Laufen, Springen, Kugelstoßen – eine Million Menschen treten jedes Jahr zum Deutschen Sportabzeichen an. Der nach Alter gestaffelte Fitnesstest zeigt jedem, wo er steht. Das ist einen Versuch wert. Das letzte Sportabzeichen liegt etliche Jahre zurück: der Jugendschwimmer in Bronze und Silber. Auf Drängen des Opas, Ehrenpräsident des Schwimmvereins. Da konnte der halbstarke Enkel nicht mit dem Seepferdchen auf der Badehose herumlaufen. Seither ruht der Abzeichen-Erwerb. Doch dann feiert der Sportbund 2013 den 100. Geburtstag des Deutschen Sportabzeichens, zu dem jedes Jahr bis zu einer Million Menschen antreten. Was hat es mit diesem Fitnesstest auf sich?
„Kommen Sie am Montag auf den Sportplatz, dann können Sie es versuchen“, sagt Volker Diessl am Telefon. Der Beauftragte des Sportkreises Karlsruhe für das Sportabzeichen leitet eine Trainingsgruppe. Fast alle größeren Sportvereine bereiten auf den Test vor und können ihn auch jederzeit abnehmen. Ohne Training schreite ich als Enddreißiger direkt zur Tat, gemeinsam mit Christopher (53) und Karl (81). Diese Altersspanne ist beim Sportabzeichen durchaus üblich.
Geprüft wird in vier Kategorien: Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Koordination. Je nach Altersgruppe sind unterschiedliche Leistungen gefordert. Die Freizeitsportler können wählen, ob sie ihr Können in der Leichtathletik unter Beweis stellen oder lieber turnen, Rad fahren oder schwimmen. Knapp 850 000 Sportabzeichen sind im vergangenen Jahr vergeben worden, sagt Nicole Stefan vom Badischen Sportbund. Wer einmal mitgemacht hat, kommt meist wieder. So hat ein 79-Jähriger aus Edingen die Prüfungen schon 60 Mal absolviert - rekordverdächtig. Ein Blick in den Anforderungskatalog lehrt: Die Tests sind selbst für Sportliche kein Spaziergang. Zum Jubiläum hat der Sportbund den Fitnessorden modernisiert. Es gibt drei Leistungsstufen Gold, Silber und Bronze. Für das Abzeichen müssen mindestens vier Leistungen in Bronze erbracht werden. Vor der Reform konnte man sich durch einfache Wiederholung der Prüfungen hocharbeiten. Heute kann der Mutige gleich Gold ins Visier nehmen.
Im 100-Meter-Lauf bedeutet das in meiner Altersgruppe der 35- bis 39-Jährigen eine Zeit von 12,6 Sekunden. Eine Herausforderung, das weckt den Ehrgeiz. Allerdings belehrt mich Nicole Stefan: „Sie sollen das Sportabzeichen nicht ablegen, sondern darauf hintrainieren.“ Ziel sei, dass sich die Menschen dauerhaft sportlich betätigen.“
Sei's drum. Erste Prüfung: Ausdauer. Ich wähle die 3000 Meter, für die knapp 20 Minuten veranschlagt sind, und starte mit dem Selbstbewusstsein des routinierten Joggers zum Punktesammeln. In jeder Kategorie können maximal drei Zähler errungen werden. Die Gesamtzahl entscheidet am Schluss über die Platzierung. Die Uhr bleibt bei zwölf Minuten stehen. Das reicht dicke für Gold. Selbst Trainer Diessl lobt die „recht gute Zeit“. Christopher bleibt unter 18 Minuten und in seiner Altersklasse damit auch auf Goldkurs. So kann es weitergehen. Doch die kalte Dusche folgt beim Kugelstoßen – Kategorie Kraft. Mit Müh und Not landet das 7,26 Kilo schwere Eisengerät bei 6,20 Meter, 55 Zentimeter zu kurz. Die zwei weiteren Versuche werden nicht besser, die Sache ist gelaufen. Steinstoßen und Bodenturnen fallen als Alternative aus. Einen Ausweg bietet noch der Standweitsprung. „Nach dem Absprung die Füße nach vorne“, rät Diessl. „Und keinesfalls übertreten.“ Karl springt geschmeidig auf 1,41 Meter. „Ich krieg Altersbonus“, grinst der 81-Jährige. Erfahrung dürfte ebenso ein Faktor sein. 18 Mal hat der pensionierte Pfarrer das Abzeichen schon errungen. „Das erste vor 60 Jahren.“ Für das mittlere Alter stehen 2,25 Meter für Gold. Erster Versuch: 2,22. Das sieht gut aus! Zweiter Versuch: 2,23. Das wird was!! Dritter Versuch: 2,20. Das war nur Silber. Beim Sprint ist noch weniger drin: Mit schweren Beinen über die Aschenbahn. Hundert Meter können verdammt lang sein. Am Ende werden es gerade mal 15,03 Sekunden - und damit wieder nicht die volle Punktzahl. Zur finalen Prüfung in „Koordination“ versuche ich zunächst gemeinsam mit Karl den Schleuderballwurf, der in der Bewegung an Luftgitarre erinnert - also kein Problem. „Du musst im richtigen Augenblick loslassen“, rät Karl. Doch der Ball prallt gegen meine Wade und fliegt sonstwohin.
Da die Schulter schmerzt, verzichte ich auf weitere Anläufe und weiche auf Seilspringen aus. Die geforderten sechzig Sprünge bringe ich mit Anstand hinter mich. Für Gold reicht es heute dennoch nicht. Drei Punkte fehlen – diesmal. Ich komme wieder. Opa wird's freuen.