"Macht Platz! - Über die Jugend von heute und die Alten, die überall dick drinsitzen und über fehlenden Nachwuchs schimpfen." Der Titel ihres Buches ist schon ganz absichtlich so provokant. Die Journalistin Madeleine Hofmann, Jahrgang 1987 und in Bühler (Lkr. Main-Spessart) aufgewachsen, macht darin deutlich, "wie es um die Jungen in Deutschland bestellt ist und dass sich die Alten eine Welt geschaffen haben, in der sie munter ihren Staus quo verwalten können - während die Jungen vergeblich versuchen, an den eingeschworenen Netzwerken, den Ellbogen und den ausgrenzenden Gesetzen der Alten vorbeizukommen". So steht es jedenfalls im Klappentext zu lesen. Will sie Furore machen?
Frage: Frau Hofmann, gab's denn ein Schlüsselerlebnis, das Sie auf dieses Thema gebracht hat?
Madeleine Hofmann: Ich habe mich im Studium der Soziologie und Politikwissenschaften schon immer für Dinge wie den demografischen Wandel und Jugendkultur interessiert. Und dann bei meiner journalistischen Arbeit – so um 2015 – gab es eine Zeit, in der viele Journalisten, meist ältere Herren, sich in den Medien darüber ausgelassen haben, wie furchtbar die sogenannte Generation Y ist, zu der ich ja auch zähle.
Zur Erklärung: Zur Generation Y gehören die von den frühen 1980ern bis zu den späten 1990er Geborenen.
Hofmann: Ja, da werden 15 oder 20 Geburtsjahrgänge über einen Kamm geschert. Ich dachte mir: Wie kann das denn sein? Auf die verschiedenen sozialen Umstände, die Bildungshintergründe der jungen Leute wurde keine Rücksicht genommen. Außerdem schmiss man einfach mit Klischees um sich, die sich auch noch widersprachen – einerseits: die Jugend ist faul, andererseits: die Jugend will nur Karriere machen. Bei meinen Recherchen sind dann so viele Themen aufgetaucht, bei denen die Jugend benachteiligt wird: Rente, Arbeitsmarktpolitik, Klimaschutz. Ich habe die Kolumne "Die Jugend von heute“im Debattenmagazin „The European" gestartet. So fing alles an.
Was stimmt nicht an der Arbeitsmarktpolitik?
Hofmann: Ich beschreibe als typisch, dass viele junge Leute oft zehn Jahre lang Ausbildung, Studium, Auslandssemester, Umzüge zu verschiedenen Arbeitsorten und damit verbunden Fernbeziehungen hinter sich bringt, ehe eine Familie gegründet werden kann. Ich habe solche Beispiele aus meinem Freundeskreis zuhauf. Eine Ursache sind die verlängerten Ausbildungszeiten. Hinzu kommen die befristeten Arbeitsverträge aus der Zeit der Agenda 2010. Es gab eine Krise und man wollte der Arbeitslosigkeit entgegenwirken. Aber diese Maßnahmen sind dann einfach der Standard geblieben. An diese Gesetze müssten wir jetzt mal ran. Wir werden immer noch in schlechte Strukturen gezwungen, die gar nicht mehr zu der Welt passen, die sich inzwischen verändert hat.
Sie weisen immer wieder darauf hin, dass die Jüngeren in der Minderheit sind und die Älteren alles dominieren.
Hofmann: 1964 war das geburtenstärkste Jahr in Deutschland. Die Babys von damals werden heuer 55. Rund 56 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland waren 2017 älter als 50 Jahre. Und im Bundestag sind 51 Prozent älter als 50 und nur acht Prozent unter 35.
Was ist an der Rentenpolitik faul?
Hofmann: Derzeit werden wieder Rentenerhöhungen diskutiert. Bei der Rente haben wir das Problem, dass es kein nachhaltiges Konzept gibt. Die Rentenpolitik der vergangenen Jahre ist eigentlich eine reine Wahlkampfpolitik mit einem Horizont von vier Jahren. Da eine große Gruppe von Wahlberechtigten die Rente jetzt im Blick hat, ist das für die Politik eine interessante Wählergruppe. Und es ist natürlich praktisch, wenn man die beruhigen und bedienen kann. Es gibt relativ teure "Rentengeschenke", die aber immer nur wenigen Leuten wirklich helfen.
Was müsste anders laufen?
Hofmann: Es gibt viele Wissenschaftler, die sich nur mit dem Thema Rente beschäftigen und einen guten Blick haben, was man verändern müsste. Man müsste sich mit denen zusammensetzen und ein langfristiges Konzept ausarbeiten. Aber man wartet einfach nicht ab, bis die Rentenkommission ihr Konzept vorstellt, sondern macht immer, wenn eine Wahl ansteht, kurzfristige Nachbesserungen, die meistens zu Lasten der Jungen gehen und selbst den Älteren nicht so wahnsinnig viel bringen.
Den Jungen wird vorgeworfen, sie seien politikfaul und desinteressiert. Wie widerlegen sie das?
Hofmann: Politisches Engagement ist nicht so leicht zu messen. Es kann nicht nur gelten, ob jemand in einer Partei ist. Man ist ja auch schon politisch engagiert, wenn man sich entscheidet, sich vegan zu ernähren. Jüngere äußern sich anders, zum Beispiel über Social Media. Aber natürlich gibt es auch welche, die sich in Parteien engagieren.
Welche Chancen haben die?
Hofmann: Es ist ein Problem für junge Politiker, dass sie auf wichtige Posten oder aussichtsreiche Listenplätze so lange warten müssen, bis jemand den Posten räumt. Es wäre gut, wenn nicht über Jahrzehnte dieselben Menschen an ihren Posten kleben.
Nennen Sie uns ein drastisches Beispiel, wie junge Leute von den älteren "kurzgehalten" werden.
Hofmann: Bei Maybrit Illner duzte ein Talkgast den Juso-Chef Kevin Kühnert ungefragt. Kühnert war der einzige in der Runde unter 45. Und Sandra Maischberger fragte den österreichischen Bundeskanzler, Jahrgang 1986, ob er noch einen Studentenausweis besitze. Andere junge Abgeordnete werden gefragt, ob sie die Praktikanten sind.
In einem Abschnitt Ihres Buches geht es um die Zukunftsaussichten. Was muss sich ändern?
Hofmann: Mein Schluss ist, dass wir mehr Diversität in der Politik brauchen und möglichst viele Lebensumstände vertreten sind. Ich plädiere dafür, dass Schüler schon in der Schule mitentscheiden können und das Gefühl bekommen, dass ihre Stimme zählt. Es gibt die Möglichkeit einer Jugendquote in den Parteien.
Sie regen auch an, es sollte gar keine Altersgrenze fürs Wahlrecht mehr geben.
Hofmann: Eigentlich ist diese Altersgrenze eine Diskriminierung. Es gibt zum Beispiel auch keine Grenze nach oben und keinen Wissenstest. Sondern es gibt nur ein Verbot zu wählen, ehe man 18 ist. Das müsste es nicht geben. Kinderwahlrecht heißt ja nicht, dass Babys in der Wahlkabine sitzen. Es würde die Möglichkeit zum Wählen eröffnen, sobald jemand in der Lage, seine Wahlunterlagen anzufordern. Es darf natürlich nicht sein, dass die Eltern für das Kind wählen.
Sind die von Greta Thunberg ausgelösten Klimademos der Schüler ein echter Aufbruch der Jungen?
Hofmann: Ich denke, der Klimawandel und die soziale Ungleichheit sind die großen Themen der jungen Generation. Bei der Klimapolitik merken die jungen Leute, wie schlimm es schon steht. Sie merken: Es gibt nur diesen einen Planeten. Und wir, die Kinder und Jugendlichen, sind diejenigen, die noch am längsten zu leben haben. Und die Erwachsenen verspielen hier gerade unser Zukunft. Es passiert nicht genug. Wir haben aber keine Zeit mehr für diesen Stillstand wir müssen etwas unternehmen. Ich denke, dass sehr viele motiviert sind, weiterzukämpfen.
Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?
Hofmann: Ich hatte mir ein Konzept überlegt und im Sommer 2017 an Agenturen geschickt. Eine hatte dann im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse den Campus-Verlag dafür begeistern können. Im Dezember hatte ich den Vertrag unterschrieben und bis Ende April Zeit, um das Buch zu schreiben.
Die taz-Futurzwei-Buchliste hat „Macht Platz!“ auf Platz 4 der besten Bücher auf der Frankfurter Buchmesse 2018 gewählt und als Lektüre empfohlen. Überrascht?
Hofmann: Ich habe mich total gefreut. Ich wusste gar nichts davon. Tatsächlich hat mir ein Bekannter geschrieben: "Cool, du bist ja auf der Liste!" Lustigerweise war ich gerade selbst auf dem Weg zu einem Interview mit einer amerikanischen Bestsellerautorin, die auch auf der Liste ist. Da war ich besonders stolz.
Arbeiten Sie schon am nächsten Buch?
Hofmann: Nein, "Macht Platz!" ist ja jetzt erst noch ganz neu. Aber ich habe schon Ideen.
Lesungen und Diskussion: Am Dienstag, 19. März, liest Madeleine Hofmann um 19 Uhr im Johann-Schöner-Gymnasium Karlstadt. Im Anschluss gibt es eine Podiumsdiskussion zum Thema „Veraltet die Politik?“. Teilnehmerin ist u.a. die Staatssekretärin im bayerischen Kultusministerium, Anna Stolz. Die Moderation übernimmt Main-Post-Volontärin Carolin Schulte.
Tags zuvor, am Montag, 18. März, findet um 19.30 Uhr im Keller des Weinhauses Mehling in Lohr eine Lesung mit Madeleine Hofmann statt.
Dennoch finde diesen Beitrag von ihr, insbesondere auch auf die Überschrift bezogen, eine bodenlose Frechheit, bekommt man dadurch den Eindruck, dass die "Alten" einfach auf das Abstellgleis geschoben werden sollen, frei nach dem Sprichwort "Der Mohr hat seine Schuldigkeit, der Mohr kann gehen".
Immerhin sind es die "Alten", die nach dem 2. Weltkrieg unser zerstörtes Land wieder aufgebaut haben, ohne diese "Alten" wären wir heute nicht da, wo wir sind!
Deshalb sollte diese Journalistin den "Alten" gefälligst etwas mehr Respekt entgegen bringen, zumal man auch darüber disktuieren kann, ob diese Journalistin auch schon annähernd diese Leistung erbracht hat, so wie es die "Alten" getan haben.
Dann, und nur dann, dann kann man mal weiterreden.
Übrigens: Alt werden gehört zum Leben, auch zum Leben dieser Journalistin.
https://lernatelier2punkt0.wordpress.com/2019/02/23/politikfaul-desinteressiert-zukunftsmuede/