Diese Schnecke ist ganz schön verschmust. Neugierig blickt sie aus ihrem Häuschen, als Rita Goller ihr sanft mit einem Grashalm über den Kopf streicht. „Sie genießt die Streicheleinheiten“, sagt die Schneckenzüchterin aus Münsingen (Kreis Reutlingen). Während die 58-Jährige die Schnecke mit dem Finger krault, kriecht das glitschige Tier ihr langsam über die Hand und streckt die Fühler ganz weit nach vorn. „Wenn die Schnecke eine Katze wäre, dann würde sie jetzt vor Freude schnurren.“
Auf der Schwäbischen Alb gilt Goller als „Schneckenpäpstin“. Mehr als 40 000 Weinbergschnecken mit dem wissenschaftlichen Namen Helix pomatia fressen, kriechen und kleben auf vier eingezäunten Wiesen in Rita Gollers Garten. Die Schwäbin gehört zu den wenigen Kleinerzeugern in Deutschland, die Schnecken vermarkten.
Doch das Geschäft mit den Schnecken hat Tücken. In Deutschland gibt es nach Angaben des Verbandes für artgerechte Schneckenzucht etwa 25 Züchter, die im Jahr höchstens zehn Tonnen der glitschigen Ware erzeugen (s. graue Info-Box). Zum Vergleich: In Frankreich vermarkten Züchter mehrere Tausend Tonnen im Jahr. „Die Schneckenzucht in Deutschland ist und bleibt eine Nische“, sagt der Verbandsvorsitzende Klaus Krebs.
Für Goller ist die Schneckenzucht bislang eher ein aufwendiges Hobby als eine Geldquelle. Abnehmer sind acht Wirtschaften in der Region, auch ein paar Sterneköche sind unter ihren Kunden. Reich werden könne sie bei einem Preis von 50 Cent pro Schnecke aber nicht, sagt Goller.
In diesem Jahr bereitet Goller, die auch Landschaftsführerin und Biosphären-Botschafterin auf der Schwäbischen Alb ist, besonders der milde Winter Kopfzerbrechen. Zu früh seien einige Schnecken aus dem Winterschlaf erwacht und erfroren. Mindestens vier Jahre leben die Tiere in ihrem Garten, bis sie bei Gastronomen und Feinschmeckern im Kochtopf landen.
Seit 2005 stehen die Weinbergschnecken unter Naturschutz. Das heißt, dass sie in freier Natur nicht mehr gesammelt werden dürfen. Die Schneckenzucht ist kein Zuckerschlecken. Mit ihrem 65 Jahre alten Mann Walter ist Goller jeden Tag stundenlang beschäftigt, Salat oder Löwenzahn zu besorgen, die Tiere damit zu füttern und nach ihnen zu schauen. „Wenn die Schnecken richtig Kohldampf haben, fressen sie bis zu 50 Köpfe Salat pro Tag“, sagt Goller. Das Futter ist meist aussortierte Ware von Supermärkten und Landwirten aus der Umgebung.
Besonders fasziniert Goller das gelassene und friedliche Wesen der Tiere. „Schnecken haben Gedanken und Gefühle“, ist Goller überzeugt. Bereits ihr Urgroßvater war Schneckenzüchter. Goller hat ihre Schnecken auch zum Fressen gern und schwört auf das Fleisch, das proteinreich und fettarm sei. „Es schmeckt wie feines Kalbsfleisch mit etwas nussig-erdigem Geschmack“, sagt sie. Das haben auch die Gastronomen von der Schwäbischen Alb entdeckt, die Schneckengerichte wie Schnecken-Bärlauch-Suppe oder Schneckenragout auf Bandnudeln anbieten.
Billig-Importe aus dem Osten
Schneckenzüchtern aus Deutschland bereitet die Billig-Konkurrenz aus dem Osten zunehmend Kopfzerbrechen. Wer mit der Schneckenzucht überhaupt noch etwas verdienen wolle, müsse ab Hof vermarkten, sagte der Vorsitzende des aus 25 Züchtern bestehenden Verbandes für artgerechte Schneckenzucht Deutschland, Klaus Krebs. Vor allem Wild-Sammlungen aus Russland setzten heimische Betriebe unter Druck. Hierzulande stehen Weinbergschnecken seit 2005 unter Naturschutz. Das heißt, dass sie in freier Natur nicht mehr gesammelt werden dürfen. Ein vernünftiges Einkommen lasse sich für die heimischen Betriebe im Handel mit den Weinbergschnecken meist nicht erzielen. „Die Produktionskosten für Schnecken sind zum Teil höher als die erzielten Preise“, sagte Krebs. So müssten für ein Kilogramm Schnecken im Schnitt 2,50 Euro investiert werden, aber Händler zahlten dafür häufig nur etwa 1,90 Euro. Die Züchter in Deutschland erzeugen nach Angaben des Verbandes im Jahr höchstens zehn Tonnen. „Die Schneckenzucht in Deutschland ist und bleibt eine Nische“, sagte Krebs. Feinschmecker halten Weinbergschnecken für eine Delikatesse, Schneckengerichte haben im Südwesten Deutschlands ebenso wie in Frankreich und Italien Tradition. dpa/lsw