Seit Jahren legt Simon Schaub, 27, aus Wiesenfeld als DJ Simon VDS auf Veranstaltungen und Clubs in der Gegend Techno und House auf. Aber bisher immer die Musik von anderen. Das soll sich nun ändern, Schaub versteht sich selbst als Künstler. Gemeinsam mit seinem Sendelbacher Kumpel Fabio Cassarino alias DJ Cassa Cristano, der sich in die Technik eingefuchst hat, komponiert er jetzt unter dem Projektnamen Cassa Cristano & Simon VDS eigene Stücke.
Die beiden DJs waren, gewählt vom Publikum, auch der erste Act in der Lohrer Stadthalle beim Klinkertronic-Festival. Aber: „Interessant wird es dann, wenn du auch dein eigenes Zeug spielen kannst“, sagt Schaub. Daran arbeiten sie. Mittlerweile haben die beiden ihr drittes Stück im Kasten. Ihre erste Single „Adoria“, erschienen im Oktober, sei „wie eine glamouröse Frau“, erzählen sie, ihr zweiter Track ein Remix eines anderen Künstlers, der sich besser verkauft als das Original, und das neue Stück, für das sie eine Sängerin aus Laudenbach mit ins Boot geholt haben, soll „ein Lied für die breite Masse“ sein.
Kinderzimmer als Studio
Ihr Studio, in dem die beiden kreativ sind, ist keine mit Technik vollgestopfte Garage, sondern das Kinderzimmer Cassarinos in Sendelbach. Der 21-jährige Sendelbacher hat sich als Jugendlicher selbst das Klavierspielen beigebracht und sitzt nun am Computer, an den eine Klaviertastatur angeschlossen ist. Statt eines echten Synthesizers hat Cassarino eine virtuelle Kopie im Computer, die so klingt wie das Original aus den 70ern. Auf einem Bildschirm sieht er Knöpfe und Regler, die er wie an einem Mischpult bedienen kann, auf dem anderen Tonspuren. Als bei einem Stück nach einer entspannteren Phase am Bildschirm mehrere Tonspuren gleichzeitig einsetzen, sagt Schaub: „Das ist der Moment, wo die Leute auf der Tanzfläche ausrasten.“
Am Computer tüfteln die beiden DJs an Melodien und Tönen herum. „Man merkt die kreative Energie“, sagt Cassarino, der gelernter Musikkaufmann ist und gerade ein Tontechnikstudium absolviert. Er übernimmt die große Tüftelei an einzelnen Tönen. Die Zeit, sich in die technische Seite der Studioarbeit hineinzuarbeiten, habe er nie gehabt, sagt Schaub. „Ein Otto-Normal-Hörer“, sagt er, „kann sich nicht vorstellen, was hinter einem Ton steckt.
“ Es sei „krank“, sagt Kumpel Cassarino, wie viele Möglichkeiten es alleine gebe, wie die Bass Drum, die große Trommel, klingen kann. Bis ein einziger Ton klingt, wie er klingen soll, sind viele Arbeitsschritte nötig.
Cassarino zerlegt Lieder in Einzelteile
Das ganze Zerlegen von Liedern in ihre Einzelteile mag beim Komponieren nützlich sein, mindert für Cassarino beim Ausgehen jedoch etwas den Musikgenuss. „Wenn ich ein Lied höre, nehme ich es im Kopf auseinander und schaue, wie es produziert ist. Es geht immer ratter-ratter im Kopf.“ Auch erfolgreiche Stücke seien manchmal schlecht produziert, hat er festgestellt. Bei ihrer eigenen Musik schauen sie natürlich darauf, dass sie gut gemacht ist und dem aktuellen Zeitgeist entspricht.
Zum ersten Mal gemeinsam aufgetreten sind die beiden Ende Oktober auf der Veranstaltung „Hello Green“ in Wiesenfeld. Früher hat Schaub, im Brotberuf Fachpfleger für Gerontopsychiatrie, alleine aufgelegt, jetzt tritt er zusammen mit seinem Kumpel auf. Er möchte das gemeinsame Projekt voranbringen, wie er sagt. Bei Cassarinos erstem Auftritt als DJ Ende 2015 sprach dieser den etablierten DJ Schaub an, ob man nicht einmal gemeinsam etwas machen könnte.
Zwei DJs auf gleicher Wellenlänge
Die beiden stellten fest, dass sie die gleiche Wellenlänge und einen ähnlichen Musikgeschmack haben. Schaub war angetan davon, dass Cassarino als DJ „ernsthaft gemischt“ und „nicht nur einen auf dicke Hose gemacht“ habe wie andere Möchtegern-DJs, die bloß „Erfolg bei Frauen“ wollen.
Also setzten sie sich im September hin und schmiedeten in stundenlanger Arbeit ihr erstes Stück „Adoria“. Die Underground-Plattenfirma „Vom Feinsten“ nahm sie für das Stück unter Vertrag. Das mitreißende „Adoria“ ist nun auf den gängigen Plattformen wie iTunes, Amazon, Spotify und Playstore erhältlich und auch auf Youtube abrufbar. Das Stück sei bei dem Label auf Platz 1 gelandet, erzählen sie.
Das Internet als Bühne
Für das zweite Stück haben sie ein Lied von Chris Wayfarer „komplett umgekrempelt“ und aus „loungigem House“ „druckvollen Techno“ gemacht. Das Stück „This is not the End“ habe sich am nächsten Tag gleich auf einer kostenlosen Filesharing-Seite, wo es illegal heruntergeladen werden kann, wiedergefunden.
Das macht den beiden nichts aus, es hilft ihnen sogar, bekannter zu werden. Das Internet als Bühne.
Für das neue Stück „No Trace“, in dem es um ein Mädchen geht, das „etwas depri, aber durchaus hoffnungsvoll ist“, wollen sie es bei größeren Labels probieren. Den Text – „nicht das typische Geschnulze“ – haben sie zusammen geschrieben. Vielleicht, so ihre Hoffnung, werden sie mit dem Stück über die Region hinaus bekannt. Auf jeden Fall hilft es Cassarino, denn es ist zugleich eine Projektarbeit fürs Studium.