Seit 1981 gibt es im Arnsteiner Ortsteil Gänheim die Partnervermittlung Ziegler. In der Zeitung wirbt sie regelmäßig mit "seriösen, ansprechenden Damen und Herren". Ist eine Partnervermittlung auf dem Land angesichts immer größerer Konkurrenz durch Dating-Apps und Online-Singlebörsen noch zeitgemäß? Und wissen Lothar Ziegler, der im Mai 70 wird, und seine 64-jährige Frau Renate noch, was Jüngere suchen? Der Internetauftritt zumindest wirkt etwas altbacken. Wir haben uns nach Gänheim aufgemacht, das nahe an der Grenze zu den Landkreisen Schweinfurt und Würzburg liegt, um die Zieglers zu treffen.
Ihr weiß verputztes, großes Haus steht in einer ruhigen Siedlung aus Einfamilienhäusern, im Garten weht eine Deutschland- und eine FC-Bayern-Fahne. Von außen deutet nichts auf eine Partnervermittlung hin, nur am Klingelschild sieht man, dass man richtig ist. Es öffnet, begleitet vom Gebell eines kleinen wuscheligen Hundes, ein adretter Herr mit dünnem Oberlippenbart, Brille und schwarzem Anzug, der an einen Chansonsänger erinnert, und führt in ein Zimmer, das mit Grünpflanzen und Kunstrosen, Sofa und Computer halb Büro, halb Wohnzimmer ist.
Hier unterhalten sich die Zieglers und die Menschen auf Partnersuche bei einer Tasse Kaffee. "Ich weiß nach fünf Minuten, was einer für ein Mensch ist und was er sucht, der kann mir erzählen, was er will", sagt Lothar Ziegler, überzeugt von seiner Menschenkenntnis. Vor allem mit Frauen könne er gut. Seine Frau Renate, wie ihr Mann aus Gänheim, nennt das seine "Gabe". Im ein bis zwei Stunden dauernden Gespräch schätzen die Eheleute die Kandidaten ab und notieren für ihre Kartei Dinge wie Hobbys und Eigenschaften. Schnell wechsle man zum Du. Partnervermittlung sei "Vertrauenssache".
"Die kriegen genau gesagt, wen sie kennenlernen", sagt Ziegler, mitunter sei sogar gleich ein Telefongespräch mit einem hoffentlich passenden "Herrn" oder einer "Dame" möglich. Statt Kontaktanzeigen machen die Zieglers Vorschläge, die ersten drei bis fünf Steckbriefe mit Kontaktdaten gibt es nach einer Anzahlung. Eine weitere Summe wird nach Erfolg, soll heißen: einem Jahr Zusammenleben oder Heirat, fällig. Mit 1000 Euro müssen Männer da schon rechnen, von Frauen verlangen sie mitunter deutlich weniger.
Warum geht jemand zu den Zieglers? 40 Prozent kämen aufgrund einer Empfehlung, sagen sie. Viele hätten schon Partnerbörsen im Internet ("zu viel Auswahl") oder Zeitungsannoncen ausprobiert, aber bis jetzt nicht den "Richtigen" oder die "Richtige" gefunden. Bei Zieglers sähen sie größere Chancen auf schnellen Erfolg. Ihr Erfolgsgeheimnis seien "das Persönliche", die Erfahrung und die Menschenkenntnis, außerdem die Konzentration auf Unterfranken. Die meisten Kunden kämen aus dem Raum Würzburg/Schweinfurt/Bad Kissingen/Karlstadt.
Obendrein helfen sie den Kandidaten mit allerlei Tipps – "du kannst gern ein Ferrero Küssle mitbringen", "gemütlich ist es beim Chinesen" – auf die Sprünge. "Eingesessenen Junggesellen muss man ein bisschen einen Stumper geben", sagt Renate Ziegler. Was es einfacher mache: Die, die zu ihnen kommen, seien auch wirklich ernsthaft auf der Suche nach einem Partner fürs Leben. Vor allem die Jüngeren "heiraten fast alle", entsprechend nennt sich die Partnervermittlung auch "Eheinstitut". Über die Jahre habe sich wenig geändert, außer dass durch das gestiegene Heiratsalter immer weniger Kandidaten unter 30 seien, früher hätten sie viele 18-, 19-Jährige gehabt.
In ihrer Kartei hätten sie überwiegend Frauen, das Alter zwischen 18 und 85. Ziegler holt ein Köfferchen, in dem vier Ordner stecken. "Schauen Sie, das sind die Damen", sagt er. Unter den männlichen Kunden seien viele Geschäftsleute, die wenig Zeit haben. Einheimische aus dem Dorf seien auch schon vermittelt worden, aber die trauten sich nicht so wegen dem Gerede. "Die kommen, wenn's dunkel ist." Von einer Junggesellenclique aus Nachbardörfern hätten sie fünf an die Frau gebracht, die zwei anderen hätten nicht gewollt.
Nicht immer kämen Menschen auf Partnersuche selbst. Oft riefen Mütter für ihre Söhne an, die meist eher schüchterner Natur seien. Einmal habe auch ein Vater seiner Tochter zum 30. eine Partnervermittlung geschenkt. Ziegler: "Nach einem halben, dreiviertel Jahr war die schwanger." Der Vater (der Braut) sei überglücklich gewesen, der des Kindes etwas überrumpelt. "Das müssen sie selber machen", sagt Renate Ziegler und lacht, "da stecken wir nicht drin."
Wie sie die Kandidaten zusammenwürfeln? "Entscheidend ist das Gefühl und die Sympathie", sagt Lothar Ziegler. Ansonsten achteten sie auf gleiche Interessen und ein ähnliches Bildungsniveau. Ihre Erfolgsquote sei hoch, in der Regel sei unter den ersten fünf bis 20 Vorschlägen ein Treffer. "Wenn sie bei mir niemanden finden", sagt der Vermittler überzeugt, "finden sie nichts." Manchmal gehe es ganz schnell, sie erzählen von Volltreffern beim ersten Vorschlag, manchmal dauere es ein Jahr. Haben sich zwei gefunden, gibt es zum Abschluss mit dem neuen Paar ein Glas Sekt bei den Zieglers. Es sei auch schon vorgekommen, dass sie frühere Kundinnen, deren Partner nach Jahren verstorben ist, ein weiteres Mal vermittelt hätten.
Wie gut es tatsächlich funktioniert, lässt sich als Außenstehender freilich nicht nachprüfen, aber die Zieglers zeigen Dankesschreiben, verweisen darauf, dass sie sicher Hunderte Ehen vermittelt haben. Sie seien auch schon Trauzeugen von Kunden gewesen, zeigen die Dankeskarte eines Paares, bei dem sie 2017 zu Gast auf dem Polterabend waren.
Rechtliches Know-how gekauft
Zur Partnervermittlung kam Lothar Ziegler 1981 durch eine Anzeige in der Zeitung. Eine Hamburger Vermittlung verkaufte damals ihr Know-how in rechtlichen und vertraglichen Dingen. Er habe sich die Zahlen angeschaut und zugeschlagen, so Ziegler. Er habe im Hauptberuf bis 2005 als Großhandelskaufmann in leitender Funktion gearbeitet, seine Frau Renate ist gelernte Industriekauffrau und macht die anfallende Schreibarbeit.
"Bauer sucht Frau" oder "First Dates" schauen sie sich durchaus gerne im Fernsehen an. Bei vielen Paaren sei ihnen gleich klar, dass es nicht klappe. "Da werden manchmal welche aufeinander losgelassen . . .", schmunzelt Renate Ziegler. Dass ein Bauer am Anfang gleich zwei Frauen habe, finden sie nicht gut, da fühle sich die Frau ja wie eine Ware.
Selbst haben die Zieglers keine Vermittlung gebraucht. Er habe sich seine Renate schon ausgeguckt, da war sie noch ein Mädchen. Als sie fünfzehneinhalb war, kamen sie schließlich zusammen. Seit 44 Jahren sind sie verheiratet. Das Ehepaar hat einen Sohn und eine Tochter und bis jetzt zwei Enkelkinder. Ein paar Jahre wollen sie die Vermittlung noch weiterführen, dann übernehme vielleicht die Tochter.