Wenn Landwirte und Jäger schlafen, sind andere Spezies hellwach. Wildschweine streifen auf Nahrungssuche durch Wald und Flur. Gerade jetzt ist der Tisch reichlich gedeckt. Maisfelder sind die bevorzugten Ziele, wie jüngst ein Acker in Greußenheim. Dort haben sich die Schwarzkittel im wahrsten Sinne des Wortes wie Wildsäue aufgeführt und knapp einen Hektar Mais mit über zwei Meter hohen Pflanzen platt gemacht.
Horst Dietrichs Maisacker präsentiert sich als Mondlandschaft. Um an die Maiskolben zu gelangen, müssen die Wildschweine die Stengel erst einmal umdrücken, erklärt der Landwirt. „Schließlich haben sie keine Leiter dabei“, scherzt er.
Mittlerweile ist ein Zank zwischen Landwirt und Jagdpächter entstanden. Der will nichts bezahlen. Horst Dietrich sieht das natürlich anders: „Das ist ein wirtschaftlicher Totalschaden,“ urteilt der Leinacher Landwirt, der auch in Greußenheim und darüber hinaus in der Region Ackerland gepachtet hat.
Dietrichs Maisfeld befindet sich auf der Ortsverbindung zwischen Greußenheim und Leinach – ohnehin ein sensibler Bereich. Die Straße ist nämlich die Jagdgrenze zwischen zwei Revieren, auf der einen Seite das Greußenheimer Jagdrevier, gegenüber jenes des Gut Greußenheim, das von Anhängern der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben (UL) bewirtschaftet wird. Und die sehen in den Tieren „ihre Geschwister“. Sie wollen ein Friedensreich für Mensch und Tier schaffen.
Dietrich ist sich sicher, von dort seien die Sauen gekommen, „20 bis 30 auf einen Schlag.“ Entsprechende Spuren und Trittsiegel bestätigten das. Die Bewirtschafter des Gut Greußenheim schützen ihre Maisfelder allerdings mit Elektrozäunen. Das scheint zu fruchten, denn die Flächen sehen – zumindest von außen – unversehrt aus.
Von wo die Schwarzkittel herkommen, ist rechtlich gesehen gegenstandslos. Als Wildtiere gelten sie laut Gesetz als herrenlos. Die Folgen jedoch müssen wie in diesem Fall der Landwirt und insbesondere der Jagdpächter tragen.
Der Pächter nämlich muss den Schaden begleichen, den ein amtlich bestellter Wildschadensschätzer in einem Gutachten festlegt.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Derzeit sieht es so aus, dass die Angelegenheit wohl vor Gericht ausgetragen wird. Der Jagdpächter zitiert nämlich aus dem Bundesjagdgesetz, § 29 Schadensersatzpflicht: „Wird ein Grundstück, das zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehört oder einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk angegliedert ist, durch Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen beschädigt, so hat die Jagdgenossenschaft dem Geschädigten den Wildschaden zu ersetzen.“
In der Regel wird das so gehandhabt, dass in einem Pachtvertrag die Bedingungen geregelt sind, beispielsweise dass der Pächter den Wildschaden komplett übernehmen muss. Und das, so der Betroffene in diesem Fall, sei in der Vergangenheit auch gar kein Thema gewesen, weil die Schäden früher geringer gewesen seien. Doch mit der vor Jahren einsetzenden „Sauenplage“ habe sich die Lage geändert. Aufgrund der zunehmenden Wildschäden – das kann im Jahr in die Tausende gehen – ging man in jüngster Zeit nach und nach dazu über, die Schadenshöhen zu deckeln. Das heißt, der oder die Pächter zahlen nicht mehr den vollen Betrag, auch die Jagdgenossenschaft übernimmt einen Teil.
Das sieht auch Anita Weinmann, Fachreferentin für Landwirtschaft beim Bayerischen Landesjagdverband (BJV) so. Wichtig sei, „was im Pachtvertrag steht“. In einem Gespräch mit dieser Zeitung hat der Jagdpächter auch auf die sogenannte „Mitwirkungspflicht zur Schadensvermeidung“ der Landwirte hingewiesen, was Anita Weinmann bestätigte, zumindest stehe das „grob im Gesetz drin“.
Des weiteren sei der Jagdpächter auch für die Zäunung verantwortlich – allerdings mit einer Ausnahme: Wenn es der Bauer ablehnt. Das könnten Arbeiten auf dem Acker sein. Laut Horst Dietrich bleibt der Acker bis zur Schätzung des Schadens vorerst unberührt liegen, als Wildfläche für die vierbeinigen Borsten-Viecher.