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ERLENBACH
Zeitkapsel geöffnet: Kein Gold, aber Geschichte
Über 60 Jahre ist es her, dass in die Turmkugel der Erlenbacher Kirche eine Zeitkapsel gelegt wurde. Nun wurde sie geöffnet – in ihr steckten Dokumente von damals.
Hier steckte die Zeitkapsel drin: ein Mitarbeiter der Firma Hammer aus Arnstein an der Turmkugel der Burkarduskirche.
Foto: Robert Heußlein | Hier steckte die Zeitkapsel drin: ein Mitarbeiter der Firma Hammer aus Arnstein an der Turmkugel der Burkarduskirche.
Robert Heußlein
 und  Jochen Jörg
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:09 Uhr

Viele zeitgeschichtlich interessante Dinge verbargen sich in der verplombten Dokumentenkapsel, die in den 1950er Jahren in die goldene Kirchturmkugel der Erlenbacher Burkarduskirche gelegt worden war. Heute, mehr als 60 Jahre später, wurde sie im Zuge der Turmsanierung geöffnet. Mit dabei waren Baufachleute, Pfarrer Matthias Wolpert und Bürgermeister Georg Neubauer. Sie alle nahmen die „Grüße aus der Vergangenheit“ interessiert in Augenschein.

Beim Öffnen der Kapsel: ein Arbeiter und Kirchenvorstand Matthias Liebler (rechts).
Foto: Robert Heußlein | Beim Öffnen der Kapsel: ein Arbeiter und Kirchenvorstand Matthias Liebler (rechts).
Die auf Kirchtürme spezialisierten Dachdecker der Firma Hammer aus Arnstein hatten zuvor begonnen, die Metallteile in schwindelerregender Höhe abzumontieren. Ganze 58 Meter über dem Boden wurde zunächst das in Erlenbach geschmiedete Kreuz aus seiner Verankerung gehoben und bald darauf auch die vergoldete Metallkugel gelöst. Schwieriger war es, die unhandlichen Teile zu den Förderkörben des Bauaufzuges zu schaffen und dann nach unten zu bringen. Nach einer guten Stunde war diese Arbeit getan.
. . ., eine Main-Post vom 20. Juni 1953, in der es unter anderem um Rebenpflanzungen in Erlenbach ging, . . .
Foto: Robert Heußlein | . . ., eine Main-Post vom 20. Juni 1953, in der es unter anderem um Rebenpflanzungen in Erlenbach ging, . . .

Pfarrer Wolpert begutachtete die zwar etwas verrostete, aber dicht gebliebene Zeitkapsel aus Metall, bevor alle zusammenkamen, um diese mit einer Eisensäge zu öffnen. In der Dose befanden sich Exemplare beider regionaler Tageszeitungen vom 20. Juni 1953, die damals gerade mal 20 Pfennig kosteten. In der Main-Post stand unter anderem ein Bericht über den Abschluss einer Weinbergs-Neubepflanzung mit 33 000 Reben.

. . ., und zwei schwarz-weiße Postkarten mit alten Ortsansichten von Erlenbach.
Foto: Robert Heusslein / Georg Neubauer | . . ., und zwei schwarz-weiße Postkarten mit alten Ortsansichten von Erlenbach.

Außerdem steckten in der Kapsel auch Schriftstücke der Gemeinde Erlenbach aus den Jahren 1953/54, unterzeichnet vom damaligen Bürgermeister Anton Kunz. Erst 1953 war der Turm saniert worden – doch nur ein Jahr später, am Weißen Sonntag, den 25. April 1954, schlug ein Blitz ein und machte eine erneute Instandsetzung unumgänglich. In dem Schreiben von Kunz heißt es wörtlich: „Der Knall des Kugelblitzes war so stark, dass die Explosion einer 500-Kilogramm-Bombe (die wir vom Kriege 1939/45 noch alle in Erinnerung haben) nichts dagegen war. In einem Umkreis von 150 Metern waren sämtliche elektrische Leitungs- und Radiosicherungen durchgeschmort und die Leitungen waren beschädigt.“

Anlässlich des Weißen Sonntags waren so viele Menschen zur Kirche gekommen, dass das Gotteshaus gar nicht alle fassen konnte. Bis zu 100 Personen wohnten der Andacht unter freiem Himmel bei. Bürgermeister Kunz schrieb: „Wie durch ein Wunder wurde niemand ernstlich verletzt, bis auf zwei Besucher, welche in der Sakristei unter dem Turm waren. Diese wurden gegen die Rückwand geschleudert und kamen mit einigen blauen Flecken an Rücken und Armen davon.“

Steckte alles in der Kugel: ein Foto von der Turmsanierung in den 1950er Jahren, . . .
Foto: Robert Heußlein | Steckte alles in der Kugel: ein Foto von der Turmsanierung in den 1950er Jahren, . . .

In der Zeitkapsel steckten auch Fotos von den Sanierungsarbeiten, bei denen einem schon beim bloßen Anschauen schwindelig wird. Die Arbeiter schwangen sich mit einfachen Leitern in höchste Höhen auf – besonders sicher wirkte das nicht. Auf zwei Postkarten sind Darstellungen des Ortsbildes zu sehen, darunter der Kindergarten, die Vierzehn-Heiligen-Kapelle, das Kriegerdenkmal und eine Gesamtansicht des Dorfes. Auf Münzen oder gar Goldstücke, wie sie in manchen Turmkugeln schon auftauchten, warteten die „Dosenöffner“ allerdings vergebens.

Nun wird der Turmschmuck zunächst in die Werkstatt der Erlenbacher Firma Löwen Restaurierung Müller gebracht, damit er dort von Rost und Patina befreit wird. Bis die Kirchensanierung abgeschlossen ist, soll er dann – neu gestrichen oder vergoldet – seinen Platz am höchsten Punkt der Kirche einnehmen.

 
 
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