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LOHR
Zwei Herzen in der Brust
Vorfreude: Der Lohrer Wirt Costas Skafidas (links) und Costas Christofis, sein eigens aus Griechenland angereister Freund aus Kindertagen, posierten am Donnerstagmittag vor dem Lohrer Schloss. Am Abend machten sie sich zusammen mit weiteren Griechen auf den Weg nach Danzig, um das Fußballspiel der deutschen gegen die griechische Mannschaft live im Stadion zu sehen.
Foto: Johannes Ungemach | Vorfreude: Der Lohrer Wirt Costas Skafidas (links) und Costas Christofis, sein eigens aus Griechenland angereister Freund aus Kindertagen, posierten am Donnerstagmittag vor dem Lohrer Schloss.
Von unserem Redaktionsmitglied Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 23.06.2012 12:04 Uhr

„Auf dieses Spiel warte ich seit 29 Jahren“ – Costas Skafidas ist noch mehr als sonst vom Fußballfieber gepackt. Der Grieche, der seit 29 Jahren in Deutschland lebt und seit vielen Jahren in Lohr eine Gaststätte betreibt, kann sich nicht erinnern, dass es in den vergangenen Jahrzehnten schon mal ein Fußballspiel zwischen Deutschland und Griechenland gegeben hat, bei dem es wirklich um etwas ging.

Doch am heutigen Freitagabend ist es soweit. Im Viertelfinale der Fußballeuropameisterschaft wird in Danzig entschieden, wer die Heimreise antreten und wer weiter auf den Titel hoffen darf. Costas Skafidas wird als einer der 41 582 Zuschauer in der PGE Arena mittendrin sein, wenn um 20.45 Uhr der Anpfiff ertönt.

In der Nacht auf Freitag startete um 11 Uhr der mit sieben Griechen besetzte Kleinbus in Lohr. 1050 Kilomter sind es bis in die Stadt an der polnischen Ostseeküste. Eine Reisestrapaze, die die Gruppe um Costas Skafidas gerne auf sich nimmt.

Der 52-jährige Inhaber des Restaurants Felsenkeller konnte seine Euphorie wenige Stunden vor der Abfahrt nicht verbergen. Was den Ausgang des Spiels selbst betrifft, ist Costas Skafidas in einer glücklichen Lage: „Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ich kann mich freuen, egal wie das Spiel ausgeht“, sagt der Grieche. In seiner Heimat wird er von Freunden nur „Der Deutsche“ genannt. Und bei den jüngsten Spielen der deutschen Nationalmannschaft saß er im Deutschlandtrikot vor der Leinwand in seinem Restaurant.

Natürlich, das verhehlt Costas Skafidas nicht, wünscht er der griechischen Mannschaft den Sieg etwas mehr als der deutschen. Aus folgendem Grund: „Die Leute in Griechenland brauchen mal wieder einen Grund zum Lachen.“ Die wirtschaftliche Krise des Landes und das damit einhergehende Image der Griechen in Europa hätten der griechischen Seele schwer zugesetzt, schildert Costas Skafidas und sagt: „Die Lage und die Stimmung sind sehr schlecht.“ Ein Sieg gegen Deutschland könne den Griechen zumindest für einige Zeit wieder etwas Lebensfreude und Nationalstolz zurückgeben. „Es wäre sicher eine Genugtuung für viele, wenn wir mit einem Sieg mal wieder zeigen könnten, dass wir doch was drauf haben“, beschreibt Skafidas die Stimmung in seinem Land.

Dass das Spiel angesichts der Eurokrise und der recht strengen Haltung der deutschen Bundeskanzlerin hinsichtlich griechischer Sparprogramme unter einem besonderen Stern steht, ist Costas Skafidas bewusst. Er glaubt jedoch, dass das in den Boulevardmedien gezeichnete Stimmungsbild nicht der tatsächlichen Meinung der meisten Griechen über Deutschland entspricht. Das hätten ihm auch die Berichte von deutschen Freunden bestätigt, die in jüngerer Vergangenheit in Griechenland Urlaub gemacht haben.

Natürlich sei die Stimmung in Griechenland vor dem Spiel aufgeheizt. Das sei sie jedoch vor jedem Fußballspiel dieser Bedeutung. Für Costas Skafidas ist das Spiel in Danzig überhaupt das erste Mal, dass er die griechische Fußballnationalmannschaft live im Stadion sieht.

„Die Leute in Griechenland brauchen mal wieder einen Grund zum Lachen.“

Costas Skafidas über die angeknackste griechische Seele

Die 1050 Kilometer lange Fahrt dorthin wird eine Strapaze. Der Zeitplan ist straff, der Raum für Pausen knapp. Vier Fahrer werden sich am Steuer des gemieteten Kleinbusses abwechseln.

Im Gepäck wird die Reisegruppe neben allerhand griechischen Fahnen und Trikots auch einige deutsche Fan-Utensilien haben. Bei der Stadt Lohr wollte sich Skafidas am Donnerstagnachmittag überdies noch eine Fahne mit dem Lohrer Wappen ausleihen – um sie im Danziger Stadion im griechischen Fanblock zu hissen. Die Eintrittstickets haben sich die Griechen über den griechischen Fußballverband organisiert. Stückpreis: 80 Euro.

Was den Ausgang des Spiels angeht, ist Skafidas mit einem Tipp zurückhaltend. „Es wird eine lange Nacht“, rechnet er mit einer Verlängerung, vielleicht sogar mit einem Elfmeterschießen. „Natürlich ist Deutschland in der Favoritenrolle – so viel Ahnung von Fußball habe ich“, sagt Skafidas und beziffert die Chancen der Griechen auf „40 zu 60“. Wenn es seinen Landsleuten jedoch gelinge, möglichst lang kein Tor zu kassieren, hätten sie eine Chance.

Für Skafidas ist es übrigens das erste Spiel einer griechischen Nationalmannschaft, das er live im Stadion sieht. Die deutsche Mannschaft hingegen hat er schon einmal gesehen, 1996 bei der Europameisterschaft in England. Damals holten die Deutschen am Ende den Titel.

Sollten die deutsche Mannschaft heute siegen, wird Costas Skafidas bei deren nächsten Spiel wieder das Deutschlandtrikot überstreifen. Sein Restaurant öffnet er schon vorher wieder: am Samstagnachmittag um 17 Uhr. Denn direkt nach dem Schlusspfiff in Danzig geht es im Kleinbus wieder auf die Heimreise.

 
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