Die gute Nachricht zuerst: Die Mehlschwalben haben ihre Nester am Generatorenhaus der Schleuse Steinbach nun doch noch bezogen. Nachdem die Tiere der Rote-Liste-Art vor einigen Wochen bei ihrer Rückkehr aus dem Winterquartier von einem mit Netzen bespannten Gerüst von ihren Brutstätten ferngehalten worden waren, herrscht nach Abbau des Gerüsts an dem Gebäude mittlerweile reger Flug- und Brutbetrieb. Noch offen sind indes die Konsequenzen des Vorgangs. Im Raum steht ein Verstoß gegen das Artenschutzgesetz. Letztendlich wird die Staatsanwaltschaft Würzburg entscheiden müssen, ob es Sanktionen für die Verantwortlichen geben soll.
Rückblick: Als die Schwalben im April aus Afrika zurückkehrten, war das Generatorenhaus der Schleuse komplett eingerüstet. Grund war die Erneuerung des Daches des Gebäudes. Das Gerüst und die an ihm befestigten Netze verhinderten, dass die als absolut standorttreu geltenden Vögel ihre rund 35 Nester beziehen konnten. Durch einen Hinweis eines Naturschützers wurde das Landratsamt auf die Situation aufmerksam.
Hinweise bei Ortstermin
Mitarbeiter machten sich vor Ort ein Bild. Danach erstattete das Landratsamt Anzeige bei der Polizei. Es handle sich um einen "schweren Verstoß gegen das Artenschutzgesetz", so die Einschätzung der Behörde. Trotz der Anzeige änderte sich an den Zuständen vor Ort jedoch über Wochen nichts. Die Anzeige selbst geriet wegen einer offenbar falschen Ortsangabe zunächst zu einem Irrläufer zwischen den Polizeiinspektionen Lohr und Marktheidenfeld. Dass sich das Landratsamt unabhängig davon nicht sofort darum bemühte, dass das Gerüst abgebaut und den Schwalben so der Weg frei gemacht wird, erklärte die Behörde damit, dass man nicht gewusst habe, wer zuständig sei.
Betreiber und Eigentümer des Schleusenkraftwerks ist die Firma Uniper. Dort wusste man zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Anzeige. Pressesprecher Theodoros Reumschüssel zeigte sich gegenüber dieser Redaktion seinerzeit verwundert über die Probleme. Es sei doch im Vorfeld alles mit der am Landratsamt angesiedelten Unteren Naturschutzbehörde abgesprochen gewesen, sagte er.
Dieser Darstellung indes haben die beteiligten Behörden mittlerweile gegenüber dieser Redaktion widersprochen. Die Obere Naturschutzbehörde (Regierung von Unterfranken) und die Untere Naturschutzbehörde (Landratsamt Main-Spessart) betonen gemeinsam, dass es im Vorfeld der Bauarbeiten lediglich ein "telefonisches Beratungsgespräch" mit Uniper gegeben habe.
Einschätzung der Behörde
Nach den dabei vom Unternehmen gemachten Angaben sei davon auszugehen gewesen, dass die Bauarbeiten vor Rückkehr der Schwalben abgeschlossen sein würden. Auch sei erklärt worden, dass der Bereich der Nester beim Gerüstbau ausgespart werden könne. Wegen dieser Schilderungen habe man der Firma im Telefonat mitgeteilt, dass das Vorhaben artenschutzrechtlich unbedenklich sei, so die Behörden.
Doch dann stand das Gerüst deutlich länger als besprochen und über die Rückkehr der Schwalben hinaus. Nach Aussage der Regierung hätte Uniper sich deswegen erneut mit der Naturschutzbehörde in Verbindung setzen müssen. Stattdessen erfuhr die Regierung Mitte Mai erst durch die Presse von der Misere.
In der Folge machten sich zwei Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde ein Bild vor Ort. Man habe dort angetroffene Arbeiter auf die Missstände und die Rechtslage aufmerksam gemacht, so die Behörde. Die Verantwortlichkeit für das Aufstellen des Gerüstes sei vor Ort jedoch nicht zu klären gewesen.
Die Strafanzeige sei "unabwendbar" gewesen, so die Pressestelle des Landratsamtes weiter. Die Schwalben hätten aufgrund des Gerüstes nicht nur die Nester nicht mehr anfliegen können. Es seien auch mindestens zwei bis drei Nester der geschützten Art entfernt worden.
Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet das Stören sowie Entfernen von Fortpflanzungsstätten geschützter Arten. Laut juristischer Einordnung des Landratsamtes ist die Ahndung im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit denkbar, wobei ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro möglich wäre. Es könne sich aber auch um eine Straftat handeln, sofern Vorsatz im Spiel gewesen sein sollte. In diesem Fall reicht das Strafmaß formal von einer Geld- bis zu einer Freiheitsstrafe.
Die Lohrer Polizei ermittelt nun, wer für den Gerüstbau verantwortlich war. Wie deren Chef Wolfgang Remelka gegenüber der Redaktion erklärte, ist denkbar, dass sowohl die Gerüstbaufirma als auch Uniper als Betreiber des Kraftwerks verantwortlich sein könnten.
Als völlig unangebracht bezeichnet Remelka den Vorwurf, wonach die Behörden bei dem Vorgang versucht hätten, irgendetwas unter den Tisch zu kehren. Die Mitarbeiter der Naturschutzbehörden nähmen seiner Erfahrung nach ihre Aufgabe sehr ernst. Natur- und Artenschutz seien für sie nicht Beruf, sondern Berufung, so der Polizeichef über die Naturschutzbehörde.