In den letzten 200 Jahren gingen die Geschichtsforscher davon aus, dass es sich bei dem geheimnisvollen Ort Locoritum auf der knapp 2000 Jahre alten Germanien-Karte von Claudius Ptolemäus um Lohr handeln könnte. Das jedoch glaubt der Heimatforscher und frühere Diplomat Wolfgang Vorwerk nicht. Am Dienstagabend erläuterte er einem rund 80-köpfigen Publikum im Saal des alten Rathauses seine Hypothese, dass es sich bei Locoritum um Langenprozelten handelt.
Laut Vorwerk ist Locoritum der einzige Ort zwischen der römischen Garnisionsstadt Mainz (Mogontiacum) und Bergium, einem aufgelassenen Römerlager bei Marktbreit, der in der Ptolemäus-Karte genannt wird. Aufgrund dessen komme ihm eine besondere Bedeutung zu.
Problematische Karte
Das Problem mit der Karte sei, dass Ptolemäus eine falsche Größe der Erde angenommen habe. Deshalb sei die Karte im Rahmen der Altwegeforschung im Jahr 2010 von einer interdisziplinären Forschergruppe der TU Berlin neu berechnet worden. In diesem Zusammenhang sei die Annahme, dass Locoritum mit Lohr gleichgesetzt werden könne, erneut bestätigt worden. Allerdings blieben laut Vorwerk bei der Übertragung der Ptolemäus-Karte in heutige Koordinaten Spielräume in der Größenordnung von einigen Kilometern.
Die überwiegende Ptolemäus-Forschung hat seinen Worten nach bislang Lohr mit Locoritum gleichgesetzt – ohne sich mit der Bedeutung dieses antiken Ortsnamens zu befassen.
Laut Vorwerk weist der zweite Bestandteil des Wortes Locoritum auf etwas hin, was Lohr nie hatte: eine historisch belegte Furt. Ritum ist laut Vorwerk die latinisierte Form des keltischen Begriffs „ritu“, was Furt bedeute. Demnach müsse Locoritum an einem Flussübergang und damit an einer schon in keltischer Zeit genutzten Straße gelegen haben.
Damit scheide Lohr als das antike Locoritum aus, denn es sei dort keine Furt nachweisbar, lediglich eine Fährverbindung. Zudem sei Lohr keiner überregionalen Altwegeverbindung durch den Spessart zuzuorden.
Anders sieht die Sache laut Vorwerk für die beiden neun Kilometer mainaufwärts von Lohr liegenden Orte Langenprozelten und Hofstetten aus. Die beiden sich am Main gegenüberliegenden Orte hatten laut Vorwerk eine ganzjährig passierbare Main-Furt, die Bestandteil der Birkenhainer Straße gewesen sei, eine der von alters her wichtigsten Ost-West-Verbindungen im Spessart.
Vorwerk geht davon aus, dass mit Locoritum Langenprozelten gemeint war, nicht Hofstetten. Denn kommend vom Garnisonshauptquartier in Mainz sei Langenprozelten der erste Ort nach der Spessart-Überquerung auf der Birkenhainer Straße gewesen, das Tor zum ostfränkischen Raum.
Viele Wege
Locoritum war laut Vorwerk ein Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen seinen Worten nach um 50 nach Christus für Römer und Germanen wichtige Wege zusammen: die Wasserstraße Main mit Sinn und Saale, die Birkenhainer Straße, die auf der fränkischen Platte ihre Fortsetzung gefunden habe sowie Wege aus dem Raum Fulda und Bad Wimpfen.
Karl Anderlohr, der Vorsitzende des Lohrer Geschichts- und Museumsvereins, dankte Vorwerk für dessen „hochinteressanten Vortrag“. Zwar gebe es aus seiner Sicht einige Dinge, die gegen die dargelegte Hypothese sprächen, allerdings habe Vorwerk auch einige seiner Bedenken ausgeräumt, so Anderlohr.