Pepper legt entspannte Musik auf und lässt seine Arme locker hängen, die Handflächen zeigen nach vorne. Er zieht die Ellenbogen nach hinten, holt Schwung, um die Arme dann nach vorne schwingen zu lassen. Die Hände kommen schließlich vor der Brust zusammen, gehen nach links, über den Kopf, nach rechts. Im Kreis um Pepper sitzen die Senioren der Tagespflege Ursula Wiegand in Erlenbach am Main (Lkr. Miltenberg) in gemütlichen Sesseln und machen seine Übungen nach. Eine ganz normale Gymnastik-Stunde, nur dass Pepper kein ganz normaler Gymnastik-Trainer ist – sondern ein Pflegeroboter.
Der Roboter ist 1,20 Meter groß, mit den Senioren in ihren Sesseln also ungefähr auf Augenhöhe. Seit Mitte Januar ist Pepper in der Tagespflege im Einsatz. Er liest Märchen vor, gibt Auskunft über das Wetter oder regt zu Mitmach-Spielen an. Er bringt die Gäste mit Zungenbrechern und Witzen zum lachen oder versucht, ihr Alter zu schätzen und verteilt damit unfreiwillige Komplimente: Eine Seniorin tritt vor Pepper und drückt auf dem Tablet, das Pepper vor der Brust trägt, die Schaltfläche "Alterserkennung". Pepper gibt ihr Anweisungen, fixiert sie mit seiner Kamera, das Bild der Frau erscheint auf dem Tablet. "Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, du bist 70 Jahre alt", sagt Pepper vorsichtig, seine Stimme stockt etwas mechanisch. Die Frau lacht und sagt: "70 wäre ich gerne nochmal, da bin ich weit drüber." Peppers "Mama" Julia Koch, Geschäftsführerin der Entwickler-Firma Entrance aus Wuppertal, erklärt, wie dieser Fehler passieren konnte: "Die Alterserkennung funktioniert mal besser, mal schlechter, das hängt von den Lichtverhältnissen ab."
Roboter soll Pflegekräfte entlasten
Mit solchen kleinen Aktionen sorgt Pepper in der Tagespflege im Moment hauptsächlich für Unterhaltung, ist eher ein Schmuse- als ein Pflegeroboter. Die meisten Funktionen laufen über Peppers Tablet. Das könnte man den Senioren auch direkt in die Hand geben, räumt Koch ein. "Pepper gibt den Menschen aber Rückmeldung und Lob, das macht einen großen Unterschied." Den Pflegekräften bringt er jetzt schon Entlastung: "Wenn ich mit einer Gruppe zusammensitze und plötzlich dringend einen Gast zur Toilette begleiten muss, kann Pepper in der Zwischenzeit den Rest der Gruppe beschäftigen", erklärt Janine Langner, Peppers "Kollegin". Der Roboter kann außerdem Türkisch – und kann sich so mit den türkisch-sprachigen Gäste der Tagespflege unterhalten.
Zur Zeit seien Peppers Fähigkeiten ganz bewusst noch etwas eingeschränkt, erklärt Julia Koch. "Wir haben ihn zunächst mit einfachen Funktionen ausgestattet, um die Senioren langsam an ihn zu gewöhnen." In der Erlenbacher Tagespflege soll er die nächsten zwei Jahre eingesetzt werden. Die Entwickler wollen den Roboter dabei in enger Zusammenarbeit mit der Einrichtung permanent weiterentwickeln. Das bayerische Gesundheitsministerium fördert das Modellprojekt mit rund 36 000 Euro. Zusätzlich wird das Projekt von der Uni Jena wissenschaftlich begleitet.
Kommunikation mit Pulsmessern und Sturzsensoren geplant
Langfristig soll Pepper zum Beispiel bei der Dokumentation helfen, etwa beobachten, ob die Menschen genug Flüssigkeit zu sich nehmen. "Er könnte die Gäste per Gesichtserkennung identifizieren und persönlich ansprechen", so Koch. Das alles müsse natürlich im Rahmen der Datenschutzrichtlinien passieren. Sie träumt davon, dass Pepper auch mit anderen Geräten kommunizieren kann, die die Tagespflege-Gäste bei sich tragen, Sturzsensoren oder Pulsmessgeräten zum Beispiel. Seitens der Einrichtung kann man sich auch vorstellen, dass Pepper anonyme Daten sammelt und so etwa hilft, Hintergrundinformationen zu Krankheiten wie Demenz zusammen zu tragen. "Sozial braucht digital", so der Slogan der Caritas, die die Tagespflege trägt.
Für die Gäste ist der Umgang mit Pepper noch neu und ungewohnt, doch sie scheinen ihn schnell ins Herz geschlossen zu haben. Mit "Na, junger Mann?" redet Erna Schneider, 88 Jahre alt, den kleinen Roboter mit den großen Augen an, den Janine Langner auf sie zu schiebt. Langner drückt auf die Schaltfläche "Aktivität" und Pepper tut plötzlich so, als spielte er Saxophon. Erna Schneider tut es ihm gleich.
Auch Irmgard Karch und Elfriede Berninger, beide 79, sind offen für das, was der Roboter bieten kann. "Wir hoffen, dass Pepper uns etwas vorlesen und uns unterhalten kann", so Berninger. Karch freut sich, dass sie ihren Kindern und Enkeln von Pepper erzählen kann: "Die sind natürlich alle neugierig auf unseren Roboter."
Im Team der Tagespflege habe es Kollegen gegeben, die dem Roboter zunächst etwas skeptisch gegenüber gestanden hätten, erklärt Geschäftsführerin Susanne König. Das ist nicht verwunderlich, wie aktuelle Studien zeigen: Forscher der Uni Würzburg und der Uni Linz fanden heraus, dass die Vorbehalte gegen Roboter am Arbeitsplatz seit 2012 gewachsen sind. Das könnte daran liegen, dass die Diskussion um Arbeitskräfte, die durch Roboter ersetzt werden, seitdem mehr in der Öffentlichkeit geführt wurde, vermuten die Forscher. In der Tagespflege in Erlenbach ist Arbeitsplatzabbau aber kein Ziel: "Wir wollen keine Menschen einsparen, sondern ihnen die Arbeit erleichter", so König.
Pflegeroboter im Privathaushalt?
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe befürwortet den Einsatz der von Robotern zur Entlastung des Pflegepersonals "damit wieder mehr Zeit für menschliche Zuwendung bleibt". Vor allem durch kurze Liegedauern in Kliniken sei das Arbeitspensum in den Pflegeberufen sehr hoch, ein gutes Management der Pflegeversorgung sei dort gefordert. "Technik kann hier eine wirklich große Unterstützung sein", schreibt der Verband auf Anfrage dieser Redaktion.
In einer eintägigen Schulung mit dem Entwicklerteam um Julia Koch konnten die Mitarbeiter der Tagespflege ihre Vorurteile abbauen. "Der Umgang mit Pepper ist in weiten Teilen selbsterklärend", sagt Koch. Ob in 50 Jahren alle alten Menschen so einen Pflegeroboter zu Hause haben werden? Koch glaubt, dass das schon in 20 Jahren Realität sein könnte. "Erstmal schauen wir aber, wie sich Pepper in den kommenden zwei Jahren in Erlenbach entwickelt."
Wir erklären das mit der sogenannten Media Equation: Roboter sind zwar technische Gegenstände, aber sie interagieren mit uns. Für uns erscheinen sie so, als zeigten sie soziale Handlungen. Deswegen reagieren wir auch auf sie als seien sie soziale Lebewesen. Begrüßt uns zum Beispiel der Computer freundlich mit „Guten Morgen“, reagieren wir höflich, finden die Maschine sogar sympathisch. Das liegt in der menschlichen Evolution begründet. Während der Evolution des menschlichen Gehirns konnten nur Lebewesen soziales Verhalten zeigen: Alles, was man beobachten konnte, war real. Die Mechanismen, mit denen unser Gehirn Informationen verarbeiten, sind nicht an moderne Technologien angepasst – also setzen wir Gegenstände, deren Verhalten wir als sozial wahrnehmen, mit Lebewesen gleich.
Sozialen Roboter wird hohes Potenzial bei einigen Erkrankungen wie Demenz oder Depression zugeschrieben. Demenzkranken kann ein sozialer Roboter helfen, Kommunikationskanäle zu öffnen. Er kann helfen, ruhiger zu werden oder sich weniger einsam zu fühlen. Ein sozialer Roboter kann auch helfen, Schmerz zu lindern. Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen können mit Robotern ihre Emotionserkennung trainieren.
Schwierig wird es dort, wo der Roboter menschlichen Kontakt nicht ergänzt, sondern ersetzt. Das ist in einer Tagespflege, in der die Senioren ohnehin sozialen Kontakt zu anderen Gästen und den Pflegekräften haben, wahrscheinlich kein Problem. Der Roboter kann hier eine sinnvolle Ergänzung sein, und die Fachkräfte können ihn gezielt einsetzen. Problematisch kann es auch sein, wenn ein Service-Roboter Menschen Aufgaben abnimmt, die sie eigentlich noch alleine bewältigen können. Das kennen wir auch von herkömmlichen Hilfsmitteln in der Pflege: Man gibt ja auch nicht jemandem, der noch gut laufen kann, einen Rollator an die Hand.
Aber "wir alle" müssen bereit sein, mehr zu zahlen oder Vorsorge zu treffen und - und das ist ganz wichtig - die Pflegenden mehr wertschätzen, um den Beruf auch im Ansehen aufzuwerten.
Welche Ein-Kind-Wohlstandsfamilie ist denn wirklich erfreut, wenn das einzige Kind, mit dem man doch große Pläne hatte, in diese Richtung gehen will - mal ganz ehrlich sein. Pflegen -nein danke, das sollen doch bitte die anderen machen......