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Lohr
Zwei Lohrer machen im Reich Karriere
Der Grabstein auf der letzten Ruhestätte des einstigen Reichswirtschaftsminister Joseph Koeth auf dem Lohrer Friedhof ist fast zugewachsen.
Foto: Thomas Josef Möhler | Der Grabstein auf der letzten Ruhestätte des einstigen Reichswirtschaftsminister Joseph Koeth auf dem Lohrer Friedhof ist fast zugewachsen.
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 08.06.2020 02:10 Uhr

Vor 150 Jahren, im Jahr 1870, kamen in Lohr zwei Männer zur Welt, die in der Weimarer Republik wichtige Ämter innehatten. Friedrich Oegg, geboren am 8. Mai, wurde erster Präsident des neuen Reichsarbeitsgerichts. Der 7. Juli ist der Geburtstag von Joseph Koeth, der es bis zum Reichswirtschaftsminister brachte und Unterzeichner eines der wichtigsten Arbeitsgesetze war – die Einführung des Achtstundentages.

Über beide hätte Gerd Walter bei einer Veranstaltung des Geschichts- und Museumsvereins jüngst berichtet, wären nicht die Einschränkungen durch die Corona-Krise dazwischengekommen. Der aus Sackenbach stammende Lokalhistoriker stellte sein Skript unserem Medienhaus zur Verfügung, um an diese Lohrer Persönlichkeiten zu erinnern.

Danach stand Oeggs Geburtshaus an der Ludwigstraße (heute Filiale von Maxl-Bäck). Seine Familie stammte ursprünglich aus Würzburg, sein Vater Karl Oegg kam 1862 als Richter ans Lohrer Bezirksgericht. Drei Jahre später heiratete er Wilhelmina Carben, die Tochter des Forstmeisters Sebastian Carben.

Studium in Würzburg

Ihr Zweitgeborener Friedrich ging nur kurz in Lohr zur Schule, weil sein Vater 1878 nach Aschaffenburg versetzt wurde. Zunächst besuchte Friedrich Oegg dort die Lateinschule, bevor er ans alte Gymnasium nach Würzburg wechselte. In der Domstadt studierte er Jura und trat 1892 in den bayerischen Staatsdienst ein.

Rasch machte er Karriere. Nach der Tätigkeit als Staatsanwalt und Richter am Amtsgericht Würzburg und den Landgerichten Aschaffenburg und Würzburg wurde er 1911 Richter am Oberlandesgericht München. Zunächst Hilfsrichter, erhielt er 1913 eine feste Richterstelle am Reichsgericht in Leipzig, das mit dem heutigen Bundesgerichtshof vergleichbar war.

Eine eigene Arbeitsgerichtsbarkeit wurde in Deutschland erst 1927 geschaffen. In diesem Jahr wurde ein eigener Senat für Arbeitsrecht im Reichsgericht eingerichtet, dessen Vorsitzender Oegg wurde. Damit war er der oberste Arbeitsrichter.

Das blieb er auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. In die Zeit bis zur Pensionierung 1937 fällt die Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten, die das Reichsarbeitsgericht abgesegnet hat. Gleiches gilt trotz anfänglicher Zurückhaltung für die Entlassung und rechtliche Ausgrenzung von jüdischen und kommunistischen sowie je nach Einzelfall auch von sozialdemokratischen Arbeitnehmern, die das Reichsarbeitsgericht mitgetragen hat.

Friedrich Oegg: Einst oberster Arbeitsrichter im Deutschen Reich.
Foto: privat | Friedrich Oegg: Einst oberster Arbeitsrichter im Deutschen Reich.

Oegg selbst war kein Parteimitglied. Nach Kriegsende lebte er zunächst in der DDR und siedelte 1954 zu seiner Tochter Ilse nach Oldenburg um, dem einzigen Kind seiner 1903 in Würzburg geschlossenen Ehe mit Gertrud Schanz. Im Alter von 89 Jahren starb Oegg 1959, er wurde in Leipzig neben seiner schon 1931 verstorbenen Frau beigesetzt.

Achtstundentag unterzeichnet

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Oegg in Lohr den gleichaltrigen Joseph Koeth gekannt hat. Mit 18 Jahren ging Koeth zur bayrischen Armee, im Jahr 1900 wechselte er wegen der verweigerten Berufung in den Generalstab in die preußische Armee über. Im Ersten Weltkrieg arbeitete er nach kurzem Fronteinsatz in Frankreich im Berliner Kriegsministerium.

Nach der Novemberrevolution 1918 wurde der Parteilose zunächst Staatssekretär im kurzlebigen Reichsamt für die wirtschaftliche Demobilmachung. In dieser Funktion unterzeichnete er die Anordnung zur Einführung des Achtstundentages. Von Februar bis April 1919 war Koeth Reichsminister für Demobilmachung, von Oktober bis November 1923 Reichswirtschaftsminister.

Kriegsgräberfürsorge

Von 1919 bis 1923 fungierte Koeth als erster Präsident des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Koeth starb 1936 in Berlin und wurde im Familiengrab auf dem Lohrer Friedhof beigesetzt, das heute noch besteht.

 
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