Das Zementwerk Schwenk dominiert heute Karlstadt. Aus diesem Blickwinkel ist es kaum vorstellbar, dass es vor 1900 eine ganze Reihe kleiner "Zementwerke" auf der linken Mainseite bei Mühlbach und Laudenbach gab. Sie wurden in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft und oft ebenso schnell wieder verkauft, vergrößert oder stillgelegt. Das geht aus einem Beitrag von Martina Amkreutz-Götz im Jahrbuch zur Karlstadter Geschichte hervor.
Jüngst hielt sie über das Thema und über die neueren Entwicklungen im Steinbruch der Firma Schwenk Vorträge in der Mühlbacher "Multifunktionshalle". Die frühere Redakteurin der Main-Post betätigt sich jetzt im Ruhestand intensiv als Mühlbacher Geschichtsforscherin.
Mühlbacher Papiermühle wurde zur Kalkmühle
Den ersten Anlauf zur Zementherstellung unternahm Johann Baptist Broili. Der Mühlbacher Schlossgutbesitzer war Landwirt, Kaufmann, Winzer und Müller. Mit dem geplanten Bau einer Mainbrücke nach Karlstadt witterte er eine Chance für ein neues Produkt. Sei Vater hatte 1858 die Papiermühle in der Martellstraße 30 (gegenüber vom "Schwalbennest") gekauft. Diese funktionierte Ferdinand Broili in eine Kalkmühle um. Es war die "Erste Mühlbacher Roman-Cement-Fabrik".
Johann Baptist Broili plante den Bau eines Kalkbrennofens am damaligen Ortsende von Mühlbach Richtung Stadelhofen. Das Dorf endete da noch auf Höhe der Schlossmauer. Trotz arger Bedenken des Bezirksarzts wegen des zu erwartenden "Kohlendunsts" und der ohnehin kränklichen Bevölkerung wurde der Plan unter Auflagen genehmigt Der Ofenbetrieb startete im Juli 1880. 1886 kam ein zweiter Ofen hinzu. Der Steinbruch war ein etwa 1,5 Hektar großes Gelände am Panoramaweg oberhalb von Mühlbach. Vier bis sechs Mann arbeiteten in dem Betrieb. 1895 stellte Broili die Produktion von Roman-Zement ein und brannte nur noch Stückkalk. 1905 stieg er aus der Zementherstellung aus. Es war gelungen, den Schuldenberg abzubauen, den sein Vater mit dem Kauf der Karlsburg verursacht hatte.
Die Lohmühle in Kleinlaudenbach
Gleichzeitig wurde an anderer Stelle ebenfalls Zement produziert. Vermutlich kurz vor dem Mainbrückenbau 1880 kam Michael Klüpfel nach Karlstadt. Er kaufte 1880 die alte Lohmühle in Kleinlaudenbach. Damals floss ein Wasserarm des Laudenbachs dort. Außerdem erwarb er mehrere Grundstücke in Mühlbach und Laudenbach für die ersten Steinbrüche. 1881 waren die Mühle mit vier PS Wasserkraft und der Brennofen betriebsbereit.
Durch den Kontakt zu Bergbau-Ingenieur Ludwig Roth wechselte Klüpfel von Roman- auf Portland-Zement. Doch wegen schlechter Resultate musste er schon 1885 den Betrieb einstellen. Ludwig Roth war auch Vorstandsmitglied bei Buderus in Wetzlar. Mit dem Geld dieser Industriellenfamilie und anderer Geldgeber kaufte er Klüpfels Grundstücke und Werk auf.
Zielstrebige Konkurrenz auf Karlstadter Seite
Parallel dazu tat sich einiges auf der Karlstadter Mainseite. Roth ließ dort ab 1887 ein Zementwerk bauen. Ein Standortvorteil war der Anschluss an die schon 1854 gebaute Eisenbahn. Außerdem wurden Schiffe für den Export des Zements angeschafft. Zunächst kam das Gestein mit Pferdefuhrwerken vom Gutsberg und aus dem Ammental über die Brücke nach Karlstadt. Doch schon 1888 ging die erste Seilbahn vom Steinbruch über den Main zu diesem Zementwerk in Betrieb.
Doch linksmainisch gab Klüpfel nicht auf. Er hatte zunächst mit dem Erlös aus dem Verkauf seines Werks das Wohn- und Gasthaus "Zur Karlsburg" umgebaut. Doch zum Gastwirt fühlte er sich nicht berufen. Direkt neben dem Gasthaus wollte er dort, wo heute das Kino steht, zwei Zementbrennöfen und eine Mühle errichten. Er zog diesen Bauantrag jedoch zurück, weil ihm das Bezirksamt 1887 eine Anlage am Brünnleinsgraben genehmigt hatte – in Kleinlaudenbach, aber noch auf Mühlbacher Gemarkung, also ganz in der Nähe seiner vorherigen Anlage. Es ist zu vermuten, dass er nun Portland-Zement mit besserer Qualität erzielen wollte. Ab 5. Januar 1888 wurde dort Zement hergestellt, doch schon am 19. Januar starb Klüpfel mit nur 55 Jahren.
Schneller Wechsel der Eigentümer
Max Ihmsen erwarb 1890 sowohl dieses Zementwerk der Familie Klüpfel als auch das Wohn- und Wirtshaus. Er nahm neben der bestehenden Dampfmühle und den beiden Brennöfen einen dritten Ofen in Betrieb. Er war der erste Mühlbacher mit einer privaten Telefonanlage, eingerichtet 1891 vom Wohn- und Gasthaus bis zu seinem Zementwerk.
Schon 1892 kam der nächste Wechsel. Der Fürther Kaufmann Sigmund Löwensohn kaufte die Zementfabrik von Max Ihmsen und nahm bald darauf sechs Brennöfen auf dem Gutsberg in Betrieb. Im Jahr 1900 beschäftigte er bis zu zehn Arbeiter.
Ein letztes Aufbäumen
Einen letzten Versuch startete 1896 linksmainisch Franz Klüpfel, der Sohn von Michael Klüpfel. Er errichtete an einem völlig neuen Standort eine Zementproduktion – diesmal in Laudenbach am Fuße des Schmidsbergs oberhalb der Gemeindestraße nach Stadelhofen. Zunächst ohne Genehmigung produzierte er Zement. Schon damals gab es Auseinandersetzungen wegen Kalkstaubs auf Wein und Zwetschgen. Doch 1905 kaufte Ludwig Roth das Zementwerk, um es stillzulegen, sowie mehrere Äcker in Mühlbach. Seine Zementfabrik auf der Karlstadter Seite überdauerte all die anderen "Start-ups", wie man heute sagen würde.
1925 wurde Dr. Carl Schwenk in dieser Portland-Cement-Fabrik Aufsichtsrat und 1936 dessen Vorsitzender. Er hielt 97 Prozent der Aktien. Ein Jahr später wurde das Firmenvermögen ganz dem Hauptgesellschafter übertragen, der Eduard Schwenk KG in Ulm.
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