Zum fünfzigsten Todestag von Thomas Mann schrieb Dramaturg John von Düffel 2005 für das Hamburger Thalia Theater eine Bühnenfassung des Romans „Buddenbrooks“; eine Drei-Stunden-Fassung, die trotz ihrer Reduzierung auf wenige Figuren von der Kritik begeistert aufgenommen wurde.
Die Badische Landesbühne ging in der jetzt in der Tauberbischofsheimer Stadthalle gezeigten, knapp zweieinhalbstündigen Inszenierung von Intendant Carsten Ramm noch einen Schritt weiter, um zum Wesentlichen der Romanvorlage vorzudringen.
Mit über 100 Romanfiguren ließ Thomas Mann 1901 in seinem dickleibigen Debütroman mit über 1100 Seiten, für den er erst 1929 den Literaturnobelpreis erhielt, den Niedergang der wohlhabenden Kaufmannsfamilie Buddenbrook lebendig werden. Trotz der radikalen Streichungen bleiben in der Umsetzung von John von Düffel die wesentlichen Handlungsstränge erhalten.
Das achtköpfige Schauspielerteam zog mit intensiven Dialogen, Monologen und Videoeinblendungen und dem in den Mittelpunkt gerückten Geschwister-Trio Thomas, Christian und Tony den Zuschauer unausweichlich in den Strudel des verhängnisvollen Niedergangs einer Kaufmannsdynastie über vier Generationen.
René Leier verkörpert als Konsul Jean den bürgerlichen Kaufmann, für den das Leistungsprinzip und das ökonomische Handeln eine Gesellschaft und die Familie zusammenhalten. So turbulent es auch im Innenleben seiner Kinder zugehen mag; mit einem standesgemäßen Auftreten muss jederzeit die Fassade eines ehrbaren Handelshauses gewahrt bleiben. Dazu haben Carsten Ramm und Ausstatter Dietmar Teßmann für das Bühnenbild ein nüchternes, in Schwarz-weiß gehaltenes Großraumbüro gewählt, das gleichzeitig als schmuckloses Wohnzimmer dient, das den Zuschauer frösteln lässt. Nicht ohne Grund, denn dem Geschäft und der Wirkung nach außen hat sich alles unterzuordnen.
Verbissen-ehrgeizig
Vorzüglich spielt Andreas Schulz den verbissen-ehrgeizigen Sohn Thomas, der nach dem Tod des Konsuls in viel zu große Fußstapfen treten muss. Nachvollziehbar kehrt er vor allem seinem sensiblen Bruder Christian gegenüber das unnachgiebige, fast diktatorische Familienoberhaupt heraus, ohne die Sympathien für seine Schwester Tony ganz verleugnen zu können. Mit sichtbarer Körperbeherrschung gelingt es Andreas Schulz, das Innenleben des Clan-Oberhauptes für sich zu behalten. Zum emotionalen Höhepunkt seiner Rolle wird die Selbstanklage eines Gescheiterten, der sich verspekuliert hat und sich dann vor seinen ratlosen Geschwistern mit einer erbarmungslosen Selbstanklage offenbart.
Evelyn Nagel zeigt den Widerspruch zwischen der äußerlich perfekt gekleideten Konsulin und der farblosen Rolle als ihrem Mann bedingungslos ergebene Frau auf. Fast zwangsläufig mutiert sie – nach dem Tod von Jean ihres Lebensinhalts beraubt – zur frömmelnden Betschwester und trägt mit großzügigen Spenden zum finanziellen Desaster bei.
Maximilian Wex wächst nach zögerlichem Beginn immer besser in die Rolle des künstlerisch veranlagten, aber eher lebensuntüchtigen Christian hinein. Glanzpunkte sind seine nervenzerfetzenden Ausbrüche und die Schilderungen seiner körperlichen Gebrechen, die ihn weder in London noch in Valparaiso geschäftlich reüssieren lassen, ihn aber nicht hindern, ein Kind in die Welt zu setzen.
Die schwierige Rolle der etwas naiven, anfangs auch aufmüpfigen Tochter Tony bewältigt Jessica Schultheis vor allem in den Szenen großartig, in denen sie ihre standesgemäße, das Familienunternehmen scheinbar stärkende Verbindung mit dem Heiratsschwindler Grünlich hinterfragt und vor Verachtung diesem gegenüber geradezu zu platzen scheint. Dies hindert sie aber nicht daran, mit dem scheinbar reichen Proleten Permaneder eine erneut unglückliche Liaison einzugehen.
Bayerischer Dialekt
Mit bayerischem Dialekt gibt Stefan Holm den Permaneder, nachdem er zuvor in der Rolle des gnadenlos schmierigen Bankiers Kesselmeyer brilliert hatte. Martin Behlert gefällt als Medizinstudent Morton, der einzige ehrliche Mann, dem Tony herzlich zugewandt ist. In der Rolle des Grünlich als Bankrotteur und Heiratsschwindler wirken seine Gesten noch etwas aufgesetzt.
Etwas undurchsichtig und wenig ausbaufähig wirkt die Rolle von Gerda, der Ehefrau von Thomas. Kathrin Berg verkörpert eine farblose, sich ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen zumeist entziehende Gattin, die der erfolgreichen Bewerbung ihres Mannes zum Senator wenig abzugewinnen weiß. Wie bei allen Entscheidungen stand auch diese Verbindung unter dem Diktat der Ökonomie, denn Gerda brachte eine erhebliche Mitgift ins Handelshaus der Buddenbrooks ein.
Langanhaltender, rhythmischer Beifall war der verdiente Lohn für die Akteure auf und hinter der Bühne.