
Eine der wichtigsten Erfahrungen in meinem Leben lautet: Ohne die anderen schaffe ich das nicht! Ohne den oder die andere geht es nicht! Und ich bin da nicht allein, denn Menschen erleben genau das, wenn sie mit ihrem Können und Wissen nicht weiterkommen. Den Alltag zu meistern, das Gelingen unserer Pläne oder das Gelingen eines sinnvollen Lebens überhaupt, hängt eben nicht allein vom einzelnen ab. Ich brauche andere Menschen, die mir beistehen und mich begleiten: in der Kindheit, als Jugendlicher - und das bleibt so bis ins Alter.
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung!“ - „Der Mensch wird am Du zum Ich!“ Kaum je wurde das Geheimnis des Menschen so auf Punkt gebracht wie es Martin Buber, der jüdische Religionsphilosoph in seinem Werk zusammenfasste. Wir alle braucht dieses Du. Erst in der Begegnung wird mir Ansehen und Würde zuteil und ich erfahre mich zugleich wertgeschätzt - als Du und Ich. Wenn Menschen sich nicht in dieser Weise begegnen oder es ihnen sogar verweigert wird, drohen Einsamkeit und ein Verlust an Vertrauen, oder eine wachsende Selbstsucht und Ausgrenzung, weil andere schnell zur Gegnerin oder zum Feind werden. Es schwinden schnell die Hoffnung und die Freude auf ein gelingendes Miteinander.
Aber: ein Begegnen auf Du und Du ist ein Geschenk. Ich kann mich dafür öffnen und dazu bereit sein, aber ich kann es nicht machen. Oft merke im Nachhinein: Das war ein gutes Gespräch, eine erfüllende Begegnung, da war Zuhören und Ansehen und Achtsamkeit füreinander. Ich bin davon überzeugt, dass ein menschliches Miteinander und Zusammenleben davon leben, ob uns wirkliche Begegnungen gelingen mit den Menschen, die unsere Lebenswege kreuzen – gewollt oder zufällig.
Schon Paulus macht sich immer wieder Sorgen über das Leben in den seinen Gemeinden und wie sich Christen untereinander begegnen sollen. Er weiß, wie ein menschliches Miteinander im Geiste Jesu erst möglich werden kann. Seine Weisung, die er zugleich als Herausforderung und Zumutung versteht, lautet: „Einer trage des anderen Last!“ (vgl. Gal 6,2). Wir sind nicht allein, wenn wir nicht nur uns im Blick haben, sondern sehen, wie die Menschen um uns herum genauso auf der Suche sind, wie das Leben gemeistert werden und gelingen kann. Da ist vieles zu tragen und zu ertragen. Wir kennen die Lasten nur zu gut, die uns allen aufgeladen sind – jeden Tag neu! Wir brauchen einander, denn die Last des Lebens trägt sich besser gemeinsam. Und ich bin beschenkt, wenn ich genau das spüren darf. Der unverhoffte Gruß, das freundliches Wort, die hilfreiche Geste, das Hinschauen und der mitfühlende Blick, das geduldige Zuhören sind ersehnte Merkzeichen einer Kultur der guten Begegnung. Und nichts davon ist so selbstverständlich, dass wir es übersehen oder geringachten dürfen.
Ich wünsche Ihnen in diesen Tagen viele gute Begegnungen!
Der Autor: Klaus Becker ist Vorsitzender der St. Rochus Sozialstation, Lohr a. Main