem Doktoranden und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität. Es findet vor einer minimalistischen Bühne, von Johannes Frei, mit zwei weißen Schreibtischen, vier schwarzen Stühlen und zwei variablen weißen Wänden statt, die die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche lenkt.

Vorurteile und Fakten

Ausgehend von einer Pressekonferenz, auf der bekannte Vorurteile genannt werden – eine Vergewaltigung finde in der Regel als Überfall durch eine fremde Person statt, sie liege nur dann vor, wenn sich die Frau permanent wehrt, oder eine verspätete Anzeige deute darauf hin, dass es eigentlich gar keine Vergewaltigung gewesen sei, sonst hätte das Opfer sofort Anzeige erstattet –, und einiger Fakten – nur etwa drei Prozent der Vergewaltigungen werden angezeigt, nur drei Prozent der angezeigten Vergewaltigungen sind erfunden und weniger als ein Fünftel der Anzeigen enden mit einer Verurteilung – wird in verschiedenen Konstellationen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln über das Geschehene diskutiert, gestritten, gegrübelt und getuschelt.

Was ist passiert? Auf einer Geburtstagsfeier bei Hannes, der mit beiden befreundet ist, trafen sich Anna und Jonas wieder. Nach einem Partyspiel sind beide betrunken, Anna mehr als Jonas. Mit Hannes trägt Jonas die mittlerweile hilflose Anna in sein Zimmer. Was dort passiert, erfährt der Zuschauer erst nur durch die Monologe der beiden: Bei Annas planlosen Hin- und Herlaufen kann er nur erahnen, wie verzweifelt und traumatisiert sie sich fühlt. Er kann nur versuchen zu verstehen, dass sie sich völlig von der Außenwelt zurückzieht, sich trotzdem nicht als Opfer sehen will und nicht weiß, was sie machen soll.

Unterschiedliche Reaktionen

Nachdem ihre Schwester sie überzeugt hat, entschließt sich Anna zögerlich dazu, Jonas anzuzeigen. Aber was sie bei der Polizei erlebt, ist nicht hilfreich: Ob sie Zeugen habe? Ob sie sich genug gewehrt habe? Ob sie wirklich deutlich genug nein gesagt habe? Was sie eigentlich noch genau wissen, da sie doch betrunken war? Bald bereut sie die Anzeige, denn die Geschichte beginnt sich an der Uni herumzusprechen und stößt auf unterschiedliche Reaktionen.

Jonas ist verständnislos. Er ist sich sicher, einvernehmlichen Sex gehabt zu haben. Auch Hannes ist überzeugt, dass Jonas nicht übergriffig geworden sei. So etwas passe doch gar nicht zu seinem Charakter. Hannes sitzt zugleich zwischen den Stühlen, weil er nicht weiß, wem er nun glauben soll und kann, und verliert so sowohl Freund als auch Freundin. Verlierer sind auch Anna und Jonas selbst. Anna, weil das Verfahren eingestellt wird und ihr keine Gerechtigkeit widerfährt, und Jonas, weil er als Vergewaltiger gebrandmarkt ist.

Roman diente als Vorlage

Die vier Akteure – Colin Hausberg, David Meyer, Elena Weber und Sina Weiß – stellten bei diesem teils verstörenden Stück ihre Rollen authentisch und überzeugend dar, so dass der Zuschauer ihnen die Emotionen, Unsicherheiten, Rechtfertigungen und Zweifel abnimmt.

Bettina Wilperts Roman "Nichts, was uns passiert", der als Vorlage zur Bühnenfassung von Christine Künzel diente, entstand in den Anfängen der MeToo-Debatte 2018. Sie lieferte damit einen differenzierten, künstlerischen Beitrag zum Thema generalisierte Gewalt, der den Zuschauer mit stereotypischen Vorstellungen und Vorurteilen konfrontiert und in eine Position zwingt. Denn am Ende der rund 70 Minuten muss sich auch der Zuschauer entscheiden, wem er glaubt – Anna oder Jonas – und ob es überhaupt die eine Wahrheit gibt.

Weitere Termine und Aufführungen der Badischen Landesbühne sowie Informationen zur Reservierung und zum Erwerb von Eintrittskarten im Internet unter www.dieblb.de

Szene aus dem Theaterstück 'Nichts, was uns passiert' von Christine Künzel nach dem gleichnamigen Roman von Bettina Wilpert.
Foto: Anje Bauer | Szene aus dem Theaterstück "Nichts, was uns passiert" von Christine Künzel nach dem gleichnamigen Roman von Bettina Wilpert.
 
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