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LOHR
Wildkatzen: Rückkehr auf leisen Pfoten
Die Förster Bernhard Rückert (links) und Jörg Boshof demonstrieren die Lockstockmethode im Lohrer Stadtwald, mit der die Existenz von Wildkatzen im Spessart nachgewiesen werden konnte.
Foto: Klaus Gimmler | Die Förster Bernhard Rückert (links) und Jörg Boshof demonstrieren die Lockstockmethode im Lohrer Stadtwald, mit der die Existenz von Wildkatzen im Spessart nachgewiesen werden konnte.
Klaus Gimmler
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:29 Uhr

Der Lohrer Stadtwald ist ein gutes Revier für die Wildkatze. In den vergangenen Jahren wurde sie dort immer wieder nachgewiesen. Darüber freut sich der Lohrer Stadtförster Bernhard Rückert. Zusammen mit Revierförster Jörg Boshof durchstreift er einen Südhang zwischen Lohr und Partenstein. „Die Nähe zum Maintal schafft hier ein angenehmes Klima“, sagt Rückert. „Das mögen auch die Wildkatzen, da sind sie nicht anders als Hauskatzen.“ Rückert zeigt auf einen großen Felsbrocken, der mit umliegenden Totholz eine Höhle bildet. „Das wäre ein ideales Versteck, auch um Junge aufzuziehen“, meint er.

Die Wildkatze – „Tier des Jahres 2018“ der Deutschen Wildtierstiftung – ist wieder zurück im Spessart. Das ist sicher, auch wenn kaum jemand das scheue Tier zu Gesicht bekommt. Über mehrere Jahre hat der Bund Naturschutz mit der Lockstockmethode ihre Existenz nachgewiesen. Dazu wird ein angerauter Holzstab in den Boden geschlagen, erklärt Boshof, der im Auftrag des Bundes Naturschutz die Lockstöcke aufgestellt und betreut hat.

Das obere Drittel wird mit Baldriantinktur eingesprüht. „Die Katzen sind ganz wild darauf“, meint er. Angelockt vom Geruch reiben sich die Tiere an dem Stock. Die am Stock verbleibenden Haare werden gesammelt und nach der Art bestimmt. So gelang der Nachweis, dass die Wildkatzen hier heimisch sind.

150 bis 200 Tiere im gesamten Spessart

Vor zwei Jahren wurde das letzte Monitoring durchgeführt. Aber der Biologe Jürgen Thein vom Büro für Faunistik und Umweltbildung aus Haßfurt, der für den Bund Naturschutz das Wildkatzenprojekt in Nordbayern wissenschaftlich-fachlich betreut, geht davon aus, dass sich am Bestand nichts geändert hat. Er schätzt, dass es zirka 150 bis 200 Tiere im gesamten bayerischen und hessischen Spessart gibt.

Der Spessart ist da keine Insel, in den Haßbergen ist die Wildkatzendichte sogar größer, sagt Thein. Über die Rhön sind die beiden Naturräume miteinander vernetzt. Auch weiter im Osten Nordbayerns ist die Wildkatze nachgewiesen. Es gibt gesicherte Vorkommen in der Fränkischen Schweiz, im Fichtelgebirge und im Bayerischen Wald. „Sie ist wieder zurück“, freut sich Thein, „und sie ist offensichtlich in der Lage, selbst für Nachwuchs zu sorgen.“

Von langfristig gesicherten Beständen möchte Thein allerdings nicht sprechen. Dafür ist die Population zu gering und die Gefahr ihres Verschwindens zu groß. Schnell könne eine Krankheit – beispielsweise die Katzenräude – die Tiere dezimieren. Jedes Jahr werden Tiere auch überfahren. Daher sei es wichtig, der Zerschneidung der Landschaft entgegenzuwirken. „Korridore müssen geschaffen werden, so dass der genetische Austausch funktioniert.“

Autobahnen eine unüberwindbare Hürde

Über Korridore könnten die Katzen auch neue Gebiete erschließen. Selbst Flüsse wie der Main seien kein Problem. „Da schwimmen sie drüber, wenn sie auf der anderen Seite einen Wald sehen“, sagt Thein. Dagegen seien die Autobahnen eine fast unüberwindbare Hürde. Thein begrüßt daher den Bau von Grünbrücken wie über die A 3 im Guttenberger Forst zwischen Kist und Heidingsfeld und über die A 7 im Neuwirtshauser Forst in der Nähe der Ausfahrt Bad Kissingen/Oberthulba. Eine weitere ist bei Rohrbrunn im Spessart geplant.

Begonnen hat das Projekt „Wildkatze“ bereits 1985. Der damalige Vorsitzende Hubert Weinzierl hatte zusammen mit Bernhard Grzimek die Idee der Wiederansiedlung der scheuen Katze, die seit 1914 in Bayern als ausgestorben galt. „Rückkehr auf leisen Pfoten“ war das Motto des Auswilderungsprojekts des Bundes Naturschutz, das sich als erfolgreich erwiesen hat.

Auswilderungsstation in Rothenbuch

Die größte Auswilderungsstation in Nordbayern betreute der mittlerweile verstorbene Förster Hubert Gebhard in Rothenbuch (Lkr. Aschaffenburg). Drei Aufzuchtgehege hatte Gebhard im Rothenburger Forst betrieben, die jeweils mit einem Pärchen besetzt war und nur einmal im Jahr Junge geworfen hat – und dann auch nur zwei bis vier Jungtiere. Wenn diese groß genug waren, wurden sie entlassen.

Das war sehr beschwerlich. Gebhard hatte berichtet, dass er sie jeden Tag füttern musste. Dankbarkeit war von den Tieren nicht zu erwarten. Meist wurde Gebhard als Futterlieferant selbst nach vielen Jahren mit einem Fauchen begrüßt. Etwa 200 entlassene Tiere fanden so den Weg in den Spessart.

Vor zehn Jahren stellte Gebhard die Auswilderung ein, die er 25 Jahre lang betrieben hatte. „Diese Projekte waren sinnvoll“, sagt Thein. Für die Wiederansiedlung brauchte es am Anfang die Hilfe des Menschen. Auf Dauer müsse es aber eine Art schaffen, ohne Auswilderung ihren Bestand zu erhalten und selbst für Nachwuchs zu sorgen.

Mit den durch die Lockstockmethode gewonnen Haaren lässt sich auch die Herkunft der Wildkatzen bestimmen. Das Ziel ist der Austausch der Wildkatzen unter den verschiedenen Naturräumen. Der genetische Nachweis, dass Wildkatzen aus dem Rothenburger Forst ihren Weg weiter in die Rhön und in die Haßberge gefunden haben, gelang aber bisher noch nicht. Sicher lässt sich dagegen sagen, dass Wildkatzen aus dem Harz und dem Hainich, wo sie vermutlich nie ganz ausgestorben waren, nach Nordbayern zugewandert sind.

 
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