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Rechtenbach
Wird der Staatswald im Spessart geplündert, nur um mit dem Holz Kasse zu machen?
Sie diskutieren über Beweggründe und Ziele der Holzernte im Spessart: Der stellvertretende Forstbetriebsleiter Roman Koster (links) und Otto Bartel im Staatswald bei Rechtenbach. 
Foto: Johannes Ungemach | Sie diskutieren über Beweggründe und Ziele der Holzernte im Spessart: Der stellvertretende Forstbetriebsleiter Roman Koster (links) und Otto Bartel im Staatswald bei Rechtenbach. 
Bearbeitet von Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:50 Uhr

Wird im Staatswald des Spessarts zu viel Holz geerntet, der Wald gar geplündert, um Kasse zu machen? Solche Vorwürfe werden immer wieder laut. Meist kommen sie von Spaziergängerinnen und Spaziergängern, die erschrocken sind angesichts der frischen Baumstümpfe und großen Holzmengen am Wegesrand. Auch aus Rechtenbach gab es zuletzt solche Kritik. Doch ein Ortstermin zeigt, dass sich im Gespräch vieles klären lässt – und beide Seiten Lehren ziehen können.

Der Rechtenbacher Otto Bartel hatte sich an die Redaktion gewandt und seinen Eindruck geschildert, wonach im Wald um den Spessartort seit geraumer Zeit über die Maßen Holz geerntet wird. Man könne schon fast nicht mehr von Wald sprechen, er sei "ausgedünnt und licht", so Bartels Wahrnehmung.

Vor 50 Jahren sei der Spessartwald deutlich dichter gewesen

Vor 50 Jahren sei der Spessartwald deutlich dichter gewesen, sagt der 64-Jährige. Heute jedoch habe er den Eindruck, dass die Staatsforsten immer mehr starke, gesunde Bäume abholzen. Der Rechtenbacher vermutet gar, dass es darum gehe, in manchen Bereichen noch schnell viel Holz zu ernten, bevor diese als Kernzone eines möglichen Biosphärenreservats ausgewiesen und dauerhaft aus der Nutzung genommen werden könnten.

Jedenfalls mache ihn die Entwicklung des Waldes traurig, so Bartel, der von Beruf Kaufmann mit einem eigenen Handelsunternehmen ist. Aus Gesprächen wisse er, dass etliche Rechtenbacher Bürgerinnen und Bürger die jüngsten Eingriffe im Bereich des Walddistrikts Rothenberg bis hinauf fast zum Bischborner Hof kritisch sähen.

Die Redaktion griff diese Kritik auf und organisierte einen Ortstermin. Neben Bartel mit dabei: Roman Koster, der neue stellvertretende Leiter des Forstbetriebs Rothenbuch. An der Oberen Siedlung startend ging es los in verschiedene Waldbestände.

Holzernte ohne Spuren im Wald nicht möglich

Hier sei "auf engstem Raum viel Holz rausgeklopft worden", schilderte Bartel seinen Eindruck, den er mit einer Vielzahl an Fotos untermauert, entstanden im Winterhalbjahr. Das, was auf den Bildern zu sehen ist, bezeichnet Bartel als "leere Wälder". Die Aufnahmen zeigen auch zerfurchte Rückegassen und viele Holzpolter entlang stark mitgenommener Waldwege.

Ja, Holzernte sehe nicht immer schön aus, räumt Forstmann Koster ein. Doch Holzernte ohne Spuren im Wald, das gebe es nicht. Man versuche jedoch, so schonend wie möglich vorzugehen. Durch die Holzernte entstandene Schäden an Waldwegen würden zeitnah behoben, so Koster. Der Forstbetrieb gebe hierfür pro Jahr mehrere Hunderttausend Euro aus.

Nach der Holzernte im Staatswald bei Rechtenbach lag reichlich Holz zur Abfuhr an den Wegrändern bereit, die Wege waren zerfahren. Anblicke wie dieser erschreckten Otto Bartel bei seinen Waldspaziergängen im Winterhalbjahr.
Foto: Otto Bartel | Nach der Holzernte im Staatswald bei Rechtenbach lag reichlich Holz zur Abfuhr an den Wegrändern bereit, die Wege waren zerfahren.

Ziel der Forstwirtschaft sei, den nachwachsenden Rohstoff Holz zu ernten und zur Verfügung zu stellen. Speziell im Spessart gehe es bei den Eingriffen auch darum, die hier in ihrer Konkurrenzkraft alles dominierende Buche zugunsten anderer Baumarten zurückzunehmen. Die Eiche etwa, für die der Spessart bekannt ist, habe "nur eine Chance, wenn wir die Buche daneben rausnehmen", so Koster. Wenn man ältere Eichen einfach im Buchenmeer untergehen lasse, "wäre die Arbeit von zehn Förstergenerationen vergebens gewesen", sagt der Forstmann.

Der Eiche im Spessart helfen, sich gegen die Buche durchzusetzen

Die Eingriffe rund um Rechtenbach hätten an vielen Stellen dem Zweck gedient, der Eiche zu helfen. An anderer Stelle sei es darum gegangen, im Wald punktuell Lücken von rund 30 auf 30 Meter zu schaffen. Dort sollen durch das nun auf den Boden fallende Licht junge Waldbäumchen heranwachsen können, erklärt Koster die Lücken, von denen Bartel sagt, dass sie Waldbesucherinnen und Waldbesucher erschrecken können. Dass nach einem Holzeinschlag große Holzmengen am Wegesrand lagern, liegt laut Koster daran, dass dort das Holz von einer größeren Fläche lagert.  

Dem Vorwurf, dass der Wald übernutzt werde, hält Forstmann Koster Zahlen entgegen. Sie stammen aus der Forstinventur für den 17.000 Hektar umfassenden Forstbetrieb Rothenbuch. Demnach sind die durchschnittlichen Holzvorräte pro Hektar von 295 Erntefestmetern im Jahr 2003 auf aktuell 319 gestiegen. Dies sei für einen Laubholzbetrieb ein Spitzenwert in Bayern, sagt Koster. Der jährliche Zuwachs liege zwischen acht und zehn Festmeter pro Hektar, die geerntete Holzmenge deutlich darunter.

Angesichts dieser Zahlen könne man gewiss nicht von "Plündern" sprechen, so Koster. Und auch nichts von Torschlusspanik, geht der Forstmann auf Bartels Vermutung ein, wonach vor der Ausweisung eines Biosphärenreservats noch schnell Kasse gemacht werde.

Forstwirtschaft im Spessart gilt als Vorzeigeobjekt, Förster aus der ganzen Welt kommen in den Wald

Koster verweist dazu auf den Beschluss des Bayerischen Landtags, wonach es im Staatswald keine weiteren Flächenstilllegungen geben werde. Schon allein deshalb könne man also nicht davon sprechen, dass irgendwo vor einer Stilllegung noch schnell alles verwertbare Holz rausgeschlagen werde.

Insgesamt, so lautet Kosters Fazit nach der Besichtigung der von Bartel kritisierten Waldbestände, habe er dort "nichts gesehen, wofür ich mich schämen müsste". Die Forstwirtschaft im Spessart gelte als Vorzeigeobjekt. Aus der ganzen Welt kämen Förster hierher, um sich Anregungen zu holen, vor wenigen Tagen beispielsweise erst eine Delegation aus Schweden. "Da kann man stolz drauf sein", folgerte Koster.

Und was sagt Bartel angesichts der Erklärungen? Man merkt ihm an, dass eine gewisse Skepsis und das Gefühl geblieben sind, dass die Wälder früher nicht so licht gewesen seien. Jedoch räumt der 64-Jährige auch ein, dass er manches nun anders sehe.

Es gibt Stimmen, die nach noch mehr Holz aus dem Staatswald im Spessart verlangen

"Jetzt wird es verständlich", sagt er etwa, nachdem Koster am konkreten Beispiel erklärt hat, weswegen an einer bestimmten Stelle Buchen zugunsten einer Eiche weichen mussten. Für ihn sei der Waldbegang mit Koster "erhellend" gewesen, sagt Bartel. Die Aussage, wonach die Holzernte mit einem Biosphärenreservat zu tun haben könnte, nehme er zurück.

Und Forstmann Koster? Er nimmt von dem Ortstermin mit, dass die Staatsforsten gerade bei der Holzernte in unmittelbarer Nachbarschaft zu Siedlungen wohl mehr kommunizieren müssten. Man lade gelegentlich die Bevölkerung im Vorfeld solcher Hiebe zu einem Begang ein und erkläre die Hintergründe. Im Fall von Rechtenbach habe man darauf verzichtet, weil die Menschen dort "bislang nicht gerade bekannt dafür waren, den Wald nicht nutzen zu wollen". Ganz im Gegenteil, so Koster, aus kaum einem Ort sei die Nachfrage nach Brennholz so hoch.

Auch aus dem in der Kritik stehenden Einschlag seien 56 Festmeter als Brennholz an Rechtenbacher verkauft worden, weitere 170 Ster gingen an Selbstwerber aus dem Ort, listet Koster auf und sagt: "Der Markt ist gigantisch." Es gebe durchaus auch Stimmen, die nach mehr Holz verlangten. So wird es sie wohl auch in Zukunft geben: die Diskussion um Bewirtschaftung der Staatswälder im Spessart und die Stärke der Eingriffe in den Wald.

 
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Kommentare
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    Nun ja, die Rechtenbacher nutzen als Brennholz ja nicht die Buchenstämme, sondern Kronen und Äste. Ob die Filetstücke wohl nach China gegangen sind? Dazu sagt der Forstmann nichts.
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  • R. A.
    was habe Förster und Landwirte mit dem Bundestrainer gemeinsam:
    Viele meinen sie könnten den Job besser machen
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  • M. F.
    Hätte Herr Bartel ja auch direkt beim Forst nachfragen können ...
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