Seit einem Vierteljahr gibt es im Mädchenbildungswerk der Gemündener Kreuzschwestern die „offene Lernwerkstatt“. Schülerinnen können jeweils donnerstags unter fachkundiger Anleitung in Gruppen lernen und länger zurückliegenden Stoff in den Hauptfächern wiederholen. MBW-Direktor Robert Wolz hat nun eine erste, durchweg positiv ausgefallene Zwischenbilanz zu diesem ungewöhnlichen Projekt gezogen.
Eltern und Schüler brachten vor Einführung der Lernwerkstatt immer wieder zum Ausdruck, dass oftmals relativ kleine Wissenslücken, die allerdings in manchen Fächern grundlegende Bedeutung haben, schlechte Noten zur Folge haben, berichtet Wolz. Als Beispiel nennt er die in Latein wichtigen Strukturen, wie das Partizip Perfekt Passiv oder den Akkusativ mit Infinitiv, die man vielleicht schon vor ein oder zwei Jahren gelernt hat, die aber aus den unterschiedlichsten Gründen noch nicht oder nicht mehr verfestigt sind.
Im Schulalltag unmöglich
Ähnlich stelle sich die Situation in den weiteren Hauptfächern Mathematik, Englisch, Französisch und Deutsch dar, die in der Lernwerkstatt angeboten werden. Im normalen Schulbetrieb sei es aufgrund der Zeitvorgaben für den Lernstoff nicht möglich, solche individuellen Schwächen durch mehrmaliges Wiederholen abzustellen, sagt Wolz. Der Direktor legt Wert darauf, dass die Lernwerkstatt zwar dem Schließen von Lücken, aber keineswegs als „Rettungsanker“ für bevorstehende Schulaufgaben dient. Die Lernwerkstatt sei keine Nachhilfe im klassischen Sinn.
Die Fachlehrkräfte sind zwar anwesend, stellen auch Aufgaben zur Verfügung und helfen bei speziellen Fragen weiter, es bestehe aber keinerlei Verpflichtung oder Zeitregelung. Außerdem liegen die Unterlagen zum Nachschauen bereit. „Und es darf auch gespickt werden“, sagt Englischlehrerin Marietta Sommer-Fröhlich, die gerade einer sechsköpfigen Gruppe zur Seite steht. Sie verweist auf die Rückwand des Klassenzimmers, an der auf mehreren Plakaten häufig gebrauchte Wörter, Redewendungen und Grammatikregeln vermerkt sind.
Zeitgleich sind die Lehrerinnen Andrea Feser (Französisch), Gabriele Bayerschmidt (Latein), Elke Neumann-Hess (Deutsch) und Henrike Hohmann für Mathematik im Einsatz. Nachdem der Pressebesuch am vorletzten Tag vor den Ferien stattfand, hielt sich der Ansturm in Grenzen. Immerhin sieben Schülerinnen aus der Realschule und dem Gymnasium wollten bei Henrike Hohmann ihre Mathekenntnisse verbessern und arbeiteten an ihren Aufgaben.
Reger Zuspruch
„Es sind sonst immer über ein Dutzend, es waren aber auch schon mal 27 da“, sagt die Diplom-Mathematikerin, die den Erfolg der Einrichtung bestätigt: „Einmal wöchentlich ist nicht zu viel, alles ist freiwillig, es muss niemand bis zum Schluss bleiben, die Schülerinnen helfen sich auch gegenseitig und man kann gezielt die Schwächen angehen. Dadurch ist die Lernwerkstatt sehr effektiv.“
Für Lateinlehrerin Gabriele Bayerschmidt ist es wichtig, dass die Kinder frei und konzentriert üben können, begleitet von der Lehrkraft, aber ohne den Druck der normalen Schulstunde. So könne man die Lücken in den Stoffgebieten nacheinander abarbeiten. Das führe dann wieder zur notwendigen Sicherheit, die zum Weiterlernen motiviert. Bei eklatanten Schwächen empfehle man schon einmal gezielte Nachhilfestunden.
Ähnlich argumentieren die Schülerinnen. Marisa Nabernik, Realschülerin in der Klasse 6a, findet es gut, dass man die Aufgaben nicht alleine lösen muss: „Man kann sich austauschen und fragen. Es bringt was, die Noten werden besser“, sagt sie und wendet sich wieder der Multiplikation und der Division von Dezimalbrüchen zu. Ihre Schulkameradin Annika Heeschen aus der 8b findet es einfach praktisch, erst in der Schule die Hausaufgaben machen zu können und anschließend die Lernwerkstatt zu besuchen.
Das Konzept habe sich nach einer gewissen Anlaufzeit voll bestätigt sagt Schulleiter Wolz. Es sei keine vom Ministerium vorgegebene Maßnahme oder Anregung, sondern eine durch das Haus erarbeitete und veranlasste gute Investition. Die frei gewordenen Stundenzahlen nach Einführung des G 8 hätten die Entscheidung erleichtert. Für die Zukunft sieht Wolz noch Erweiterungsmöglichkeiten. Er könne sich vorstellen, dass das Angebot sich weiter entwickelt, bis hin zu einer Anlaufstelle für alle Arten von Unterstützung – auch unter Einbindung guter Schülerinnen aus der Oberstufe, die für den Erfahrungsaustausch wertvoll sind.
Treffen immer am Donnerstag
Zur Lernwerkstatt treffen sich die Schülerinnen immer donnerstags von 14.20 Uhr bis 16 Uhr. Organisatorisch läuft es so, dass sich die Schülerinnen im Sekretariat für den Termin spätestens einen Tag vorher in die Liste der gewünschten Unterrichtsfaches eintragen, um dem Lehrer einen Überblick zu ermöglichen.