
Die Resonanz bei der Interessensumfrage war positiv: 346 Bürger taten mit Postkarten oder Online ihr Interesse an einem Wärmeanschluss kund. Insgesamt gab es 422 Rückmeldungen, was den Zellinger Bürgermeister Stefan Wohlfart angesichts von rund 2000 Haushalten und 6500 Einwohner etwas enttäuschend fand. Dennoch ist sich der Gemeinderat einig, dass ein Nahwärmenetz gebaut werden soll. Ein offizielles "Go", wie es sich Projektentwicklerin Johanna Weidlich von der Firma GP Joule, die zusammen mit Stefan Thiemann die Ergebnisse vorstellte, wünschte, gibt es noch nicht – es soll in der Sitzung am 1. Oktober folgen.
Laut Stefan Thiemann ist die Rückmeldequote nicht außergewöhnlich niedrig, sie liege erfahrungsgemäß zwischen zehn und 80 Prozent. Wichtiger sei das generelle Interesse und dass auch potentielle Großabnehmer Interesse bekundeten, wenn auch teils anonym. Großabnehmer wären zum Beispiel die Gemeinde mit dem Freibad, der Friedrich-Günther-Halle, den Schulen und Kindergärten. Gewerblich haben die Seniorenresidenz, das betreute Wohnen und Möbel Hornung einen großen Wärmebedarf, auch kirchliche Liegenschaften sind oft groß.
Projektentwicklerin Johanna Weidlich erklärte, wie die Heizzentralen technisch aussehen würden: 83 Prozent der Wärme würden Großwärmepumpen mit 1100 Kilowatt thermischer Leistung bei 0 Grad Celsius Außentemperatur erzeugen, 13 Prozent eine Hackschnitzelkessel mit 500 Kilowatt und die restlichen vier Prozent ein gasbetriebener Spitzenkessel mit 500 Kilowatt. Spitzen puffern sollen auch Wärmespeicher, die als stehende schlanke Zylinder optisch ein wenig an Raketen erinnern und bis zu 100 Kubikmeter Wasser enthalten. Für Redundanz bei Störungen würde ein zweiter Gaskessel mit 1000 Kilowatt vorgehalten. Betrieben würde die Wärmepumpe mit Netzstrom, das habe Vorteile bei der Förderung. Bis auf die Außeneinheiten der Wärmepumpen und die Speicher würde alles in Containern untergebracht. Minimal sind 2000 Quadratmeter Fläche nötig, in Zellingen ist etwa das Doppelte im Gespräch. Je mehr Außeneinheiten (mit Ventilatoren) aufgestellt werden, desto leiser arbeitet die Anlage. Nötig ist auch ein Lager für die Hackschnitzel.
Standort für die erste Heizzentrale "Zellingen Süd" wäre das Grundstück, auf dem einst der Tanzcenter stand (Gassenwiese 49). Derzeit nutzt es teilweise ein Baumarkt, der Mietvertrag ist kurzfristig kündbar, grob würde zwischen dem derzeit eingezäunten Bereich und dem Main gebaut.
"Zuerst würde der Hackschnitzelkessel errichtet", erklärte Projektentwicklerin Johanna Weidlich. Das sei erfahrungsgemäß für den ersten Winter ausreichend. Wenn sich rumgesprochen hat, dass es funktioniert, "Duschen ist kein Problem", ergänzte Stefan Thiemann, steige das Interesse meist nochmal deutlich an. Zudem könne auch das Versorgungsnetz mit isolierten Leitungen und 70 Grad Celsius Vorlauftemperatur nur langsam gebaut werden, je Jahr können etwa auf zwei Kilometern Länge Rohre verlegt und Hausanschlüsse installiert werden. Das bedingt mehrere Bauabschnitte. Endausbauziel ist laut Bürgermeister Stefan Wohlfart, dass die Hälfte aller Häuser angeschlossen sind, dann würde eine zweite Heizzentrale im Norden Zellingens nötig. Erst danach würde der Ortsteil Retzbach als eigenes Projekt in Angriff genommen.
Bis die ersten Häuser mit Nahwärme beheizt werden können, wird es noch etwa zwei Jahre dauern. Der erste Schritt nach dem "Go" von der Gemeinde wird eine neue Infoveranstaltung mit Akquise im ersten Quartal 2025 sein. Dabei werden den Interessenten auch konkrete Preise genannt. Im zweiten Quartal folgen die Konzeptplanung und weitere Akquise, bis Ende 2024 die Baugenehmigung und Finanzierung (Förderzusage). Baubeginn wäre Anfang 2026, Inbetriebnahme und erste Wärmelieferungen im Herbst.
Aus dem Gemeinderat gab es nur wenig Nachfragen. Andrea Heßdörfer fragte nach Rückmeldungen von Großabnehmern. Die gab es, aber keine verbindlichen. Anderen dauerte es zu lange bis zu nächsten Infoveranstaltung. Das liegt zum einen an erkrankten Mitarbeitern von GP Joule. Stefan Thiemann erklärte aber auch, Infoveranstaltungen im November oder Dezember "verpufften" oft regelrecht, weil die Leute vor allem Weihnachten im Kopf hätten. Das zog es humorige Anmerkungen nach sich, dann sollte in der Fasenachtshochburg Zellingen besser bis nach Aschermittwoch gewartet werden.
