„Schon mal was von Heine gehört?“ Mit dieser Frage an das Publikum eröffneten die Schauspieler einen ereignisreichen Theaterabend im Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt.
Das Ensemble aus Gerbergasse und ehemaligen JSG-Schülern rund um Regisseur Wolfgang Tröster inszenierte mit „Schlage die Trommel und küsse die Marketenderin“ eine beeindruckende literarisch-musikalische Revue zu Leben und Werk des deutsch-jüdischen Dichters Heinrich Heine. Chronologisch stellte die Theatergruppe das Leben des 1797 geborenen Düsseldorfers dar und zeigte die Konflikte seiner Kindheit und seines beruflichen Werdegangs bis zu seinem Tod.
Mit Trommelschlägen beginnt auch das Stück, gefolgt von der ersten Darbietung der Kabarett-Gesangsgruppe „Die Herbst-Zeitlosen“. Sonja Baus, Margrid Gross, Peter Staubach und Georg Schirmer, der auch in mehreren Rollen glänzte, begeisterten mit feinem, mehrstimmigem Chorgesang von zeitgenössischen Kompositionen zu Texten von Heinrich Heine. Schnell wird dem Zuschauer klar, dass hier keine einfache Biografie nacherzählt wird.
Flott und überraschend
Die Umsetzung der Heineschen Vita ist flott, überraschend und bewegt sich stets zwischen den Fronten der Erheiterung und des bitteren Ernstes. Tobias Jennewein, der in der Hauptrolle den Dichter verkörpert, brilliert sowohl durch schauspielerische Leistung als auch durch charmante Situationskomik. Immer wieder wird der Erwartungshorizont des Publikums durchbrochen, und Verfremdungseffekte in Brechtscher Manier kommen zum Einsatz.
So wird zwischen die szenische Darstellung von Heines Kindertagen plötzlich eine Schulstunde in Geschichte eingeschoben. Wolfgang Tröster und Nicolai Fleischmann befragen das Publikum zur Französischen Revolution und dem Wiener Kongress und verteilen zur Belohnung Pralinen für richtige Antworten. Elemente wie dieses lockern das Stück auf, machen es gerade für die Schüler im Publikum zugänglich und vermitteln gleichzeitig auf spielerische Art Wissen.
Hervorzuheben sei an dieser Stelle auch die musikalische Einbettung, die „Schlage die Trommel und küsse die Marketenderin“ den endgültigen Feinschliff verpasst.
Neben vielen, ständig wechselnden Rollen bereichern Stefanie und Eva Maselli sowie Selina Rüb mit ihrer großartigen Stimmvielfalt das Stück. Die tiefe, jazzige Stimme von Eva Maselli, die soulige Power ihrer Tochter Stefanie sowie der zauberhaft klassische Klang von Selina Rüb harmonieren fabelhaft und setzen an wichtigen Stellen musikalische Akzente.
Auch die Darbietung der Musikstücke von Sänger Rainer Hain, der sich an der Gitarre selbst begleitete, sowie von Christian Dunst am Klavier runden das Konzept des Revuestückes ab. Die Musiker schaffen es hier, mit dem Gewöhnlichen zu brechen und Songs wie John Lennons „Working Class Hero“ oder den Schlager „Oh Donna Clara“ mit Heines Texten in Verbindung zu bringen.
Die Diskrepanz des politischen Dichters Heine, der doch gleichzeitig inmitten der gesellschaftlichen Spannungen seiner Zeit stand und Lyrik über Liebe und Leidenschaft schrieb, setzt das Ensemble fließend um. So werden auf der einen Seite Liebesgedichte hingebungsvoll dargestellt, wie in der Tanzszene „Donna Clara“ von Elisa Zeilmann und Matthias Frädrich, in mancher Szene sogar mit einem Hauch von Erotik.
Im Kontrast dazu steht Heines zeitkritische Dichtung. Der „Gestank“ der deutschen Politik, der Heine aus einem Nachttopf entgegenschlägt, wird hier mit der Projektion eines Hitlerbildes kombiniert – eine Szene, die zeigt, wie scharf und weitsichtig Heine war.
Insgesamt schafft es die Gruppe, mit ihrer szenischen Umsetzung das Publikum zu fesseln, mal auf komische, mal auf tiefernste Weise. Gerade wenn es um die Chancenlosigkeit für Heine als deutscher Jude geht, der er sich durch seine Flucht nach Frankreich zu entziehen versuchte.
Immer wieder wird tief in die Trickkiste der Verfremdungseffekte gegriffen. Dialekte, Stand-Up-Comedy, wechselnde Erzählperspektiven, Publikumsinteraktion und Licht- und Toneffekte sind nur ein paar Beispiele des Ideenreichtums, von dem die Produktion nur so sprüht. An manchen Stellen hätte man sich vielleicht gewünscht, das eine oder andere Gedicht einfach umkommentiert für sich selbst sprechen zu lassen, anstatt Pointe und Doppeldeutigkeit dem Publikum auf dem Präsentierteller zu servieren. Nichts desto weniger ist „Schlage die Trommel und küsse die Marketenderin“ ein wahrlich sehenswertes, kreativ und modern umgesetztes Revuestück. Regisseur und Verfasser Wolfgang Tröster war es ein Anliegen, dem Dichter ein ganzes Stück zu widmen, „weil er auch heute noch etwas zu sagen hat“. Die Spenden kommen alle dem „Förderverein ehemalige Synagoge Laudenbach eV.“ zu gute.
Weitere Aufführungen: 6. und 9. Juni im Theater in der Gerbergasse.