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Grünsfeld
Die Pest vor 400 Jahren war wesentlich schlimmer
Eine Votivtafel in der Außenwand der alten Leichenhalle erinnert an die vielen Opfer der Pest in Grünsfeld.
Foto: Matthias Ernst | Eine Votivtafel in der Außenwand der alten Leichenhalle erinnert an die vielen Opfer der Pest in Grünsfeld.
Matthias Ernst
 |  aktualisiert: 21.06.2020 02:11 Uhr

Die heutigen Diskussionen um die Ausbreitung des Coronavirus in der Welt brachte auch die Erinnerung an die Pest-Epidemien zurück, die zu ihrer Zeit ebenfalls zigtausende Opfer zählte. Ein Blick auf eine Votivtafel an der alten Leichenhalle in Grünsfeld lässt erahnen, welches Leid die Pest damals in Deutschland und Europa anrichtete.

Datiert ist die Tafel auf das Jahr 1634. Hier wird das Schicksal einer ganzen Familie beschrieben. Die Familie Seubet war in Grünsfeld ansässig und hatte zehn Kinder. Vater Georg und seine Frau Barbara waren ehrbare Bürger der Stadt. Doch durch die Pest wurde die ganze Familie mehr oder weniger ausgelöscht. Gleich sieben Namen sind auf der Tafel genannt: Georg, Agata, Margareta, Andreas, Wolffridrich, Hans und Jakob. Sie alle wurden von der Pest hinweggerafft, ebenso wenig später die Eltern und die restlichen Kinder.

Familie musste die Stadt verlassen

Nachdem die Krankheit bei der Familie ausgebrochen war, mussten sie ihr Haus in den schützenden Mauern der Stadt verlassen und sich außerhalb ansiedeln. Deshalb befand sich die Votivtafel auch an der Außenseite der Stadtkirche, bevor es beim Bau der Leichenhalle abgenommen und in die neue Wand eingelassen wurde. Hier befand sich früher ein Massengrab.

Der "Schwarze Tod", wie die Pest genannt wurde, kam in zwei großen Epidemien nach Europa. Die erste Welle war um 1347. Sie wurde vermutlich von Seefahrern aus dem Vorderen Orient eingeschleppt und raffte in Europa gut ein Drittel der Bevölkerung dahin. Man geht heute von 20 bis 50 Millionen Menschen in den Jahren 1347 bis 1353 aus, da es keine zuverlässigen Opferzahlen gibt.

Die zweite Welle kam dann im 30-jährigen Krieg. Durch die umherziehenden Soldaten und die ungenügenden hygienischen Verhältnisse breitete sich die Krankheit erneut epidemisch aus. Neben den vielen Toten durch die Kriegsgeschehnisse waren es vor allem die Pesttoten, die ganze Dörfer ausrotteten.

Fast die Hälfte der Bevölkerung starb

Die Stadt Grünsfeld hatte damals rund 1200 Einwohner. Als die Schweden und ihre Verbündeten im Jahr 1632 die Stadt besetzten, hatten sie den schwarzen Tod im Gepäck schon dabei. "Bis zum Jahr 1634, als sie wieder abrückten, starben allein in Grünsfeld 550 Bürger (1632: 120, 1633: 320, 1634: 110) an der Pest", so Hobbyhistoriker Edgar Weinmann, der zusammen mit Hermann Freitag bei Führungen als Nachtwächter und sein Sekretär die Stadtgeschichte wieder lebendig werden lässt.

Außerdem hausten die Besatzungstruppen nach Gutsherrenart und beschlagnahmten Lebensmittel für ihren Gebrauch von den Bürgern. So ist überliefert, dass im Jahr 1634 allein 55 000 Grünsfelder Fuder, ungefähr 55 000 Liter, Wein an die Besatzer zu übergeben waren. Entsprechend schlecht versorgt war die Bevölkerung.

Das Leiden nahm auch nach dem Abzug der Truppen kein Ende, denn die fränkische Landschaft war noch häufiger Schauplatz blutiger Gefechte, unter der die Bevölkerung zu leiden hatte. Die letzte große Schlacht wurde im deutschen Bruderkrieg 1866 geschlagen. Auch damals kam es durch die vielen Soldaten in der Gegend zu einer Epidemie. Von Typhus wurden ebenfalls viele Menschen dahingerafft, wie umliegende Gräber und Kreuzigungsgruppen belegen.

400 bestätigte Covid-19 Fälle im Landkreis

Heute spielt die Pest nur noch eine untergeordnete Rolle, auch wenn es immer wieder zu Ausbrüchen kommt, wie beispielsweise 2008 in Madagaskar. Es gibt aber eine Akut-Impfung und auch über Antibiotika kann man die Krankheit aufhalten.

Verglichen mit den Zahlen zu Covid-19, die vom Landratsamt für den Main-Tauber-Kreis gesammelt wurden, ist die Auswirkung der Pest um ein Vielfaches höher. Aktuell sind es knapp 400 bestätigte Fälle im Kreis, wovon nur zehn durch oder mit Covid-19 gestorben sind. Dank moderner medizinischer Ausstattung und des Wissens um Epidemien konnte der Virus bis jetzt an einer Verbreitung auf weite Teile der Bevölkerung verhindert werden. "Es bleibt zu hoffen, dass dies auch so bleibt", gibt sich Edgar Weinmann hoffnungsvoll.

 
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