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Lohr
Wort zum Wochenende: Lass dich überraschen!
Bearbeitet von Pressemitteilung
 |  aktualisiert: 21.05.2024 02:45 Uhr

Kürzlich ist sie mir nach langer Zeit wieder einmal begegnet. Hochgewachsen stand sie am Fenster, sah etwas blass aus und wirkte sehr verletzlich. Sie gehört zum lebenden Inventar eines altdeutschen Wohnzimmers, die Zimmerlinde. Dort liebt sie einen kühlen Platz ohne grelles Sonnenlicht, am besten hinter einer Gardine. Spontan denke ich dabei an den Gedichtband von Kurt Marti mit dem Titel „Der Heilige Geist ist keine Zimmerlinde“.

In vielen seiner Gedichte hat der Schweizer Pfarrer und Poet versucht, das Unbeschreibliche des Lebens und des Glaubens in Worte zu fassen. Ein Wahrheits-Sucher war er, der mit seinen kurzen Gedichten zum Nachdenken und Schmunzeln angeregt hat.

Wenn der Heilige Geist, dessen Fest wir am Sonntag feiern, so etwas wie eine Zimmerlinde wäre, dann gäbe es viele Befreiungsgeschichten nicht und die kleine Gruppe um Jesus hätte sich nach seinem Tod in Trauer und Enttäuschung aufgelöst. Stattdessen gab es immer wieder Überraschungsmomente. „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ (Apostelgeschichte, Kapitel 10). Das sagte Petrus, als er im Haus des römischen Hauptmanns zum Essen eingeladen war. Eigentlich ein absoluter Tabubruch, doch Petrus wird während des Besuchs klar: Wenn Gottes Geistkraft wirkt, dann darf der Mensch sich nicht dagegenstellen.

Faszinierend ist, wie Gottes Geist die Vorläufigkeit von religiösen Vorschriften überwindet, wo sie Menschen ausgrenzen und für unrein oder unwürdig erklären.

In den Fragen unserer Zeit brauchen wir solche Momente von ehrlicher und gemeinsamer Wahrheitssuche und von heiliger Geist-Kraft in unseren Begegnungen. Wir brauchen Aufbrüche aus erstarrten Gewohnheiten und ängstlichen Abgrenzungsversuchen in Kirche ebenso wie im gesellschaftlichen Miteinander. Das kann verbunden sein mit Enttäuschungen und schmerzlichen Abschieden. Doch ich bin überzeugt, die Antworten werden sich finden. Lass dich überraschen!

Foto: Ute Müller

Der Autor: Heinz Weigand ist Pastoralreferent und Klinikseelsorger am Bezirkskrankenhaus Lohr

 
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