Wer Geschwister hat, kennt das: Der alltägliche Streit, wer von den Eltern bevorzugt und mehr geliebt wird, wer die größeren Geschenke bekommt oder mehr Hausarbeiten machen muss als die anderen. Oder dann als Erwachsener: Wer bekommt innerhalb der Firma mehr Gehalt als die anderen, wer hat den attraktiveren Job? Wer ist vom Leben begünstigt und hat immer Glück? Bei der Partnerwahl, bei der Wohnungssuche, bei der Wahl des Urlaubsziels und und und . . .
Hinter all diesen Themen steckt die urmenschliche Angst, dass ich mit meinen Bedürfnissen, Wünschen und Anliegen zu kurz kommen könnte, dass mir andere etwas wegnehmen oder dass es meinen Mitmenschen gut geht, nur mir nicht. Es verbirgt sich das Bedürfnis nach Wahrnehmung, Wertschätzung und Anerkennung.
Manchmal wenn ich mir Zeit nehme und zur Ruhe kommen kann, merke ich, wie gut es mir oft mit meinem Leben geht. Ich nehme wahr, dass ich täglich reich beschenkt werde: Gesundheit, ein Zuhause, einen sicheren Arbeitsplatz, eine intakte Partnerschaft, Freunde, die mich verstehen oder auch viele schöne Alltäglichkeiten. Sicherlich hat keiner von uns immer alle diese genannten Gründe, um sich über das Leben zu freuen. Vielleicht plagt mich gerade eine Krankheit oder mit meiner Ehefrau hat es gerade einen Streit gegeben, der mir noch nachgeht.
Dennoch wird hoffentlich niemand von sich sagen können: Ich habe keine Freude in meinem ganzen Leben erlebt; niemand hat mir ein Lächeln geschenkt; ich habe keine Liebe erfahren.
Es bleibt aber bei vielen immer wieder das Gefühl: Ich komme zu kurz. Und diesen Eindruck kann man einem Menschen nicht so leicht nehmen. Vielleicht hilft aber der Gedanke, dass uns allen von Jesus verheißen ist, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben. Wenn ich das zulasse und merke, wie beschenkt ich bin, brauche ich mich nicht ständig mit anderen zu vergleichen oder auf sie neidisch sein, weil es ihnen besser geht und sie mehr haben, sondern ich kann mich mit ihnen und für sie freuen; denn auch sie haben das Leben in Fülle verheißen bekommen. Dann gelingt es uns möglicherweise, gerne zu teilen und nicht auf unserem Besitz zu beharren und ihn nur zu verwalten.
Menschen, die zu uns als Flüchtlinge kommen, hoffen darauf, dass wir teilen. Auch sie erleben oft, dass sie zu kurz gekommen sind. Was werden wir ihnen sagen und wie werden wir uns verhalten?