„Man lernt, einfachste Dinge zu schätzen“ – Diese Erfahrung machte Jeanette Gumpp, die sich gerade auf den Abschluss als Zahnmedizinerin vorbereitet. Für drei Wochen hat die Gemünderin ihr normales Leben gegen einen Aufenthalt in Myanmar eingetauscht und behandelte dort ehrenamtlich Patienten. „Allein ein Jahr lang wurden wir durch Impfungen auf den Aufenthalt vorbereitet“, berichtet die Gemündenerin. Wir, das waren Jeanette Gumpp und drei Siebtsemester der Universität Witten/Herdecke. 2008 wurde dort das Studentenprojekt ins Leben gerufen, das die Zahnärztekammer als Praktikum anerkennt und das Unternehmen der Pharmaindustrie unterstützen. Seitdem arbeiten vier Studenten pro Jahr für drei Wochen in dem Entwicklungsland.
Wie wichtig die Hilfe aus Deutschland für die Menschen in Myanmar ist, sollten Jeanette Gumpp und ihre Kommilitonen schon kurz nach der Ankunft erfahren. Noch deutlicher wurde das aber in den zwei Wochen Einsatz auf dem flachen Land. Ausgestattet mit allem, was eine mobile Zahnarztpraxis braucht, gingen die Studenten auf die Reise. „Wegen der Menge an Material mussten wir 700 Euro für das Übergepäck bezahlen“, berichtet Jeanette Gumpp. Dabei kam ihnen die Fluggesellschaft preislich sogar entgegen.
Verschiedene Stationen sollten die medizinischen Helfer aus Deutschland durchlaufen. „In der ersten Woche haben wir in der Hauptstadt Naypyidaw in einer Klinik praktiziert und die Zahnärzte dort unterstützt.“ In dieser Einführungswoche lernten die Gäste einiges über Land und Leute und die sehr einfache Lebensweise kennen. Was in Deutschland selbstverständlich ist, wie die ständige Verfügbarkeit von Strom oder fließendem Wasser, gilt in Myanmar als Luxus. „Nach unserer Ankunft konnten wir einmal duschen während der ganzen Zeit“, berichtet die Studentin. Allerdings nur mit kaltem Wasser und einem dünnen Strahl.
Im Schein der Taschenlampe
„Während die ärztliche Versorgung in den Städten als gut zu bezeichnen ist, sieht das auf dem Land ganz anders aus“, berichtet Gumpp. Gemeinsam mit einem Zahnarzt aus der Hauptstadt begaben sich die angehenden Zahnärzte aus Deutschland in der zweiten Woche aufs Land und in ein Abenteuer. In einem Ort am Inle-See hatte die Bevölkerung den Besuchern ihren Meditationsraum zur Verfügung gestellt. Die Zahnmediziner behandelten die Patienten im Schein der mitgebrachten Solarstirnlampen, denn Strom stand selten zur Verfügung. Viele Einheimischen litten unter starken Schmerzen und hatten sehr lange auf die Behandlung gewartet. „Die waren dann sehr dankbar“, sagt Jeanette Gumpp.
Mit Mopeds oder Ochsenkarren kamen ganze Familien zur zahnmedizinischen Behandlung. „Wir haben alles gemacht: von der einfachen Zahnreinigung bis hin zur Extraktion.“ Etwa 50 Zähne hat die Gemündenerin bei dem Aufenthalt in dem südostasiatischen Land gezogen.
In Zusammenarbeit mit einem Zahntechniker fertigten die Studenten sogar Total- oder Teilprothesen an, nur Brücken konnten sie nicht herstellen. „Es war einfach abenteuerlich, unter total einfachen Verhältnissen zu arbeiten, und es hat funktioniert“, freut sich die angehende Zahnärztin. An einem Tag untersuchte sie Kinder aus vier Schulklassen und behandelte sie. Aus einem nahe gelegenen Kloster kamen alle Mönche.
Abenteuerliche Reise
Aber es sollte noch eine weitere abenteuerliche Woche auf die vier Studenten zukommen. Um nach Bagan, eine völlig ländliche Region, zu kommen, musste sie per Kleinbus das Gebirge überwinden. „Mitten im Nichts“ verbrachten sie die letzte Woche ihres Aufenthalts in Myanmar – „in einer ganz anderen Welt“. Allerdings mit Kontakten nach Deutschland, denn ein Deutscher hat dort eine Schule aufgebaut. Für eine knappe Woche wurde das Schulgebäude zu einer großen Zahnarztpraxis umfunktioniert.
Doch nicht nur längst überfällige Zahnbehandlungen nahmen die vier Studenten vor, vielmehr lag das Hauptaugenmerk auf der Prophylaxe. „Die meisten hatten noch nie zuvor in ihrem Leben eine Zahnbürste in der Hand gehabt“, erzählt Jeanette Gumpp. Mit einer Handpuppe, dem Zahnputzkrokodil „Joe“, vermittelten die Deutschen den Kindern, wie sie die Zähne putzen sollen. „Etwa 1700 Zahnbürsten und die dazu gehörende Zahncreme“ gaben sie aus.
Noch vor einem Jahr war es in Myanmar nicht möglich, dass Studenten so frei Patienten behandeln durften. Der Übergang von der Militärdiktatur in eine Präsidialdemokratie war noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Helfer selbstständig arbeiten konnten. Nun gibt es die staatliche Genehmigung dafür.
Für Jeanette Gumpp und ihre Kommilitonen waren die drei Wochen reich an persönlichen Entbehrungen, aber auch reich an neuen Erfahrungen. Die Zeit und die Arbeit haben sie geprägt. Einfache, für uns selbstverständliche Alltagssituationen, wie beim Aufdrehen eines Wasserhahns oder beim Schlafen auf einer weichen Matratze, erinnern die Studentin noch Wochen später an die Zeit in Myanmar. Viele Schicksale hat Jeanette Gumpp bei dem dreiwöchigen Hilfsaufenthalt kennengelernt und sie hat viel Leid gesehen. Ein Schicksal hat sie aber besonders berührt, das eines Mannes mit einem großen Tumor am Hals. Im zivilisierten Deutschland würde eine Operation keine besondere Herausforderung für die Ärzte darstellen. In Myanmar fehlen jedoch die ärztlichen und finanziellen Möglichkeiten.
Trotzdem hat sie Myanmar als ein aufstrebendes Land kennengelernt. Viele Einrichtungen in der Hauptstadt Naypyidaw unterscheiden sich kaum von denen in westlichen Ländern. Das Internet ließ auch die Verbindung in die Heimat zu.
Der Aufenthalt hat bei Jeanette Gumpp einen tiefen Eindruck hinterlassen. Deshalb will sie sich weiter in dem Hilfsprogramm engagieren, zum Beispiel bei der Weiterbildung von Ärzten aus Myanmar in Deutschland. Dafür will sie sich einsetzen, denn ein Zahnarzt in der Hauptstadt verdient etwa 150 Dollar im Monat, der Flug nach Deutschland kostet etwa 1000 Dollar.