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ULM
Die Lust aufs Selbermachen
lsw
 |  aktualisiert: 30.09.2016 17:28 Uhr

Sie stricken – mit Begeisterung. Stunde um Stunde. Aber Oma ist nicht gemeint. Es sind immer mehr Kinder und Jugendliche, die sich angesagte Mützen oder Oberteile stricken und häkeln.

Von wegen, das ist nur etwas für Omis: Handarbeiten sind wieder voll im Trend. „Seit die sogenannten Boshi-Mützen und Loop-Schals Kult sind, kommen viele Jugendliche zu mir und wollen stricken und häkeln lernen“, sagt Manuela Seitter vom Rock'n Woll-Laden in der Donaustadt Ulm. „Die jungen Menschen versuchen in der kommerzialisierten Welt wieder etwas selber zu machen“, erklärt der Hamburger Trendforscher Professor Peter Wippermann. „Sie stricken sich ihre eigene Welt, um autonomer zu sein – weg vom Computer.“ Vor allem in Krisenzeiten würden vergessene Kulturtechniken – wie Handarbeiten – wieder populär.

Häkelvirus

Im Rock'n Woll-Laden trifft sich Jung und Alt zwischen Regalen voll bunter Wolle zum Nadelklappern. Strickbegeisterte Jugendliche und Erwachsene besuchen Workshops, kommen zum Late-Night-Shopping oder einfach nur so vorbei. „Toll ist, dass man jederzeit Manu um Rat fragen kann, wenn man nicht mehr weiter weiß“, sagt Stammkundin Bettina.

Auch die beiden siebenjährigen Zwillinge Benitos und Santino sind fleißig am Stricken. „Das kann ich immer machen, wenn mir langweilig ist“, erzählt der blondgelockte Santino mit großen Augen.

Eine funktionierende Geschäftsidee haben Thomas Jaenisch und Felix Rohland aus Hof im bayerischen Oberfranken auf die Beine gestellt: Jeder soll sich seine eigene einzigartige bunte Boshi-Mütze häkeln. Bei einem Skilehreraustausch in Japan habe er sich als Student an einem langweiligen Abend mit dem Häkelvirus infiziert, erzählt der 28-jährige Jaenisch.

Guerilla-Stricken

Die elfjährige Chiara Maria findet die Mützen lustig. „Die kann man immer wieder anders machen, mit anderen Farben“, sagt sie. „Und sie sind in ein bis zwei Stunden fertig, genauso wie die Loop-Schals“, sagt Seitter. Auch fünf Tübinger Sportstudenten haben aus dem Häkel-Hobby ein profitables Geschäft gemacht – die sogenannten Hatnuts verkaufen sie im Internet. „Aus einem Bobbel Wolle und ein oder zwei Nadeln kann man alles machen, was man will: Pullis, Mäntel, Hosen, Wohnaccessoires, einfach alles.“

Das hat die 51-jährige Wollexpertin Seitter schon als Kind am Stricken und Häkeln fasziniert. Sogar ein Fahrrad hat sie schon umstrickt, Denkmäler und Bäume. Das kann man inzwischen in vielen Städten sehen, es nennt sich „Guerilla-Stricken“. Auch Seitters Mama hatte schon einen Wollladen. Mehr als 1000 Kinder und Jugendliche haben bei Seitter Stricken und Häkeln gelernt.

Anna ist 19 Jahre alt und strickt beim Fernsehen oder nach einem anstrengenden Tag. „Das ist entspannend“, sagt sie. Die zwölfjährige Julia strickt manchmal sogar heimlich – in der Schule unter der Bank.

Stricken ist kommunikativ, sagt Seitter. „Egal, ob man auf einer Parkbank oder im Zug sitzt, immer wird man angesprochen.“ Das sei für Singles eine prima Möglichkeit, jemanden kennenzulernen. In Amerika nennt man Stricken auch das neue Yoga. Das rhythmische Klappern der Nadeln wirke beruhigend und senke den Blutdruck, stellte der US-Kardiologe Herbert Benson in einer Studie fest. Auch Hollywood-Stars, wie Julia Roberts, Madonna oder Catherine Zeta-Jones lassen in den Drehpausen die Nadeln klappern.

 
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