Die einst von Ministerpräsident Kretschmann genannte Zahl für einen Lehrerstellenabbau von 11 600 war in den vergangenen Wochen für Grünen- und SPD-Politiker Tabu. Jetzt steht eine neue Richtgröße im Raum. Ob die Bestand hat?
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will in den kommenden Jahren deutlich weniger Lehrerstellen abbauen, als bislang vorgesehen. Da der Schülerrückgang bis 2020 vor allem wegen Zuzug nach Baden-Württemberg niedriger als erwartet ausfalle, würden 3000 Stellen weniger gestrichen als ursprünglich geplant, sagte Kretschmann bei einer Veranstaltung des Kultusministeriums mit Lehrern am Samstag in Stuttgart. „Wir sparen nicht an Bildung“, betonte er vor mehr als 400 Lehrern aller Schularten.
Neue Prognosen
Nach den von Lehrerverbänden heftig kritisierten bisherigen Plänen von Grün-Rot sollten bis 2020 eigentlich rund 11 600 Stellen in den Südwest-Schulen gestrichen werden. Nach der Ankündigung Kretschmanns wären es nunmehr nur noch 8600 Stellen. Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl nannte Kretschmanns Bildungspolitik ein „heilloses Durcheinander“. Jahr für Jahr solle überprüft werden, wie viele Stellen tatsächlich wegfallen könnten, ohne dass die Unterrichtsversorgung und die Qualität leide, so Kretschmann weiter. Auch die SPD-Seite der Koalition hatte auf deutliche Abstriche an den Abbauplänen gepocht. Im Jahr 2020 werde mit rund 70 000 Schülern mehr gerechnet als frühere Prognosen hätten erwarten lassen, begründete der Regierungschef die veränderte Planung.
Kretschmann und Kultusminister Andreas Stoch (SPD) machten aber auch klar, dass der Bildungsbereich keine „Insel der Glückseligen“ sein dürfe, sondern zur Haushaltskonsolidierung beitragen müsse. Spätestens im Jahr 2020 greift die Schuldenbremse: Das Land muss die Neuverschuldung auf Null zurückfahren. Das Bildungsressort, auf das nach allen Abzügen mehr als 50 Prozent des Etats entfalle, könne die Sparverpflichtungen nicht auf kleine Häuser wie das Umweltministerium abwälzen, unterstrich der Grünen-Politiker.
Gute Worte reichen nicht aus
Man müsse sich in der Bildungspolitik auch von dem Motto verabschieden: „Viel hilft viel“. Die Güte des Unterrichts hänge entscheidend von den Lehrern als „Garanten von Qualität“ ab. Die Pädagogen könnten sich der Wertschätzung der Landesregierung sicher sein, sagte der ehemalige Gymnasiallehrer. Stoch pflichtete bei: „Unsere Gesellschaft ist auf Ihre gute Arbeit angewiesen.“ Der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Michael Gomolzig, meinte, gute Worte und Anerkennung der Koalition reichten nicht aus. Grün-rote Reformprojekte wie Ausbau der Ganztagsschulen, Integration behinderter Schüler in die Regelschule (Inklusion) und die Gemeinschaftsschule seien eben nicht ressourcenneutral umzusetzen. „Die Landesregierung sollte Schritt für Schritt vorgehen und nicht mit der Planierraupe“, resümierte der Leiter einer Grundschule in Remshalden (Rems-Murr-Kreis).
Kretschmann stellte sich überdies hinter das Zwei-Säulen-Modell mit dem Gymnasium und einer integrativen Schule. „Wer sich am Gymnasium vergreift, überlebt das politisch nicht“, betonte er. Gegen den Widerstand des Bildungsbürgertums lasse sich diese Schulart nicht abschaffen.