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Lohr
Wie FDP-Promi Helmut Markwort sich in Mehlings Keller verkaufte
Quasi als Geburtshelfer der Lohrer FDP stellte sich der ehemalige Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Focus vor bei der Präsentation der Stadtratskandidaten.
Landtagsabgeordneter Helmut Markwort stellte am 7. Januar in Mehlings Kulturkeller die neun FDP-Kandidaten für den Lohrer Stadtrat vor.
Foto: Roland Pleier | Landtagsabgeordneter Helmut Markwort stellte am 7. Januar in Mehlings Kulturkeller die neun FDP-Kandidaten für den Lohrer Stadtrat vor.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:08 Uhr

"Fakten, Fakten Fakten ..." Helmut Markworts Werbeslogan für den Focus ist zum geflügelten Wort geworden. 25 Jahre ist dieser legendäre Claim jetzt alt, sieben Jahre wurde er benutzt, so lange wie kein anderer der neun Werbesprüche für dieses Magazin.

Der Mann, der ihn damals als Chefredakteur prägte, ist heute Alterspräsident im Bayerischen Landtag. Am Dienstag stellte der 83 Jahre alte Journalist und Medienunternehmer in Mehlings Kulturkeller die neun Stadtratskandidaten der vor gerade mal zwei Jahren wiederbelebten Lohrer FDP vor (wir berichteten). Zwar lockt auch seine Prominenz nicht mehr als 20 Interessierte in Mehlings Kulturkeller. Doch präsentiert sich Markwort mit weit ausholender Gestik und Nonchalance als Mann markiger Worte.

Bundestagsabgeordneter Werner Kubitza (Dritter von rechts, mit Hut) bei einer Gefechtsübung der unterfränkischen Panzergrenadierbrigade 35 auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg (undatiertes Archivfoto).
Foto: Norbert Möller | Bundestagsabgeordneter Werner Kubitza (Dritter von rechts, mit Hut) bei einer Gefechtsübung der unterfränkischen Panzergrenadierbrigade 35 auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg (undatiertes Archivfoto).

Noch einmal kurz zurück in die Vergangenheit: Man schrieb das Jahr 1995, als Markwort erstmals "Fakten, Fakten, Fakten" forderte. In jenem Jahr endete die Ära von Werner Kubitza, der letzten Galionsfigur der FDP im Landkreis. Nach dem Tod des ehemaligen FDP-Bezirksvorsitzenden (1957-1974), Abgeordneten des Bundestags (1961-1969) und Landtags (1974-1978) sowie Lohrer Stadtrats (1960-1966 und 1981-1993) darbte die Liberalität in Lohr dahin. 

1978 vor dem Lohrer Rathaus: Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP).
Foto: Otto Madre | 1978 vor dem Lohrer Rathaus: Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP).

Fast schon vergessen der Auftritt von Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Lohr im Jahr 1978. Damals war der Marktplatz voll - und Markwort nicht mehr als eine Karteileiche seiner Partei. Jetzt kommt er als spätberufener Politiker, der "aus Versehen in den Landtag reingekommen ist", um Peter Sanders kleines Pflänzchen zu düngen.

Ein Mann markiger Worte

Peter Sander, Spitzenkandidat der FDP für den Lohrer Stadtrat.
Foto: Roland Pleier | Peter Sander, Spitzenkandidat der FDP für den Lohrer Stadtrat.

Markwort nunmehr also als "Geburtshelfer" des Ortsverbands Lohr. Ganz im Duktus des Parteivorsitzenden Christian Lindner preist er die FDP an für die "große, wachsende, heimatlose Mitte". Und dem Häuflein Interessenten verkauft er die Erkenntnis "Sie wählen im Grunde keine Partei, Sie wählen Lösungen" als wäre es eine Schlagzeile von morgen. 

Seine ebenfalls angekündigte Frau, die 13 Jahre jüngere Patricia Riekel, hat er in München gelassen. Auch dort sei Wahlkampf, entschuldigt er sie. Dafür hat er eine Freundin aus Darmstadt mitgebracht, die ihn fürsorglich auf den Treppenstufen begleitet – eine gewisse Unsicherheit auf den Beinen scheint seine einzige Alterserscheinung zu sein.

Der Prinz von Schneewittchen

Markwort weiß sehr wohl, wo er ist. Er weiß, wo Steinbach liegt und dass es Wombach gibt. Eine Beziehung zu Lohr hatte er schon indirekt, als er Lohr noch gar nicht kannte und die Lohrer noch gar nicht ahnten, dass sie einst in einer Schneewittchen-Stadt leben würden. Denn schon "bei Aufführungen der Schule durfte ich immer den Prinzen spielen, mal mit Dornröschen, mal mit Schneewittchen", gibt Markwort auf seiner Homepage preis. Zehn Jahre alt sei er damals gewesen, verrät er dem erlauchten Kreis von Zuhörern.

Beziehungsreich

Doch das ist längst nicht alles: Die Lohrer Jugendherberge habe er auch schon in jungen Jahren kennengelernt, plaudert er – auf seiner Radtour von Darmstadt, wo er geboren wurde, nach Bad Rodach bei Coburg, wo er etliche Jahre aufwuchs. Zudem verlässt er sich seit 40 Jahren auf einen Medienanwalt aus München, der ihn sogar nach Lohr begleitete. Sein Name: Christoph von Hutten zum Stolzenberg.

Kennt Helmut Markwort schon seit Jahrzehnten: Christoph von Hutten kandidiert auf Platz zwei der FDP-Liste für den Lohrer Stadtrat.
Foto: Roland Pleier | Kennt Helmut Markwort schon seit Jahrzehnten: Christoph von Hutten kandidiert auf Platz zwei der FDP-Liste für den Lohrer Stadtrat.

Elegant leitet Markwort über zu dem namensgleichen Christoph von Hutten (ohne Stolzenberg) aus Steinbach, der auf Platz zwei der FDP-Liste kandidiert, sich als "country boy" vorstellte, der sich für das Leben auf dem Lande stark machen und nicht nur gegen etwas sein will, wie er sagte. 

Eine Schippe Hackschnitzel extra

Aus Coburg kommend nächtigte Markwort natürlich (nicht zum ersten Mal) im Hutten'schen Schloss, wobei ihm der 55-jährige Schlossherr aus Steinbach versicherte, extra für ihn "noch eine Schippe Hackschnitzel extra" aufzulegen, damit er es im Gästezimmer schön warm habe.

Elegant verstand es das Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern auch, den Kandidaten Bälle zuzuspielen beziehungsweise Pässe anzunehmen. Einen solchen lieferte ihm Frauenärztin Dunja Reitz, die sich für eine Geburtenhilfe im künftigen Zentralklinikum einsetzte. "Das ist meine Antwort auf Christian Spahn", begründete die 44-Jährige ihr erst kürzlich gewecktes politisches Engagement. Worauf Markwort schlagfertig pointierte, dass dies für den deutschen Gesundheitsminister ja wohl eine "Schreckensnachricht" sei.   

Helmut Markwort übertrumpft sogar Kurt Tucholsky

Auch um etwas heiklere Punkte machte der gewitzte Medienprofi keinen Bogen. So machte er kein Hehl draus, dass er als Autor nicht weniger als zehn Pseudonyme verwendet habe ("Kurt Tucholsky hatte auch fünf"). So ganz nebenbei bemerkte er zudem, dass die drei Frauen die letzten drei der neun Plätze auf der Lohrer FDP-Liste einnehmen – was die Polit-Neulinge mit ihrem persönlichen Zeitmanagement begründeten.  

Da war es dann wieder, das reale Leben, um das es dem schlagfertigen Focus-Chefredakteur einst ging, wenn er "Fakten, Fakten, Fakten" einforderte. Wobei für Journalisten bis heute auch der Zusatz wichtig ist, nämlich Teil zwei des Claims:  "... und immer an die Leser denken."

 
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