Der zweite Lohrer Hilfskonvoi hat am Wochenende noch mehr Hilfsgüter als bei der ersten Fahrt an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht. Auf der Rückfahrt blieb in den 14 Fahrzeugen, darunter ein Reisebus, jedoch ein Großteil der Sitzplätze leer.
Es konnten vor Ort deutlich weniger Kriegsflüchtlinge als geplant mitgenommen werden. Der Grund sei eine kurz zuvor erfolgte Neuausrichtung beim Abtransport der an der Grenze ankommenden Flüchtlinge gewesen, sagt Marcus Scholz, der auch den zweiten Konvoi geleitet hatte.
"Es waren alle schon fort", beschreibt der 43-Jährige die Situation im Auffanglager in Przemysl. Womöglich auch wegen der näher an die Grenze herangerückten Kampfhandlungen sei offenbar kurzfristig eine große Zahl an Flüchtlingen per Zug weiter nach Polen hineingebracht worden. Auch die Flüchtlinge, die zuvor über einen Aushang schon für die Mitfahrgelegenheit nach Unterfranken ausfindig gemacht worden waren, seien weg gewesen, so Scholz. Letztendlich habe man statt der theoretisch möglichen rund 100 Flüchtlinge 25 mit nach Unterfranken genommen, darunter mehrere Säuglinge.
Rund 110 Kubikmeter Hilfsgüter
Dennoch sei die Fahrt ein Erfolg gewesen. Man habe noch mehr Hilfsgüter als beim ersten Konvoi eine Woche zuvor ins Krisengebiet transportiert. Auch der zweite Transport war privat organisiert. Er wurde erneut unterstützt von etlichen Geschäftsleuten, die Fahrzeuge oder Sachspenden stellten. Daneben, so Scholz, hatten auch wieder zahllose Privatleute Spenden abgeliefert. Insgesamt habe man diesmal rund 110 Kubikmeter an Hilfsgütern dabei gehabt. Sie seien direkt nach der Ankunft an der Grenze umgeladen und weiter ins Kriegsgebiet transportiert worden.
Anders als bei der ersten Fahrt bildeten laut Scholz Lebensmittel und Ausrüstungsgegenstände für das Militär einen Schwerpunkt, darunter Tarnkleidung und Schlafsäcke. Neben medizinischen Gegenständen wie Verbandsmaterial, Operationszubehör und Medikamenten habe man auch viel Babynahrung dabei gehabt.
Gut 30 Helfer mit unterwegs
Der Konvoi hatte sich mit gut 30 Helfern am Freitag um 16 Uhr in Lohr auf den gut 1200 Kilometer langen Weg gemacht. Der durch Spenden finanzierte Reisebus war bereits Stunden zuvor losgefahren. Nach reibungsloser Anfahrt habe der Konvoi am Samstagmorgen gegen 7 Uhr die polnisch-ukrainische Grenze erreicht, so Scholz. Nach dem Abladen sei man gegen 10 Uhr weitergefahren zur Sammelstelle für Flüchtlinge.
Dort stellte sich dann überraschend heraus, dass die Flüchtlinge, die man mitnehmen hätte können, nicht mehr da waren. Auch etliche andere Reisebusse aus Deutschland seien leer geblieben, so Scholz. Das gesamte System der Registrierung von Helfern und der Zuteilung von Flüchtlingen sei kurzfristig geändert worden. Doch Kritik übt Scholz deswegen keine: "Auf den Institutionen dort liegt eine wahnsinnige Last", beschreibt er die Zustände vor Ort.
Dass die Registrierung der Helfer, die Flüchtlingen eine Mitfahrangelegenheit anbieten, verfeinert wurde, hat laut Scholz womöglich auch einen erschreckenden Hintergrund: Es habe zuletzt Meldungen gegeben, wonach Menschenhändler die Notlage junger ukrainischer Frauen ausgenutzt und diese in die Zwangsprostitution verschleppt hätten. Daneben mache unter ukrainischen Flüchtlingen offenbar das haltlose Gerücht die Runde, wonach ihnen in Deutschland die Pässe abgenommen würden und so die Reisemöglichkeit genommen werde, so Scholz.
Etliche leere Busse
Einen Teil der Kleinbusse habe man schließlich doch mit Flüchtlingen besetzen können. Mit den restlichen Fahrzeugen sei man zum Bahnhof nach Krakau gefahren. Doch auch dort hätten bereits etliche Reisebusse aus Deutschland vergeblich auf Flüchtlinge gewartet. Am Samstagabend habe er dann die schwere Entscheidung getroffen, dass man eben leer heimfahren müsse, sagt Scholz. Diese Situation habe natürlich bei allen für ein emotionales Tief gesorgt. "Aber es ist eine Kriegssituation. Da kann sich die Lage nun mal stündlich ändern", so Scholz am Montagmorgen im Telefonat mit der Redaktion. Der Hilfstransport sei dennoch ein Erfolg gewesen. Er könne allen Helfern des Konvois und im Umfeld nur "ein ganz dickes Lob aussprechen".
Die 25 Flüchtlinge wurden auf dem Heimweg ins Aufnahmezentrum in Geldersheim bei Schweinfurt gebracht. Grund: Das vom Landkreis Main-Spessart in Marktheidenfeld aufgebaute Aufnahmezentrum war zum Zeitpunkt der Rückkunft bereits belegt. Die letzten Fahrzeuge des Lohrer Konvois kehrten am Sonntag kurz vor zehn Uhr zurück.
Ob oder wann es einen neuen Hilfskonvoi geben wird, ist offen. Zum einen brauche es nun auch Hilfe für die in Main-Spessart angekommenen Flüchtlinge, sagt Scholz. Zum anderen müsse man sich vor einem neuerlichen Transport erst mal sammeln. Eine solche Fahrt sei auch eine Strapaze. Es gelte nun, die Lage vor Ort im Krisengebiet genau zu beobachten, sagt Scholz. Man werde auf jeden Fall wieder mit einem Spendenaufruf an die Öffentlichkeit gehen, sobald klar ist, wann es einen dritten Konvoi geben wird.