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Windkraft: Kampf gegen die Tabu-Kriterien
Bremswirkung für Windräder: Grüne Politiker wehren sich gegen die Tabu-Kriterien für weitere Windkraftanlagen im Regionalplan.
Foto: Günther Fischer | Bremswirkung für Windräder: Grüne Politiker wehren sich gegen die Tabu-Kriterien für weitere Windkraftanlagen im Regionalplan.
Von unserem Mitarbeiter Jürgen Kamm
 |  aktualisiert: 17.07.2013 17:48 Uhr

Würde der Regionalplan für die Region 2 im Kapitel B X 3 „Windenergieanlagen“ wie derzeit geplant teilfortgeschrieben, könnten nach Einschätzung des Marktes Zellingen kaum noch neue Windräder gebaut werden. Bürgermeister Wieland Gsell von den Grünen möchte deshalb erreichen, dass nicht der 24-köpfige Planungsausschuss sondern die mit 127 Vertretern aller Gemeinden besetzte Verbandsversammlung über die Fortschreibungen berät und sie ändert.

Wie der Anwalt der Gemeinde, Dr. Jochen Hofmann-Hoeppel, in einem Pressegespräch zusammen mit dem Bürgermeister und dem Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell (Bündnis 90/Die Grünen) aus Hammelburg erklärte, kommen die im Regionalplan geplanten neuen „weichen Tabukriterien“ einer unzulässigen „Verhinderungsplanung“ gleich. Diese Tabu-Kriterien sind insbesondere ein einheitlicher Puffer von 1000 Metern zu Wohnbau- und gemischten Baufläche sowie 300 Metern zu Gewerbegebieten, Landschaftsschutzgebiete, Bereiche mit herausragender Bedeutung für das Landschaftsbild, bis zu 2000 Meter Sichtschutzpuffer vor raumwirksamen Leitstrukturen oder landschaftsprägenden Höhenrücken und Kuppen sowie landschaftliche Vorbehaltsgebiete, FFH-Gebiete und Bereiche mit herausragender Bedeutung für den Vogel- und Fledermausschutz.

Eingriff ins Selbstverwaltungsrecht

Die Kriterien würden der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gerecht und griffen massiv in das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ein, erklärte der Fachanwalt. Deshalb laute seine Empfehlung aus einem insgesamt 39-seitigen Rechtsgutachten, einen entsprechenden Geschäftsordnungsantrag in der Sitzung des Planungsausschusses am 24. Juli einzubringen.

Diesen will Bürgermeister Wieland Gsell über ein Mitglied des Ausschusses einreichen. Tenor: Keine Beschlussfassung im Ausschuss und ein Ersuchen an die Verbandsversammlung, die Teilfortschreibung zum Kapitel Windkraft mit Ausweisung von Ausschluss-, Vorrang- und Vorbehaltsflächen sowie die Neufassung der Planungsmethotik an sich zu ziehen. Diese Möglichkeit hat die Verbandsversammlung nach dem Bayerischen Landesplanungsgesetz von 2012.

„Das Ziel von 1500 Windrädern in Bayern kann so nicht erreicht werden, die Landesregierung will bei der Windkraft offenbar weiterhin Bundesrecht brechen“, fand der Abgeordnete Hans-Josef Fell deutliche Worte. Offenbar beuge man sich in München dem Druck von Lobbyisten wie E.ON, um Kohle- und Atomkraftwerken Bestandsschutz zu verschaffen.

Moderne Flüster-Windkraft

Nach Bundesrecht seien Windkraftstandorte selbst in Naturschutzgebieten nicht generell ausgeschlossen, sondern seit 2002 im Einzelfall abzuwägen. Der Bundestag habe Petitionen für die Verschärfung von Genehmigungskriterien immer abgelehnt. Moderne Anlagen seien so leise, dass 600 Meter Abstand zu Wohngebieten in Sachen Lärmschutz ausreichen. Längere Abstände könnten sich durch den Schattenwurf ergeben, das sei letztlich reine Geometrie.

Der neuerdings von Ministerpräsidenten Horst Seehofer propagierten Schutzabstand der zehnfachen Windradhöhe würde zwei Kilometer und das Ende des Ausbaus der Windkraftnutzung in Bayern bedeuten, so Fella. Offenbar habe selbst die Regierung von Unterfranken, bei der die Regionalplanung angesiedelt ist, damit Bauchschmerzen. Letztlich seien die Beamten einer staatlichen Vollzugsbehörde immer weisungsgebunden.

Andererseits gelte grundsätzlich, dass eine Behörde nicht bewusst rechtswidrige Beschlüsse herbeiführen darf. Sollte das Kapitel Windkraft des Regionalplanes dennoch wie derzeit vorgesehen fortgeschrieben werden, hätten die davon benachteiligten Gemeinden (wie Zellingen) die Möglichkeit, ein Normenkontrollverfahren anzustrengen.

Über ein Normenkontrollverfahren wurden laut Hans-Josef Fell auch die Vorranggebiete mit der Ausschlusswirkung für Windkraftanlagen im Regionalplan Nordhessen für ungültig erklärt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel gab am 17. März 2011 der Klage einer Firma statt. Danach konnte überall der Bau von Windkraftanlagen beantragt werden. Einzuhalten waren aber weiter die übrigen Ziele des Regionalplans, die kommunale Bauleitplanung und der Immissionsschutz.

 
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Kommentare
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  • sinner
    Das Umweltministerium hat in der Gebietskulisse Windkraft ganz Bayern nach allen Relevanten Kriterien geprüft und die für Windkraft geeigneten Standorte im Energieatlas in Grün dargestellt. Die bayernweit gefundenen Standorte reichen völlig aus, um alle Windkraftanlagen zu bauene, die wir brauchen. Wenn dann Planer, EVU's und Gemeinden anfangen auf suboptimalen Standorten Anlagen zu planen, dann gibt es zu Recht Zoff. Hier geht's zum Energieatlas, wo jeder seinen Standort eingeben kann. Konzentration auf die optimalen Standorte schont den Geldbeutel der Bürger, Verzetteln auf suboptimale Standorte kostet Zeit und Geld des Bürgers. http://geoportal.bayern.de/energieatlas-karten/?marker=true&lon=4324425&lat=5552321&zoom=6&base=902&layers=152(0.7)
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  • atgholger@yahoo.com
    Mit Verwunderung las' ich eben den Bericht und frage mich aus welcher Richtung der Antrieb der genannten Herren stammt!?
    Ist es der Umweltschutzgedanke und wenn ja, dann welcher? Ökostrom, oder Natur pur? Oder ist es doch wieder nur der schnöde Mammon?

    Zu den letzten Äußerungen unseres verehrten Herrn Seehofer kann ich nur sagen: er war schon immer das Fähnchen im Wind und warten wir mal ab, wie sich seine Postion nach der Wahl darstellt.

    Als direkt betroffener Hausbesitzer und Bürger kann ich nur sagen, dass die Wirtschaftlichkeit der WKAs auf der fränkischen Platte mit 200m hohen Spargelmonstern nicht nur die Landschaft, sondern auch die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt.

    Daher hiermit meine freundliche Einladung an die oben genannten Herren: sie dürfen gerne einmal eine Woche bei geöffnetem Fenster bei mir übernachten! Nach dieser Woche, möchte ich mich gerne einmal mit ihnen unterhalten - über Ihre Eindrücke und Ihren wahren Antrieb.
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  • ropel
    sind die windräder wirklich so schlimm, wo wohnen Sie?
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