Sie gehen zurück bis ins Jahr 1866, stammen somit aus einer Zeit, in der in weiten Teilen des Spessarts bittere Armut herrschte: die Spessartforstrechte. Im Zuge der seit Monaten köchelnden Diskussion um einen möglichen Nationalpark im Spessart sind diese alten Rechte, die den Bewohnern des Spessarts ihr Brennholz sichern sollen, brandaktuell. Denn wenn es um sein Brennholz geht, versteht der Spessarter keinen Spaß.
Doch was genau verbirgt sich hinter den Holzrechten? Wem stehen sie zu? Wie werden sie ausgeübt? Und: Was würde ein Nationalpark für die Spessartholzrechte bedeuten?
Es sind 44 Gemeinden im Spessart, für die die Holzrechte gelten. Laut Walter Schreck, dem Vorsitzenden des Verbandes der Spessartforstberechtigten, leben in diesen Gemeinden rund 65 000 Menschen. Ihnen allen steht das Holzrecht zu, freilich übt nur ein Bruchteil dieses Recht aus.
Wohl keiner würde das Holzrecht heute noch in Anspruch nehmen, wenn ausschließlich die Urversion aus dem Jahr 1866 Bestand hätte. Damals wurde den Spessartbewohner lediglich das kostenlose Einsammeln von Holzstücken von weniger als 88 Zentimeter Länge und 4,4 Zentimeter Dicke zugestanden. Dimensionen, mit denen sich heute kaum ein Brennholzmacher abgibt.
„Wir geben die Holzrechte auf keinen Fall auf.“
Dass die Holzrechte heute im Spessart dennoch eine Rolle spielen, liegt an einer Veränderung aus dem Jahr 1978. Damals passten die Staatsforstverwaltung und der Rechtlerverband die alten Modalitäten durch eine Vereinbarung über das „erleichterte Oberholzrecht“ an die neuen Zeiten an.
Seither dürfen die Rechtler im Rahmen des Eigenbedarfs ohne Längen- und Stärkenbegrenzung alles Holz aufarbeiten, das nach Abschluss und Freigabe von Holzhieben noch unaufgearbeitet im Wald liegt. Auch der Einsatz von Motorsägen und Fahrzeugen ist erst durch die Vereinbarung aus dem Jahr 1978 offiziell gestattet.
Die Zugeständnisse erfolgten 1978 ausdrücklich in „jederzeit widerruflicher Weise“. Rein formal könnte der Staat die Forstrechte also problemlos auf das ursprüngliche Maß aus dem Jahr 1866 zurücksetzen, was in der Praxis wohl gleichbedeutend mit einem vollkommenen Bedeutungsverlust dieser Rechte wäre.
Rechteausübung zeitlich begrenzt
Die Ausübung der Holzrechte ist zeitlich eng begrenzt. Es gibt zwei jeweils dreiwöchige Nutzungsfristen, die zwischen dem 15. November und dem 30. April des Folgejahres angesetzt werden. Selbst innerhalb dieser Fristen dürfen die Holzrechtler nur an den Dienstagen, Freitagen und Samstagen in den Wald.
Dort sind die Holzschläge dann nicht selten schon ausgelesen, weil der Staatsforst wo möglich zunächst so genannte Selbstwerber in die Bestände lässt, um diese gegen Bezahlung Brennholz machen zu lassen. Nur das, was danach noch übrig ist, steht den Holzrechtlern kostenlos zu.
In der Praxis dürfte heute der größere Teil des im Spessart gewonnenen Brennholzes außerhalb der für die Holzrechtler bestimmten Tage und somit auch außerhalb der im Spessartholzrecht geregelten Bedingungen gemacht werden.
Das Spessartholzrecht in seiner klassischen Form hat daher heute nicht mehr die Bedeutung, die es früher einmal hatte.
Federführend bei der Abwicklung der ausschließlich an den Staatswald geknüpften und hierfür ins Grundbuch eingetragenen Holzrechte ist für den gesamten Spessart der Forstbetrieb Rothenbuch. Er informiert alljährlich den Rechtlerverband über die Termine und die für die Rechtler freigegebenen Waldgebiete. Diese Informationen werden in Mitteilungsblättern abgedruckt.
Nicht selten treten die Holzberechtigten gleichzeitig auch als klassische Selbstwerber auf. Das bedeutet: Sie machen gegen Bezahlung stärker dimensioniertes Brennholz, das bei dieser Gelegenheit anfallende dünnere Holz jedoch wird ihnen kostenlos als Rechtlerholz überlassen, selbst dann, wenn es nicht an den festgelegten Rechtlertagen gemacht wurde.
Walter Schreck, der Vorsitzende des Rechtlerverbandes, schätzt, dass im Bereich des Forstbetriebes Rothenbuch pro Jahr rund 4000 Ster Rechtlerholz aufgearbeitet werden. Allein in seiner Gemeinde Weibersbrunn nutzten 80 bis 90 Familien das Holzrecht, sagt der Bürgermeister.
Weil er befürchtet, dass ein Nationalpark im Spessart die Ausübung der Holzrechte blockieren würde, positioniert sich Schreck klar gegen das Schutzgebiet. Der Rechtlerverband habe bei seiner jüngsten Versammlung im September mit Blick auf die Nationalparkdiskussion einen Beschluss gefasst. Schreck fasst ihn so zusammen: „Wir geben die Holzrechte auf keinen Fall auf.“ So weit, dass die Holzrechtler bei ihrer Versammlung eine Resolution gegen den Nationalpark beschlossen, kam es jedoch nicht.
Ein Nationalpark im Spessart hätte unbestreitbar Einfluss auf die Ausübung der Spessartholzrechte. Denn: Wo keine Holzernte mehr stattfindet, würde auch kein Oberholz für die Brennholzrechtler anfallen. Einen Anspruch, dass im Staatswald Holz geerntet werden muss, damit die Holzrechtler zum Zug kommen, gibt es nicht. In der mindestens 7500 Hektar umfassenden Kernzone eines Nationalparks wären die Spessartforstrechte damit Geschichte.
Dass es jedoch Wege gibt, auch in einem Nationalpark den Brennholzbedarf der örtlichen Bevölkerung zu decken, zeigt ein Blick in den erst 2015 gegründeten und somit jüngsten deutschen Nationalpark im Hunsrück.
Dort wurde im Vorfeld der Nationalparkgründung in Zusammenarbeit mit den Kommunen eigens ein Konzept entwickelt, um die ortsnahe Brennholzversorgung der Bevölkerung in 19 Gemeinden langfristig zu garantieren.
Im Hunsrück neue Lösung gefunden
Das Konzept sieht vor, dass sämtliches Holz, was in der ein Viertel des Nationalparks umfassenden Randzone bei Pflegeeingriffen anfällt, ausschließlich zu Brennholz wird. Außerdem hat man im an den Nationalpark angrenzenden Staatswald eigens Brennholzzonen rund um die Gemeinden ausgewiesen. In diesen Zonen haben die Ortsansässigen das Erstzugriffsrecht. Die Forstämter nehmen den Holzbedarf der Bevölkerung auf und organisieren die Deckung desselben.
Hans-Joachim Brusius, der zuständige Mitarbeiter des Nationalparks sagt über das Konzept: „Damit war die Diskussion weitgehend erledigt.“ Das erste Jahr habe gezeigt, dass das Verfahren gut funktioniere.
Walter Schreck vom Verband der Spessartholzrechtler hat seine Zweifel, ob ein solches Konzept die jetzige Brennholzgewinnung im Spessart ersetzen kann. Klar ist für ihn, dass im Fall der Fälle ein solches Konzept nur zusammen mit den Holzrechtlern erarbeitet werden könnte: „Die Leute müssten damit einverstanden sein.“
Ihn treibe als Bürgermeister einer Spessartgemeinde beim Thema Nationalpark jedoch nicht nur die Sorge um das Brennholz um, sondern noch ganz andere Themen, so Schreck. In seiner Gemeinde Weibersbrunn stünden Investitionen in die Wasserver- und Abwasserentsorgung an. „Da würde ich schon gerne wissen, was ein Nationalpark für solche Projekte bedeuten würde“, hofft der 55-Jährige darauf, dass aus München bald konkrete Infos kommen.