Immer weniger Menschen bekennen sich hierzulande zum christlichen Glauben. Wenn von tatsächlichen oder vermeintlichen Skandalen der Kirche berichtet wird, ist das Interesse freilich groß. Zumal wenn es den Vatikan betrifft. Der als Hort der Intransparenz geltenden katholischen Institution ist schließlich alles zuzutrauen. Da kommt ein Vielschreiber und Bestseller-Autor wie Andreas Englisch gerade recht. Der vermutet einen Pakt gegen den Papst. In der Pfarrkirche St. Bonifatius berichtete er von Franziskus und seinen „Feinden im Vatikan“.
Andreas Englisch lebt seit drei Jahrzehnten in Rom. Der ehemalige Bild-Journalist gilt als Kenner des Vatikans. Mit drei Päpsten kam er im Lauf der Zeit in Kontakt. Bei Audienzen oder während Flugreisen hat er mit ihnen gesprochen. Von diesen Begegnungen erzählte Englisch anekdotenreich bei seinem Vortrag in Tauberbischofsheim.
Unverhohlene Bewunderung sprach aus seinen Worten über Johannes Paul II. „Er war ein zutiefst charismatischer Mann“, meinte Englisch. Der polnische Papst hat in seinen Augen Großartiges geleistet, indem er wesentlich dazu beigetragen habe, dass der Kommunismus im Ostblock zusammengebrochen und die Mauer gefallen sei. Den Missbrauchsskandal habe Johannes Paul II. allerdings unterschätzt, räumte Englisch ein. „Er wusste, dass er ein Mensch war und Fehler macht.“
Papst Benedikt XVI. sei mit dem Amt überfordert gewesen
Zu Papst Benedikt XVI. äußerte sich Englisch nur kurz. Der sei als Präfekt der römischen Glaubenskongregation mit dem neuen Amt schlicht überfordert gewesen. In seiner 2011 erschienenen Biographie mit dem Untertitel „Der deutsche Papst“ hatte Englisch sich noch euphorisch als Bewunderer des „stillen und diskreten“ deutschen Papstes präsentiert.
Und jetzt Franziskus. Den Papst aus Südamerika sah Englisch im Zentrum einer Intrige konservativer Kreise. Für den Schriftsteller ist der Vatikan „Schauplatz eines kalten Krieges“. Mächtige Männer aus dem Innern der Kurie fühlen sich nach Englischs Empfinden von Papst Franziskus bedroht. Sein Eindruck: „Sie werfen Franziskus vor, dass er durch seine mutigen Reformen der katholischen Kirche schade.“ Das „mittlere Management“ der Kardinäle sei erbost über den Verlust der Privilegien. Nach etlichen Gesprächen unter konspirativen Umständen ist Englisch zu dem Schluss gekommen: „In geheimen Zirkeln haben Franziskus‘ Feinde einen Pakt geschmiedet, der bis in die Spitzenämter der katholischen Kirche reicht und nur ein Ziel hat: den Papst zum Rücktritt zu zwingen.“
Wie eine veritable Verschwörungstheorie
Diese „Verschwörung gegen den Papst“ klang selber wie eine veritable Verschwörungstheorie. Andreas Englisch trug sie jedenfalls effektvoll vor und schmückte seine Ausführungen mit etlichen Anekdoten aus. Den zahlreichen Zuhörern in der Pfarrkirche St. Bonifatius gefiel das. Am Ende der Veranstaltung waren Unterschrift und Widmung des Autors in seinen Werken sehr gefragt.
Über den großen Zuspruch freute sich Viola Kammerer. Innerhalb kürzester Zeit seien alle Karten vergriffen gewesen. Der Vortrag mit Andreas Englisch war die erste große Veranstaltung des neugegründeten Katholischen Bildungszentrums. Kein Wunder, dass Kammerer als dessen Leiterin von einem „guten Start“ sprach.
Mit regelmäßigen Veranstaltungen will man das Profil schärfen. Die nächste ist eine „Literarische Herbstauslese“ am Freitag, 29. Oktober, in der Pfarrscheune Lauda. Dorothée Grütering stellt dann unter dem Motto „Bücher, Bücher, Bücher“ aktuelle Neuerscheinungen aus aller Welt vor. Beginn ist um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Anmeldung unter Tel.: (09341) 897652 oder unter info@bildungszentrum-tauberbischofsheim.de