zurück
„Wir können nicht immer helfen“
Das Gespräch führte Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 01.01.2012 17:06 Uhr

Die Mittelsinnerin Christel Klein ist seit 23 Jahren Leiterin der Verbraucherzentrale in Würzburg. Die 46-jährige gelernte hauswirtschaftliche Betriebsleiterin begleitet daneben seit 13 Jahren das Amt der Mesnerin der evangelischen Kirche in Mittelsinn.

Frage: Vor Kurzem gab es Berichte über wohl etwas unlautere Haustürgeschäfte der Telekom in Mittelsinn. Raten Sie grundsätzlich von Haustürgeschäften ab?

Christel Klein: Wichtig ist, immer genau durchzulesen, was man unterschreibt. Es zählt das, was man schwarz auf weiß hat. Der Gesetzgeber räumt Verbrauchern das Recht ein, innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen. Vor Kurzem hatten wir den Fall einer älteren Frau, die bei einem Buchclub an der Haustüre eine ganze Lexikareihe aufgedrängt bekommen hat. Die konnte zum Glück noch wirksam widerrufen. Wenn man nicht ordnungsgemäß belehrt wird über das Widerrufsrecht, dann kann man übrigens unbegrenzt widerrufen.

Wie widerruft man wirksam?

Klein: Manche Leute denken, ein Widerruf muss mit Computer geschrieben sein. Aber es reicht ein handgeschriebenes formloses Schreiben, in dem es heißt: „Hiermit widerrufe ich . . .“ Entscheidend ist der Zeitpunkt, wann der Widerruf abgeschickt wird.

Haben Sie den Eindruck, dass Unternehmen Ihnen als Verbraucherzentrale eher Gehör schenken als einem normalen Bürger?

Klein: Das kann ich so nicht sagen, Verbraucher haben ja ein gesetzliches Widerrufsrecht. Aber als Verbraucherzentrale hat man schon seine Ansprechpartner, wenn es ein Problem gibt. Da findet man oft einen Weg.

Wie viele Leute beraten Sie am Tag?

Klein: Am Tag, das weiß ich nicht genau. Aber im letzten Jahr hatten wir in Würzburg 15 097 Gesamtkontakte und 4000 Beratungen am Telefon und vor Ort.

Können Sie immer weiterhelfen?

Klein: Nein, wir sind nicht allwissend. Man kann oft helfen, aber es gibt auch Grenzen, zum Beispiel hat man beim Abschluss von Verträgen im Laden kein Widerrufsrecht. Auch Messekäufe sind immer wieder ein Thema. Bei einem Kauf auf einer Messe hat man ebenfalls kein Widerrufsrecht.

Bei Messekäufen hat man kein Widerrufsrecht?

Klein: Nur, wenn man auf Raten kauft. Auf einer Messe wollen die Händler ihre Waren verkaufen, man wird mit einem Messepreis gelockt und an jedem Stand angesprochen. Man sollte möglichst nicht sofort und gleich kaufen. Und man sollte Verträge genau lesen, dafür nimmt man sich auf einer Messe oft nicht die Zeit. Besser ist, man lässt sich nicht unter Druck setzen, sofort etwas zu kaufen, und kommt vielleicht am nächsten Tag wieder. Bis dahin hat man dann Zeit, den Messepreis mit anderen Angeboten zu vergleichen.

Welches Thema spielt bei Ihnen momentan eine große Rolle?

Klein: Im Moment haben wir viel mit Inkassofirmen zu tun, die Druck machen, dass die Leute Forderungen bezahlen, die meist ungerechtfertigt sind. Die Leute haben Angst, dass plötzlich jemand vor der Haustür steht und Geld eintreibt. Außerdem geht es oft um den Wechsel des Energieversorgers, um Gewinnspiele und um Lotto.

Was ist bei Werbeanrufen zu beachten?

Klein: Was viele nicht wissen: Am Telefon geschlossene Verträge sind gültig, auch wenn der Anruf an sich nicht erlaubt ist. Man sollte das Gespräch nicht aufnehmen lassen, sonst kann es passieren, dass die fragen: „Sind Sie der so und so?“ Und wenn Sie dann mit „Ja“ antworten, schneiden die Anbieter das Telefongespräch so zusammen, als hätten Sie zu einem Angebot Ja gesagt.

Sind Abofallen im Internet ein Thema?

Klein: Im letzten Jahr ganz stark, im Moment flaut es etwas ab, habe ich den Eindruck. Die Leute sind gut informiert. Es ist immer Vorsicht angeraten, wenn etwas kostenlos ist, man aber seine ganze Adresse angeben soll. Sogar der Hamburger Oberbürgermeister ist im Internet auf eine Abofalle mit Kochrezepten hereingefallen. Bei diesen Abofallen kommt alles vor: von Tattoos bis Sudoku.

Wie ist es, wenn Minderjährige in eine Abofalle tappen?

Klein: Verträge mit Minderjährigen sind nichtig. Auch wenn ein 13-Jähriger im Internet anklickt, dass er schon 18 ist, ist ein Vertrag nichtig.

Was sind die häufigsten Anliegen?

Klein: Häufig geht es um den Rücktritt von Verträgen oder um Beschädigungen bei gesendeten Waren. Im Bereich Telekommunikation ist beispielsweise die Rufnummernmitnahme ein häufiges Thema. Auch die Beratung bei Altersversorgung und Geldanlage ist stark nachgefragt. Für diese Themen kommen dann Kollegen aus Nürnberg nach Würzburg.

Ist Ihre Beratung kostenlos?

Klein: Eine Beratung kostet 15 Euro. Die Rechtsvertretung, also wenn wir uns einschalten, kostet 40 Euro. Für Bedürftige ist die Beratung ermäßigt.

Wie sind Sie Verbraucherberaterin geworden?

Klein: Ich war vor 25 Jahren bei einem Vortrag über Verbraucherrechte in Nürnberg. Dann habe ich mich beworben, da ich das sehr interessant fand. Wir besuchen regelmäßig Rechtsschulungen und Fortbildungen.

Was war die kurioseste Anfrage bei der Verbraucherzentrale?

Klein: Man hat schon viele seltsame Anfragen. So spontan fällt mir jetzt natürlich keine ein. Aber neulich hatten wir einen tragischen Fall, der mir sehr nahe gegangen ist. Eine ältere Dame, deren Mann schon gestorben ist, ist von einem Hellseher um ihr ganzes Erspartes geprellt worden. Sie hat ihm immer wieder 50 und 70 Euro geschickt. Wir konnten Sie nur zur Polizei schicken.

Verbraucherzentrale Bayern

In 16 Bundesländern bieten Verbraucherzentralen Beratung und Information zu Fragen des Verbraucherschutzes an. Sie helfen bei Rechtsproblemen und vertreten die Interessen der Verbraucher auf Landesebene. Die Verbraucherzentrale Bayern ist eine anbieterunabhängige, überwiegend öffentlich finanzierte, gemeinnützige Organisation. Mehr als eine halbe Million Verbraucher setzen jährlich auf den Rat der Fachleute in 16 bayerischen Beratungsstellen, an Telefon-Hotlines oder im Internet. Mit Abmahnungen und Klagen verfolgen die Zentralen Rechtsverstöße, vertreten Verbraucherinteressen auf politisch-parlamentarischer Ebene und informieren Medien und Öffentlichkeit über wichtige Themen. Quelle: Verbraucherzentrale

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Deutsche Telekom AG
Evangelische Kirche
Internet
Leiter von Organisationen und Einrichtungen
Polizei
Rechtsprobleme
Verbraucherberater
Verbraucherschutzrecht
Verbraucherzentralen
Widerrufsrecht
Wirtschaftsbranche Telekommunikation
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top