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Karlstadt
Wie geht man damit um, wenn der langjährige Partner stirbt? Diese Wege aus der Trauer haben drei Menschen aus Main-Spessart gefunden
Was kann in der Trauer helfen, was kann vielleicht sogar verletzen? Drei ganz persönliche Geschichten über den Umgang mit Verlust, Neubeginn und Erinnern.
Drei Menschen sprechen über ihren ganz persönlichen Umgang mit der Trauer um ihre Partner. (Symbolfoto)
Foto: Heiko Wolfraum | Drei Menschen sprechen über ihren ganz persönlichen Umgang mit der Trauer um ihre Partner. (Symbolfoto)
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 10.01.2025 02:34 Uhr

Wie lässt sich mit dem Verlust des Partners oder der Partnerin umgehen? Und welche Unterstützung von außen hilft wirklich, was kann vielleicht sogar verletzend sein? Drei Menschen aus dem Landkreis Main-Spessart sprechen über ihren ganz persönlichen Umgang mit der Trauer – und den Weg in einen neuen Alltag. Unterstützt wurde das Gespräch von einer Trauerbegleiterin des Hospizvereins Main-Spessart.

Der erste Weg: Neue Dinge ausprobieren und alte Rituale nicht in Vergessenheit geraten lassen

Mehrere Alltagsrituale hat ein Witwer aus Main-Spessart nach dem Tod seiner Frau bewahrt. So stehen weiterhin an jedem Tag die jeweiligen Frühstückstassen auf dem Tisch – eine Idee seiner Frau. (Symbolfoto)
Foto: Christin Klose, dpa | Mehrere Alltagsrituale hat ein Witwer aus Main-Spessart nach dem Tod seiner Frau bewahrt. So stehen weiterhin an jedem Tag die jeweiligen Frühstückstassen auf dem Tisch – eine Idee seiner Frau. (Symbolfoto)

"Was für mich vorher eigentlich gar kein Thema war: Dass man als Mann weint. Das habe ich dann zugelassen, aber ganz heftig", erzählt ein 70-Jähriger aus dem Landkreis Main-Spessart. Er will anonym bleiben, um nicht verstärkt auf den Tod seiner Frau angesprochen zu werden. Vor fünf Jahren hat der 70-Jährige seine Ehefrau verloren; kurz, bevor die Pandemiejahre begannen. Nach zwei Besuchen im Trauercafé des Hospizvereins, ein Ort des Austauschs zwischen Trauernden, war er mit seiner Trauer allein.

"Das erste halbe Jahr war nicht so schlimm. Ich habe immer gedacht, da steht man drüber", erzählt er. Doch als alle Erledigungen abgeschlossen waren, habe er in seiner Trauer einen Tiefpunkt erlebt, auch durch die Kontaktverbote. Trotzdem ist er sich nicht sicher, ob jemand ihm in dieser Zeit hätte helfen können: "Man muss mehr oder weniger den Tiefpunkt durchleben", ist seine Erfahrung.

Wieder heraus aus diesen schweren Momenten fand der 70-Jährige durch ein Versprechen, das er seiner Frau gegeben hatte – und durch viel Mut und Eigeninitiative. Der Wunsch seiner Frau war es, dass er ihre Arbeit in der Sterbe- und Trauerbegleitung weiterführt. "Ich bin Schreibtischtäter, ich bin völlig ungeeignet – aber ich probiere es", habe er ihr versprochen. So machte er wenige Monate nach ihrem Tod die Ausbildung des Hospizvereins zum Hospizbegleiter und vor kurzem auch die Ausbildung zum Trauerbegleiter.

"Gewisse Tassen waren an gewissen Tagen da. Das hatte meine Frau so eingeführt."
Ein 70-jähriger Witwer aus Main-Spessart

Eine weitere große Herausforderung wartete jedoch auf ihn: "Die ganzen sozialen Kontakte, die wir hatten, sind über meine Frau gelaufen. Ich habe mich voll auf sie verlassen", sagt er. So musste er teils Anschriften aus dem Bekanntenkreis erst wieder auftreiben. Zusätzlich zu den alten Bekannten suchte er sich aber weiter Austausch: Über ein Zeitungsinserat ist er auf eine Freizeitgruppe gestoßen, die sich gerade neu zusammenfand. Fast jedes Wochenende unternahm die Gruppe etwas gemeinsam. Der Vorteil, der durch die neuen Freundschaften entstand: "Das Thema Sterben kam gar nicht auf. Das war für mich auch ganz gut, dass man das nicht immer thematisiert."

Alles neu wollte er aber auch nicht machen, sondern hielt an alten Traditionen fest, etwa beim Decken des Frühstückstischs: "Gewisse Tassen waren an gewissen Tagen da. Das hatte meine Frau so eingeführt", sagt er. Und sonntags muss es immer ein "gescheites Essen" geben: "Am Anfang war es natürlich schwierig, diese ganze Koch-Geschichte. Ich war immer nur der Assistent", blickt er zurück. Etwa 100 Rezepte habe er seit dem Tod seiner Frau schon notiert, Gewichte und Kochzeiten nachjustiert.

Was ihm am meisten fehlt, ist der Austausch mit seiner Frau. Sich an gemeinsame Urlaube und Erlebnisse erinnern, sei mit niemandem in der Form möglich. Er hat gelernt, dass sich wieder etwas Neues aufbauen lässt mit anderen Menschen, aber dass er keine Vergleiche ziehen darf: "Man muss da von vorne anfangen und die neuen Bekannten so akzeptieren, wie sie sind."

Der zweite Weg: Offen damit umgehen, was einem selbst in der Trauer guttut

Für Ursula Andrien ist wichtig, dass sie gegenüber ihren Freunden und Bekannten ihre Trauer offen zeigen darf. (Symbolfoto)
Foto: Roland Weihrauch, dpa | Für Ursula Andrien ist wichtig, dass sie gegenüber ihren Freunden und Bekannten ihre Trauer offen zeigen darf. (Symbolfoto)

Ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Mannes steckten Ursula Andriens Gedanken und Gefühle in einem Widerspruch fest: Dass sie ihren Mann gerne weiter bei sich hätte, ihn aber auch nach schwerer Krankheit bewusst gehen lassen musste. "Ich bin dann im April 2013 ins Trauercafé gekommen, weil ich mich immer im Kreis gedreht habe", sagt die 65-Jährige. Dort habe sie sich aufgehoben und verstanden gefühlt, weil alle Gesprächspartner ähnliche Erfahrungen mitbrachten: "Trauer ist bei jedem anders, aber so gewisse Punkte sind bei allen gleich", sagt Ursula Andrien.

In ihrem Umfeld machte die 65-Jährige ganz unterschiedliche Erfahrungen: Die Nachbarn etwa, die angeboten hatten, dass sie jederzeit auf einen Kaffee vorbeischauen könne. "Das fand ich toll", sagt sie. Oder die Bekannte, die immer wieder vom Thema ablenkte, wenn sie auf den Tod ihres Mannes zu sprechen kam. "Da müsste ich mitweinen", habe die Freundin ihr schließlich einmal gestanden. "Das würde gar nichts machen", habe Ursula Andrien erwidert, und sei froh gewesen, als die Situation angesprochen und klargestellt war.

"Trauer ist bei jedem anders, aber so gewisse Punkte sind bei allen gleich."
Ursula Andrien verlor ihren Mann vor zwölf Jahren

Dass Menschen ihr Weinen aushalten können, wünscht sie sich. Eine Person sei erschrocken, als ihr plötzlich die Tränen kamen, und habe sich entschuldigt. "Im Gegenteil, es tut mir eigentlich gut, wenn ich darüber rede und auch weine", habe Ursula Andrien geantwortet. Die Trauernden immer wieder einladen und nicht nachtragend sein, wenn sie Einladungen absagen, ist ihr ebenfalls wichtig.

Ihr eigenes Verhalten gegenüber Trauernden habe sie seither verändert, nun gehe sie auf die Menschen zu: "Weil ich weiß, es tut ihnen gut. Man muss ja nicht direkt nach dem Trauerfall fragen, man kann auch über etwas ganz anderes reden."

Manche Sätze empfand sie allerdings auch als verletzend: "Wenn jemand nach einem Jahr gesagt hat: ‚Ach, so lange ist das schon her?‘ – das hat mich auch getroffen, weil für mich war es wie gestern", sagt sie. Dass ein Trauernder lacht, muss nicht heißen, dass die Trauer vorbei ist, weiß sie heute: "Ich kann auch tanzen, aber die Trauer ist trotzdem da."

"Wenn ich heimkomme, sage ich ‚Hallo, ich bin wieder da‘ oder frage meinen Mann irgendetwas, weil ich denke, vielleicht kriege ich ja eine Antwort", sagt die 65-Jährige und lacht kurz. Am Hochzeitstag habe sie auch schon mit einem Glas Sekt dem Foto ihres Mannes zugeprostet. Von den materiellen Dingen trennt sie sich erst Schritt für Schritt: "Ich habe auch noch Kleidungsstücke von meinem Mann, bei denen ich erst jetzt nach zwölf Jahren bereit bin, sie loszulassen und wegzugeben."

Der dritte Weg: Tiefgehende Gespräche führen – oder auch einmal gar nichts sagen

Ein 85-Jähriger pflegte seine Ehefrau bis zu ihrem Tod vor vier Jahren. (Symbolfoto)
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa | Ein 85-Jähriger pflegte seine Ehefrau bis zu ihrem Tod vor vier Jahren. (Symbolfoto)

"Ich bin am Anfang in ein Loch gefallen. In der Zeit habe ich eigentlich gar keinen Kontakt nach außen gesucht", erzählt ein 85-jähriger aus Main-Spessart, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Schon bevor seine Frau verstarb, war er durch die Pflege im Alltag isoliert – sie war 24 Stunden am Tag auf seine Hilfe angewiesen. "Man hat gesehen, dass es immer weniger wird. Aber dann war es doch erschreckend für mich und hat mir die Beine weggezogen", sagt er. Vier Jahre ist es her, dass seine Frau verstorben ist. "Mein Sohn hat gesagt: Ich habe dich nie weinen sehen. Aber dann habe ich geweint", erzählt der 85-Jährige.

"Ich war dankbar, dass ich Freunde hatte, die mich einfach mittags weggeholt haben zum Spazieren. Auch wenn man nicht groß geredet hat, hat sich jemand um einen gekümmert", erzählt der Senior. An ein Gespräch, das ihm sehr geholfen hat, erinnert er sich sehr deutlich: mit einer Frau, die wenige Wochen vorher ihren Mann verloren hatte. "Da haben wir uns gegenseitig ein bisschen gestützt", sagt der 85-Jährige. Wenn er im Gegenteil wusste, dass jemand nur oberflächlich nachfragt, sei er manchmal Gesprächen auch ausgewichen.

"Ich war dankbar, dass ich Freunde hatte, die mich einfach mittags weggeholt haben zum Spazieren."
Ein 85-jähriger Witwer aus Main-Spessart

"Wenn jemand gesagt hat: Das war ja gut, das war das Beste für sie, dass sie gestorben ist – dem hätte ich an die Gurgel springen können." Mehr als 60 Jahre war er mit seiner Frau zusammen. "Sie hat mich ausgehalten", sagt er und lacht. Dann wird er gleich wieder ernst: "Das kann man nicht wegnehmen."

Die Pflege hat zuletzt so viel Raum eingenommen, dass er nach dem Tod seiner Frau wieder einen neuen Halt finden musste – ihm habe geholfen, dass sein Sohn bei ihm wohnt und er ins Trauercafé gehen konnte. Allerdings warnt er auch, dass der Café-Besuch unterschiedlich ausfallen kann, je nach Gesprächspartner könne die Chemie auch einmal nicht stimmen. Die Gespräche mit Trauerbegleitern halfen ihm allerdings sehr: "Da fühlt man sich angenommen."

Er folgte in der Trauer seinen Gefühlen und hält nichts von Druck, auch wenn dieser unterstützend gemeint ist. Die Trauer komme in Wellen zurück, manchmal auch unvermittelt, das ließ er auch so zu: "Ich habe manchmal auch geweint, als ich im Zug gefahren bin, ohne Anlass."

Ihm fehle sehr, sich mit derselben Vertrautheit unterhalten zu können: "Bei ihr konnte ich sagen, was ich wollte, sie hat mich gekannt", erzählt er über seine Frau. Also spricht er noch jeden Abend mit ihr: "Ich habe auch schon gesagt, gute Nacht, schlaf gut. Oder ich habe gesagt: Heute habe ich wieder Mist gemacht", sagt er mit einem Schmunzeln.

Zur Trauerbegleitung

Die Trauerbegleiterin, die das Gespräch begleitete, betont immer wieder, wie individuell Trauern ist. Für Außenstehende hat sie trotzdem zwei Tipps. Einmal ist da das Angebot der praktischen Hilfe: "Kann ich dich einmal zum Essen einladen? Oder soll ich dir etwas bringen, wenn ich gekocht habe? Würde es dir helfen, wenn ich mit dir den Papierkram mache?"
Auf der anderen Seite ist da das Gespräch: Wenn Trauernde nicht von sich aus über den Trauerfall sprechen, rät die Begleiterin, erst über Banales zu sprechen und abzuwarten, ob derjenige das Gespräch sucht. Manchmal tue es auch gut, bewusst über etwas anderes zu sprechen.
Der Hospizverein Main-Spessart bietet neben der Trauerbegleitung auch die Hospizbegleitung für Sterbende und deren Angehörige an. Kontakt: hospiz@bnmsp.de oder Tel.: (09353) 909234
Quelle: (gop)
 
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