Im Religionsunterricht in der zwölften Klasse dachten wir über die Bedeutung des christlichen Glaubens in einer modernen Welt nach: Wie soll das denn zusammen gehen, der Glaube an einen Heiland, der Schwäche zeigt und sich ans Kreuz schlagen lässt, und auf der anderen Seite das Lebensgefühl einer Spaßgesellschaft, die Leiden scheut und ausgrenzt?
Schon die jüdischen Gläubigen zur Zeit Jesu erwarteten einen starken Retter, der mit mächtiger Hand Gerechtigkeit, Gesundheit und Befreiung bewirkt. Von Anfang an musste das Christentum tatsächlich seine Ernsthaftigkeit und Leidensthematik gegen große Widerstände behaupten. Auch die Religion der alten Griechen war ziemlich heiter, allerdings nur für die Gesunden. Diese stellten sich ihre olympischen Götter als Helden voller Mut und Manneskraft vor. Die Göttinnen verehrten sie als Muster von Schönheit und Anmut. Dem entsprach das gesellschaftliche Ideal: Stärke, Jugendlichkeit, Schönheit standen hoch im Kurs. Wohlstand und Erfolg waren wichtiger als soziales Verhalten. Mitleid und Solidarität galten als schwächlich – also ähnlich wie bei uns.
Dagegen steht das Bild des leidenden Jesus. Barmherzig begegnete er allen Menschen, legte seine Finger auf die Wunden der Starken, leuchtete in die dunklen Ecken der großen Blender, sah die Bedürftigen und Schwachen, trat ein für Frauen und Fremde, heilte die Kranken, kümmerte sich um Kinder und Krüppel, um Trauernde und seelisch Belastete… Seine Liebe ging so weit, dass er wehrlos blieb, als ihn die Mächtigen seiner Zeit ergriffen. Am Ende legten sie ihn auf's Kreuz, nagelten ihn fest und schafften ihn damit scheinbar aus dem Weg.
Doch nur scheinbar. Denn gerade diese vermeintliche Schwäche, dieser konsequente Weg des Leidens und der Liebe erwies sich als die weltverändernde Macht. Darum müssen wir das Bild vom gekreuzigten Christus zulassen, im Herzen und im Verstand. Denn ohne den Leidensweg Jesu bliebe sein Evangelium platt und leer.
Die Botschaft von der grenzenlosen Liebe Gottes ist ohne Jesu Leben und Leiden, ohne seinen Tod und seine Auferstehung nicht zu haben. Diese Botschaft kann in uns Kräfte freisetzen, sodass wir bereit sind, notfalls auch Unangenehmes und Leidvolles auf uns zu nehmen, um in dieser Welt etwas zum Guten zu verändern. Glaube muss nicht Spaß machen. Denn Spaß vergeht und bewirkt auf Dauer nichts. Unser Glaube muss Substanz bekommen, damit wir das rettende Handeln Gottes wahrnehmen und wirken lassen. In unserer Religion geht es nicht um Spaß, sondern um innere Heilung und Frieden. Das macht vielleicht keinen Spaß im Alltag – aber es bringt Freude für's Leben. Ich wünsche Ihnen ein heilvolles Wochenende, einen gesegneten Palmsonntag und eine besinnliche Karwoche.
Der Autor: Pfarrer Bernd Töpfer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Michelrieth.