
Geld regiert die Welt. Jedenfalls, wenn es nach Dürrenmatts "Besuch der alten Dame" geht. Die Theater-AG des Matthias-Grünewald-Gymnasiums brachte das populäre Werk des Schweizer Dramatikers gleich zweimal in der Stadthalle auf die Bühne. Besonders pikant: Die leicht veränderte Version beinhaltete viel Lokalkolorit.
So weit, so bekannt: Die Milliardärin Claire Zachanassian kam in ihre verarmte Heimatstadt und versprach ihr und den Bürgern, sie reich zu machen. Dafür wollte sie "Gerechtigkeit". Sie forderte den Tod ihres Jugendfreunds Alfred Ill. Als junges Mädchen hatte sie ein Kind von ihm erwartet. Weil Ill aber einen Meineid schwor und sich so der Verantwortung entzog, wurde sie aus der Stadt gejagt. Mit dieser Geschichte über den Abfall einer kleinen Stadt von moralischen Konventionen unter dem Zugriff der Macht und der Verführung des Geldes begründete Dürrenmatt seinen weltweiten Ruhm als Dramatiker.
Ein bankrottes Tauberbischofsheim und eine sanierungsbedürftiges MGG im Theaterstück
Die MGG-Version war angereichert mit viel Lokalkolorit, was für Heiterkeit beim Publikum sorgte. Hier besuchte die Zachanassian ein bankrottes Tauberbischofsheim, in dem die VS dichtgemacht haben und Weinig am Boden liegt. Schwer sanierungsbedürftig ist das Matthias-Grünewald-Gymnasium. Die aktuelle Umbausituation stand Pate für den Regiekniff.

Im ziemlich derangierten Badischen Hof logierte der schwerreiche Gast. Der versprochene Geldsegen weckte Begehrlichkeiten. So war von der örtlichen Buchhandlung zu hören, die einen glanzvollen Einkaufspalast in Aussicht stellte. Und die Sanierungspläne am "Schiff" waren immer wieder Gesprächsstoff. Spitze Bemerkungen zur Lokal- und Landespolitik durften außerdem nicht fehlen.
"Wir zeigen ein Tauberbischofsheim, das es so nicht gibt und hoffentlich auch nicht geben wird", erklärte Jessica Hecht. Die Deutschlehrerin war als Regisseurin mit einem großen Team für die Inszenierung verantwortlich. Ähnlichkeiten mit der Gegenwart seien, so Hecht, durchaus beabsichtigt, aber freundlich gemeint. Die Kernaussage des Stückes blieb ihren Angaben zufolge gleich: "Unser Stück zeigt Abgründe auf, die niemand von uns fremd sind."
Ein Theaterstück mit viel Bezug zur Realität
Stück und Wirklichkeit haben, so Hecht, viele Gemeinsamkeiten: "Die Welt ist käuflich, Moral und Rechtsstaat halten dem Bedürfnis nach Konsum und Wohlstand nicht stand. Und so wenden sich am Ende alle gegen ihren Freund, Nachbarn, Vater und Ehemann Alfred Ill, der weiß, dass einer ihn töten wird, auch wenn es keiner tun will."

Die Aufführung der Theater-AG war ein Mammutprojekt. Mehr als 30 Schüler aus den Klassen 6 bis 12 galt es, mit Rollen zu versorgen. Nach "Projekt Neustart" und der "Regentrude" war es die dritte Produktion in der aktuellen Besetzung, die Ambitionierteste noch dazu. Die Erfahrungen der letzten Jahre ließen die beiden Aufführungen zu einem großen Erfolg werden.
Das lag auch an den klug besetzten Hauptrollen. Kim Schneppeldt spielte die Claire Zachanassian mit einer brutalen Kälte, die den Zuschauer frösteln ließ. Unbeirrt setzte sie ihren Racheplan in die Tat um. Genauso überzeugend war Freya Kohlhepp als Alfred Ill. Ihr gelang es, die Wandlung vom windigen Krämer zum schweigenden Helden glaubhaft nachzuzeichnen. Am Ende nahm Ill seinen eigenen Tod als Opfer auf sich, in der Einsicht, dass die Zeit seine Schuld nicht getilgt hat.
Kritik an den Medien, die nicht mehr kritisch hinterfragen
Auch die Schüler in den Nebenrollen glänzten. Katja Kropp als eloquente Reporterin machte deutlich, dass Dürrenmatts "Alte Dame" auch eine beißende Mediensatire ist. Die vermeintlichen Qualitätsmedien wollen nicht mehr kritisch hinterfragen, stattdessen verstehen sie sich als Verlautbarungsorgan der Regierungspropaganda. Aktuelle Bezüge liegen auf der Hand.

"Bürgermeisterin" Alexa Petras, "Schulleiterin" Katina Vogel mit ihren "Lehrerinnen" Theresa Lindtner und Marlen Derpa, "Stadträtin" Fiona Kohlhepp, "Pfarrerin" Lina Farny, "Polizeianwärterin" Lina Schäfer sowie Frederike Ebers als "Ärztin Dr. Grau" nutzen ihre Rollen für geistreiche Anspielungen auf das lokale Geschehen. Maja Henning (Koby) und Lucia Schäffner (Loby) hatten mit ihren dadaistisch anmutenden Wortbeiträgen die Lacher auf ihrer Seite. Als Running Gag entwickelte sich Jonathan Horns Auftritt als Postbote, der immer neue Pakete anlieferte, um die rasch anwachsenden Wünsche der Tauberbischofsheimer Bürger zu befriedigen.
Die Aufführungen der Theater-AG waren zweifelsohne ein Höhepunkt des zu Ende gehenden Schuljahres. Die Hoffnung ist, dass das Team in der Konstellation zusammenbleibt. Von dieser Truppe ist nämlich noch einiges zu erwarten.
