Ein bisschen fühlt man sich hier schon wie als Statist in der Verfilmung von Umberto Ecos „Der Name der Rose“. Von fern aus dem Hintergrund ertönen gregorianische Mönchsgesänge, in Kutten steigen wir die Stiegen in das mit Hunderten langer Kerzen ausgeleuchtete Kellergemäuer hinab. Dort sind sie dann zu finden, die Holzfässer mit dem wertvollen, kostbaren Stoff. Teurer, edler Wein ist es freilich nicht, der in diesen Fässern lagert – sondern Essig. Ach, Essig? Aber was für ein Essig! In Eichenholz zu vollster säuerlicher Sinnlichkeit herangereifter Feigen- oder Aprikosen-Essig, ein Bourbon-Vanilla-Balsam, ein schwererer mit Datteln oder leichterer mit Ingwer oder ein nach Giacomo Casanova benannter mit wilden Pomeranzen und Lavendel. 35 Edelweinessige gibt es in diesen feinen Kellergängen zum Trinken und Probieren, weitere 13 Mixturen sind für die klassische Essignutzung zum Kochen oder für Salate gedacht.
Wir befinden uns im Gewölbe des „Doktorenhofs“, einem ebenso un- wie außergewöhnlichen Weinessiggut. Das mit den Kutten, na gut, ist Show für die Besucher, die sich wie bei einer Weinverkostung fühlen, nur dass der Rebensaft vergoren ist, ohne Alkohol. Und das wiederum ist gut so und hat sogar schon öfters Saudi-arabische Prominenz hierher nach Venningen gelockt, in die Pfalz zwischen Landau und Speyer. „Die arabischen Aromen sind bei uns sehr in Mode“, erzählt der Essigdoktor höchstpersönlich: Georg Heinrich Wiedemann heißt er und kredenzt daher auch gerne Rosenblüten- oder Salome-Essenzen von exotischem Geschmack.
Doch nicht nur arabische Aromen sind ein Trend in der guten Küche, sondern allerlei Verfeinerungen von eigentlichen Nebenprodukten. Senf der unterschiedlichsten Vielfalt aus kleineren Manufakturen hat längst einen ungeahnten Boom ausgelöst, scheinbar harmlose Essige und Öle oder auch Brotaufstriche werden auf natürliche Weise ohne künstliche Zusätze zu echten, weil trotzdem eher raren Delikatessen. Es gibt ein Forum, das sich solchen Nahrungs-Erzeugnissen verschrieben hat wie kaum ein zweites – das ist die Slow-Food-Messe, die unter dem Titel „Markt des guten Geschmacks“ vom 11. bis 14. April zum mittlerweile siebten Mal an ihrem Stammplatz, der Messe Stuttgart am Flughafen, stattfinden wird. Und die präsentiert in diesem Jahr (neben dem Ebro-Delta in Katalonien) ganz speziell die Pfalz als „Genussregion“. Klar, dass der Essigdoktor da nicht fehlen darf und wird. Solch typisch rheinland-pfälzische Weingüter wie Schneider aus Leiwen an der Mosel oder von Winning aus Deidesheim werden in Stuttgart für die Pfalz antreten, Edel-Brenner wie Hubertus Vallendar aus Kail bei Cochem sind dabei, Antje Niehörster aus Neustadt an der Weinstraße kocht „Pfalz Fonds“ ohne Zusätze. Zudem wird Glanrind gereicht, eine fast ausgestorben gewesene Rasse aus der „Arche des Geschmacks“, in der Slow Food für fast vergessene, gar nicht mehr erhältlich gewesene Nahrungsmittel und Spezialitäten eintritt – in Franken gehört etwa der Ostheimer Leberkäs als Passagier in die Arche.
Überschrieben ist die Slow-Food-Messe 2013 in Stuttgart laut einer Pressemitteilung auch mit dem Titel „Mit Leidenschaft für unverfälschtes Essen“. Neben einigen Erzeugern aus der tauberfränkischen Region, die an einem Gemeinschaftsstand agieren, soll vor allem die Pfalz derlei Leidenschaft vermitteln. Die Messe hat von 11. bis 14. April täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, am 11. von 14 bis 22 Uhr. Eintrittskarten kosten inklusive VVS-Kombiticket 12 Euro, ermäßigt 9 Euro und sind auch an Fahrkartenschaltern der Deutschen Bahn erhältlich. Der Eintritt gilt auch für die parallelen Frühjahrsmessen Garten-Outdoor-Ambiente, Mineralien-Fossilien-Schmuck oder Yoga-Expo.