
(dpa/lsw) Den Feldern sieht man nichts an. Das Gras ist grün, der Weizen zum Teil abgeerntet, der Mais steht gut. Alles wie immer im Landkreis Rastatt und Baden-Baden? Ja und nein. Rund 400 Hektar Ackerland sind mit sogenannten per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) verseucht; auch im Grundwasser wurden sie nachgewiesen.
Das Problem ist längst nicht neu, nur das Ausmaß weiter unklar und der Umgang damit in stetigem Wandel. „Erst wusste man nicht, wo das PFC war, dann wusste man nicht, wie hoch die Belastung ist“, formuliert es Stefan Schrempp, Bezirkgeschäftsführer Achern des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV). Und wer dafür verantwortlich ist, weiß man bis heute nicht.
Staatsanwalt ermittelt
Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden ermittelt nach drei Anzeigen aus dem Jahr 2013 und 2014 seit drei Jahren gegen einen Komposthersteller aus der Region. Das Unternehmen hatte zuletzt 2008 mit Papierschlämmen versetzten Kompost auf Feldern in den beiden Landkreisen ausgebracht. Ob es wusste, was es da anrichtete?
Natürlich nicht, sagt sein Sprecher. „Bis heute gibt es keinen einzigen Nachweis, dass auf seinem Hof jemals PFC verarbeitet wurde.“ Auf eigene Kosten habe er sogar seine Sickergrube untersuchen lassen, die seit 22 Jahren nicht geleert worden war - nichts. Weitere Gutachten untermauerten seine Unschuld. Der Unternehmer sei empört und werde ohne Beweise zum Sündenbock gestempelt.
Problem bei der ganzen Sache: Verbindliche Grenzwerte für PFC gab es damals nicht und gibt es bis heute nicht. Hinterher sei man immer schlauer, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Selbst wenn der Kompost nachweislich mit PFC belastet gewesen wäre: „Die Frage ist unter anderem, ob der, der ihn ausbrachte, überhaupt um die Schädlichkeit hätte wissen müssen.“
Das Landwirtschaftsministerium setzte Anfang 2015 eigene Richtwerte fest. Außerdem wurde ein sogenanntes Vorerntemonitoring gestartet. Auf den Äckern angebautes Obst, Gemüse und Getreide wird vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg auf PFC-Belastung hin untersucht. Auf dieser Basis gibt es seitdem Empfehlungen für die kommende Aussaat. Status quo momentan: Das Regierungspräsidium Karlsruhe warnt vor dem Anbau etwa von Erdbeeren oder Spargel. Die Bauern sollen auf andere Fruchtfolgen ausweichen.
Bei Landwirt Stefan Schneider, der im Landkreis Rastatt auch BLHV-Vizevorsitzender ist, sind zwei Prozent seiner rund 100 Hektar großen Ackerfläche verseucht. Er hat eine buntblumige Bienenweide daraus gemacht, „das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden“, wie er sagt.
Neuen Brunnen gebohrt
Nach Worten Schrempps hat ein Kollege sich zur Bewässerung seiner Flächen für 50 000 Euro sogar einen neuen Brunnen gebohrt - weil PFC von der Bodenoberfläche nach unten weitergesickert ist bis ins Grundwasser hinein. Wer dann damit wiederum seine Felder beregnete, begoss quasi auch von oben noch mit PFC.
„Ein Teufelskreis“, sagt auch Ulrich Roßwag vom Regierungspräsidium Karlsruhe. Zudem: „Wenn ich mit PFC-haltigem Wasser beregne, habe ich vielleicht Flächen kontaminiert, die gar nicht mit dem Kompost in Kontakt waren.“ Dem sei jetzt ein Riegel vorgeschoben, sagen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium unisono. Wasseraufbereitungsanlagen würden aktuell vorsorglich geplant. PFC-belastete Wasserwerksbrunnen seien stillgelegt worden. Über Aktivkohlefilter für Beregnungsanlagen werde derzeit nachgedacht. Zwei Wasserwerke sind laut Landratsamt Rastatt nach wie vor vom Netz.