Jacqueline Urlaub leitet im Sozialkaufhaus „Intakt“ in Gemünden langzeitarbeitslose Menschen und seit ein paar Monaten auch anerkannte Flüchtlinge an, die dort einen Ein-Euro-Job machen. Bei den Flüchtlingen, vor allem syrische Männer, stellt sich die Frage, wie sie mit einer Frau als Chefin klarkommen. „Ich habe die gut im Griff“, sagt die gut gelaunte junge Frau. Sie sage ihnen schon, wo es langgeht, was problemlos funktioniere. Die Flüchtlinge seien sehr hilfsbereit und motiviert.
Welch wichtige Rolle die Intakt-Sozialkaufhäuser beim Heranführen von Langzeitarbeitslosen und neuerdings insbesondere Flüchtlingen an den Arbeitsmarkt spielen, wurde bei einem Pressegespräch im Intakt Gemünden deutlich. Eine besondere Rolle spielen die Sozialkaufhäuser im Moment zudem, weil sie erste Anlaufstelle für anerkannte Flüchtlinge sind, die oft dringend eine Ausstattung für die eigene Wohnung, so sie eine finden, brauchen.
Neben dem Sozialkaufhaus-Leiter Michael Porzelt nahmen Landrat Thomas Schiebel, Jobcenter-Chef Jürgen König und Eugen Hain, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Würzburg, an dem Gespräch teil.
13 Flüchtlinge arbeiten mit
Derzeit haben die drei Intakt-Häuser 40 Plätze für Hartz-IV-Empfänger. Davon sind momentan 33 besetzt, 13 davon von anerkannten Flüchtlingen. Gemünden hat mit 16 Plätzen (darunter acht anerkannte Flüchtlinge) die meisten Stellen, vor Lohr mit zwölf und Marktheidenfeld mit fünf. Die Ein-Euro-Jobber bekommen ihren „Lohn“ als Zubrot zu Hartz IV vom Jobcenter, die Sozialkaufhäuser erhalten zudem eine Maßnahmenkostenpauschale.
Die Kaufhäuser werden so, inklusive Fahrtkosten, mit jährlich 107 000 Euro vom Jobcenter gefördert. Gut angelegtes Geld, wie nicht nur Jobcenter-Geschäftsführer Jürgen König findet. Im Hinblick auf Flüchtlinge ist er sich sicher, dass Integration und Spracherwerb am besten über eine Arbeit funktionieren.
Erfreulich sei es, dass auch schon zwei der beim Intakt angestellten Flüchtlinge, einer in Lohr und einer in Marktheidenfeld, eine Arbeit gefunden haben. Landrat Schiebel nennt das Intakt einen „bewährten Partner“, wo Menschen „gut angeleitet“ und „sinnvoll beschäftigt“ werden. Insgesamt seien schon über 30 Flüchtlinge in Main-Spessart in Beschäftigung, fünf in einer Ausbildung. „Die Dinge“, findet Jürgen König, „laufen positiv.“
Am Anfang habe man sich sehr viele Gedanken gemacht, wie man das mit den Flüchtlingen als Ein-Euro-Jobber im Intakt anstellen solle, so Michael Porzelt. „Alles hat sich viel einfacher ergeben, als am Anfang gedacht.“ Seine Mitarbeiter seien vorurteilsfrei auf die Flüchtlinge zugegangen, die in den normalen Arbeitsalltag „voll integriert“ seien.
„Es läuft wirklich gut“, sagt er – inzwischen auch ohne Wörterbuch. Sogar mit Analphabeten habe es hingehauen. Die Flüchtlinge kämen aus Kulturen, wo oft ein „wertschätzendes Miteinander“ herrsche, was helfe.
Wertschätzung erfahren
Die Ein-Euro-Jobber bekämen beim Intakt eine Tagesstruktur, eine Aufgabe und Verantwortung. So erlebten sie Anerkennung und Wertschätzung, was ihr Selbstwertgefühl stärke. Schon länger beim Intakt Arbeitende waren anfangs Paten für die Neuen. Porzelt bedankte sich bei der Bevölkerung für Sach- und Geldspenden.
Wie wichtig die Arbeit des Intakt ist, zeigte sich etwa bei der Auflösung der Erstaufnahmeeinrichtung im ehemaligen Hotel Atlantis, was im Intakt die Betten knapp werden ließ. Auch Küchen seien derzeit Mangelware.
Eugen Hain von der Agentur für Arbeit nennt als besonderes Problem bei Flüchtlingen, dass es in deren Herkunftsländern oft keine Berufsausbildung wie in Deutschland gibt. Man müsse ihnen erst erklären, was eine Ausbildung ist und wofür man die braucht. Sein Ziel: „Wir wollen jeden jugendlichen Flüchtling in die Ausbildung bekommen.“
Sprachkenntnisse wichtig
Inzwischen dürfen Flüchtlinge, auch wenn sie nicht anerkannt werden, immerhin ihre Ausbildung zu Ende bringen, was für ausbildende Betriebe etwas mehr Sicherheit bringe. Der praktische Teil sei oft weniger das Problem, sondern die Berufsschule, wo sich mangelnde Sprachkenntnisse besonders auswirkten. Hain glaubt nicht, dass es sich Deutschland leisten kann, hier ausgebildete Flüchtlinge in Berufen, wo akuter Mangel an Nachwuchs herrscht, abzuschieben.
Aber generell sei klar, dass man anerkannten Flüchtlingen klarmachen müsse, wie der Hase in Deutschland läuft. Flüchtlinge müssten zwar, etwa mit Sprachkursen, „adressatengerecht“ unterstützt werden, würden aber ansonsten genauso behandelt wie deutsche Hartz-IV-Empfänger. Für potenzielle Arbeitgeber sei „nichts überzeugender als Beispiele“ von erfolgreich angestellten Flüchtlingen bei Kollegen. Er glaubt aber nicht, dass Flüchtlinge die Fachkräfteproblematik lösen werden, allenfalls teilweise, aber auch nicht morgen, sondern vielleicht übermorgen.
Wenn Main-Spessart mit seiner Arbeitslosenquote von 2,1 Prozent, der niedrigsten in Unterfranken, es nicht schaffe, Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen, so Hain, wer dann? Aber auch bei einer solch niedrigen Quote gebe es immer Leute, die im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt aus den unterschiedlichsten Gründen Schwierigkeiten haben. Deshalb sei es gut, dass es eine Einrichtung wie das Intakt gibt.