
(dpa/lsw) Das Fahrrad hat innerhalb von zwei Jahrhunderten eine wahre Weltkarriere hingelegt. In den Nachkriegsjahrzehnten in vielen Industriestaaten durch das Automobil vorübergehend in ein Nischendasein gedrängt, erlebt das Fahrrad eine Renaissance und erobert sich neuen Platz in den Städten.
Freiherr Karl von Drais hatte mit seiner Laufmaschine, mit der er am 12. Juni 1817 die erste Fahrt von Mannheim aus unternahm, zwar kaum wirtschaftlichen Erfolg. Aber er lieferte den Anstoß zu einer ganz neuen Art der Fortbewegung durch Muskelkraft.
Umfassender Überblick
Das Landesmuseum Technoseum in Mannheim gibt von Freitag an einen umfassenden Überblick über die 200-jährige Geschichte des Fahrrads. Auch wenn in der 800 Quadratmeter großen Sonderausstellung mit fast 100 Fahrrädern die Technik dominiert: „Es war uns wichtig, dass wir die gesellschaftliche Relevanz des Themas diskutieren“, sagt der für Verkehr zuständige Mannheimer Bürgermeister Lothar Quast bei einer Vorbesichtigung am Montag.
Widerstände
Dabei spannt sich der Bogen von der Mühe, die es Frauen im 19. Jahrhundert kostete, das Fahrrad gegen gesellschaftliche Widerstände für sich zu erobern, bis hin zu aktuellen Verteilungskämpfen zwischen Autos, Fahrrädern und Fußgängern in der Stadtplanung. Die chronologisch aufgebaute und in vier große Abschnitte untergliederte Ausstellung zeigt nach Worten von Kurator Thomas Kosche die Rückkehr des bereits Dagewesenen.
So erinnere das Fixi, ein Fahrrad mit fester Übersetzung ohne Freilauf, verblüffend an das, was um 1890 bereits auf dem Markt war.
Ob die gut 25 Kilogramm schweren und zumeist aus Eschenholz gefertigten Laufmaschinen des Freiherrn von Drais tatsächlich notwendige Voraussetzung für die Entwicklung des Fahrrads waren, wisse man nicht, sagt Kosche. Die Grundidee, zwei Räder lenkbar hintereinander zu setzen, ist aber bis heute unverändert.
Die Ausstellung zeigt auch, welche Sonderwege die Fahrradentwicklung immer wieder genommen hat, von Kurzzeitmoden wie dem Bonanzarad um 1970 bis hin zu dauerhaften Sonderformen wie dem Rennrad. Auch Fahrräder mit Hilfsmotor, Lasten- und Militärfahrräder haben ihren Platz.
Technischer Rahmen
Eingebettet sind die Exponate in den wirtschaftsgeschichtlichen, gesellschaftlichen und technischen Rahmen ihrer Zeit. Detailreich mit Originalen ausgestattete Szenen etwa aus einem Fahrradgeschäft um 1960 oder Werkstätten zur Fahrradproduktion aus verschiedenen Epochen erweitern die Schau.
Einen besonderen Seitenblick werfen die Ausstellungsmacher auf das Klapprad. Es ist für sie das Symbol des vorübergehenden Niedergangs in den Zeiten des Autobooms. Das Fahrrad sei weitgehend zum automobilen Accessoire verkommen, zusammengefaltet in einer Plastikbox im Kofferraum verstaut, und tauglich nur für kurze Fahrten ins Grüne.
Die Renaissance kam mit einem neuen Freizeitverhalten. So wurden Mountainbikes und verschiedene Tourenräder entwickelt. Die Zukunft des Fahrrads als E-Bike und Lastenfahrrad - weitgehend gleichberechtigt mit dem Automobil - wird in der Ausstellung nur angerissen.
Auch Mannheim wolle sich beim Thema Fahrradverkehr neu zu positionieren, betont Bürgermeister Quast. Immerhin nimmt die nordbadische Stadt für sich in Anspruch, nicht nur Ausgangspunkt von Drais' Laufmaschinenfahrt, sondern auch der ersten Autofernfahrt von Bertha Benz 1888 zu sein.