
95 und kein bisschen müde! Triefensteins ältester Einwohner Hans Rädlein macht nicht den Eindruck eines hochbetagten Seniors. Geistige und körperliche Fitness begleiten den gebürtigen Frankfurter, den man gut und gerne zehn bis fünfzehn Jahre jünger schätzen könnte, durch den Alltag. Hellwach bedient er seinen neuen PC, ein Geburtstagsgeschenk seines Sohnes.
Rädlein sitzt noch im hohen Alter ein wenig der Schalk des Frankfurter Buben im Nacken. Was ihm den geholfen habe, 95 Jahre alt zu werden, möchte der Mann von der Zeitung beim Geburtstags-Interview wissen. Der Jubilar muss nicht lange überlegen: maßvolles Essen, viel Sauerstoff und viel Bewegung im Freien.
Ein wenig habe auch die Tatsache dazu beigetragen, dass er 20 Jahr lang in Marktheidenfeld mit „großer Leidenschaft“ dem Tennissport frönte. Vielleicht spielten auch die Gene seiner 96 Jahre alt gewordenen Großmutter eine Rolle.
Rädleins Lebenslauf könnte man ohne viel Abstriche mit der deutschen Geschichte in Verbindung bringen. Schulbesuch in Frankfurt-Sachsenhausen, Lehre im Versicherungsgewerbe, Bürotätigkeit in einem Zeitschriftenverlag.
1939 lässt er sich zum Flugzeugführer ausbilden, er wird Pilot auf der JU 88 und dem schweren viermotorigen Bomber He 177, als junger Feldwebel erlebt der den Krieg in Frankreich, Litauen, Russland und am Ärmelkanal. Nach dem Krieg freut er sich als Zivilist über „himmlische Stunden“ beim Fliegerclub Neu-Ulm.
Eine lange Kriegsgefangenschaft bleibt ihm erspart. Er gründet mit einem Kameraden in der englischen Besatzungszone eine Band, die die Aufmerksamkeit eines Sergeants erweckt und ein Engagement im Offizierskasino zur Folge hat. Ein Sandwich, eine Schachtel Zigaretten und 15 Reichsmark sind das Honorar des „musikalischen Abstechers“.
1943 hatte Rädlein in Kempten seine Frau Edith Fastenrat vor den Traualtar geführt. In den Nachkriegsjahrzehnten war Hans Rädlein mit viel Erfolg in der Holzbranche tätig. Stationen in der Chefetage waren Göppingen, Augsburg, Ulm und Trennfeld (Firma Holz-Götz).
In Marktheidenfeld macht er sich mit einem Sperrholzhandel selbstständig, bevor er in Lengfurt mit den Grundstein für das heute äußerst erfolgreiche Unternehmen „Bayou-Holzwerkstoffe“ legt.
1993 muss er seine Frau zu Grabe tragen, im Alter von 81 Jahren heiratet er seine zweite Frau Ursula Gutzetti. Bevor er sich in Homburg („ein gemütliches Dorf mit vielen netten Menschen“) niederlässt, verbringt Rädlein acht schöne Jahre mit vielen Reisen im amerikanischen Bundesstaat Mississippi.
Der Vater eines Sohne und einer in den Staaten lebenden Tochter möchte nicht ausschließen, dass er im nächsten Jahr nochmals über den Großen Teich reist und dort einen freudigen Anlass erlebt. „Ich werde nämlich im März Ur-Ur-Opa“, verrät der gesprächige Jubilar, als er dem Chronisten empfiehlt: „Aber schreiben Sie bitte nicht zu viel über mich in der Zeitung“!
Die Zeitung ist sein tägliches Medium, auf das er ebenso wenig verzichten möchte wie auf das Fernsehen, in dem er besonders gerne die Spiele von Eintracht Frankfurt, in deren Schülermannschaft er einmal dem runden Leder nachspurtete, anschaut.